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914. l I l :tion der tharvbahn irekt am nnrzersee. cd; Rigi, >e, ruhige Garten an. k'Les. ZcL^ei^. an neu, :L»ttige k Leo- 6—10. kerx, «17«, I Taten ktizer uciec- »cse« ite ri> at » s. SrU»M. Sam«,,, lv. Mal !Sj< Leipziger Tageblatt. m. ess. Sonniays-Kuszade. Seile iS. - --! ."S— § s Unterhaltungsbeilage - r» Am Garten Gatte» der Lärm der Welt Gelang, und Gotte» Garten wird ein Herz, da« sich bezwang. Otto Julius Dierbaum. Der liebe Gott an- -er Zensor*). Von Rudolf Sreinz. Viel zu früh hatte er von dieser Erde wbschetden müssen. Im schönsten Mannesalter. Er war ein Opfer seines Berufes geworden. Der neueste Ministerialerlatz über die Handhabung der Theater zensur war die unmittelbare Ursache seines Todes. In nimmermüdem Pflichteifer trachtete er der Forderung Sr. Exzellenz nachzukommen und ein literarisch gebildeter Verwaltungsbeamter zu werden. Eine schwere Ausgabe, bei der ihn selbst sein sonst so erfolgreiches Streben im Stich zu lassen drohte. Wie leicht strebte sich's Loch früher! Viel Sitz leder, ein schmiegsamer Rücken, ja keine Nacken steife . . . Aber jetzt wurde plötzlich das ganze . Zentralnervensystem und dadurch sogar das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen. Mit der Literatur hatte er schon als Gymnasiast auf Kriegsfutz gestanden. Sie blieb seine Achilles ferse. Doch auch dieses Hindernis mutzte in seiner Steeplechase genommen werden. So wurde er ein offiziell literarisch gebildeter Zensor. Er suchte sich mit allen modernen Richtungen möglichst vertraut zu machen. Er las, exzerpierte und büffelte Tag und Nacht. Das rwb seine Kräfte auf. Das Gehirn verträgt eben nicht derartige Strapazen wie Sitzleder und Wirbelsäule. Er war noch nicht einmal bis zum Ueberbrettel gelangt, als er an allgemeiner Lebensschwäche da» Zeitliche segnete. Armer Zensor! Die Blätter widmeten ihm rührende Nachrufe, der Minister kondolierte seiner untröstlichen Witwe persönlich. Kinder waren nicht vorhanden. Wer hätte das auch noch zu allen seinen sonstigen Leistungen verlangen können! Seine Kollegen spendeten prachtvolle Kränze, deren Schleifen lauter Zitate aus bekannten Dramen trugen. Der Verstorbene hatte die Auswahl der Kranzinschriften noch selbst testamentarisch verfügt, denn er wollte auch literarisch gebildet begraben werden. Ein kleines Aeraernis gab es bei der erhebenden Leichenfeier. Ein Kranz wurde konfisziert, obwohl dessen Schleife auch ein dramatisches Zitat trug, und das noch dazu aus „Götz von Berlichingen . Da sich diese Anschrift jedoch in dem letztwilligen Ver zeichnis nicht vorfand, konnte der Kranz nicht zu gelassen werden. Wie man später erfuhr, war der Spender ein fustqet Bühnenschriftsteller, dessen Stück der Zensor verboten hatte. Es gibt also doch noch Dank dis über das Grab hinaus . . . Das sterbliche Teil des Zensors wurde in einer Ehrengruft bestattet, während seine Seele den steilen Weg zum Himmel antrat. Nach langer Wanderung kam der Zensor an die enge Pforte zur Seligkeit, läutete und mutzte ge raume Zeit warten, bis ihm Sankt Petrus öffnete, der gerade sein Nachmittagsschläfchen hielt. „Können Sie mich vielleicht zum lieben Gott führen?" fragte der Zensor. Petrus brummte etwas Unverständliches in den Bart und geleitete den Ankömmling in den glän zenden Himmelssaal. Der liebe Gott war gerade allein. Der Zensor verbeugte sich tief, sehr tief. Mindstens um einen Winkel von vierzig Graden tiefer, als er sich sonst vor Sr. Exzellenz zu verbeugen pflegte. Der liebe Gott sah ihn lange schweigend an und fragte endlich mit einem milden Lächeln: „Was führt Sie zu mir?" „Ich wollte alleruntertänigst um allergnädiaste Aufnahme in den Himmel bitten" sagte der Zensor halblaut in dem sorgfältig erwogenen Stil eines Majestätsgesuches. „Was waren Sie auf Erden? Und was können Sie zur Erfüllung Ihrer Bitte anführen? Welches sind Ihre Verdienste?" „Ich erlaube mich vorzustellen . . .", wagte der Zensor sich schichtern in die Brust zu werfen. „Hof rat T., literarisch gebildeter Verwaltungsbcamter und Zensurbetrat, ditto literarisch gebildet!" „So?" lächelte der liebe Gott. „Das ist ja sehr schön. Da können Sie jedenfalls auf ein segensvolles Wirken zurückblicken." „Eewitz!" richtete sich der Zensor in seiner ganzen Grütze auf. „Ich war ein Hüter der öffentlichen Ruhe und Ordnung! Ich duldete keine heraus fordernde Verletzung der guten Sitte! Ich gewährte ohne Voreingenommenheit den grasten und schweren Aufgaben der dramatischen Literatur innerhalb der Gesetze freien Spielraum! Jeder Ausschreitung jedoch oder richtiger gesagt, allem, was mir als Aus schreitung erschien, trat ich kraftvoll entgegen!" „Ein hartes Amt!" meinte der liebe Gott. .Ich bin daran gestorben!" erwiderte der Zensok wehmütig. „Ja, wenn es ohne die literarische Bil dung gegangen wäre, dann sähe ich heute noch, frisch und munter vorwärtsftrebend, in meinem Bureau. Ick hatte mir sicher den Sekttonschef ersessen! Aber die Literatur hat mir den Garaus gemacht! Es wird einmal zu viel geschrieben! O diese Dichter!" „Und welcher Beschäftigung gedenken Sie sich bei uns zu widmen?" fragte der lieve Gott. „Ich würde am liebsten mein Amt fortsetzen!" ries der Zensor eifrig. „Denn im Grund genommen ist s doch jammerschade um meine mühsam erworbe nen Literaturkenntnisfe, w«nn sie nun in alle Ewig keit brachliegen sollen!" „Ja, ja .. ." sagte der liebe Gott. „Eigentlich Huben Sie ganz Acht. Wird sich aber bei uns schwer machen lassen. Wir besitzen kein Theater und drucken keine Bücher. Wir haben überhaupt nur ein einziges Buch im Himmel. Sie erraten wohl welche«? Di« Bibel." *) Au, «Die Schellenkappe", dem neuesten Land lustiger Historien, der fopden im Verlag L. Staack- mann in Leipzig erschienen ist. »Die Schellenkappe" ist «ine» dar lustigsten Vächer »an R«wlf Grain». „Also doch «in Buch!" atmete der Zensor erleich tert auf. „Da könnte ich ja schließlich ., ." „Die Bibel zensurieren!" lachte der liebe Gott. „Wenn mein Verlangen nicht unbescheiden er scheint . . ." verbeugte sich der Zensor abermals um vierzig Grade tiefer als weiland vor Sr. Exzellenz dem Minister. „Wenn es Ahnen Freude macht", sagte der liebe Gott, „warum nicht? Bei mir soll doch jeder selig werden. Und wenn Ihre Seligkeit in der Fort setzung Ihres irdischen Berufes besteht... ich habe nichts dagegen. Entschuldigen Sie nur, datz ich Ihrer literarischen Bildung kein reichlicheres Material zur Verfügung stellen kann!" „O, es genügt vollkommen!" stammelte der Zensor entzückt. „Darf ich vielleicht einstweilen nur um das Alte Testament bitten?" „Bedienen Sie sich!" wies der liebe Gott nach einem goldenen Tisch im Himmelssaal. Der Zensor ergriff einen dort liegenden Band und zog sich unter mehrfachen Verbeugungen gegen den Eingang des Saales zurück. In diesem Augenblick trat ein Kind in den hohen Raum. „Bist du der liebe Gott?" fragte eine hell« Stimme. „Ich bin der liebe Gott, mein Kind!" erwidert« der Ewige und streckte beide Hände nach dem Kind aus. Das Kind aber trippelte ihm mit schnellen Schrit ten entgegen. Der liebe Gott nahm es, setzte es auf seine Knie, strich ihm die Locken aus dem Gesicht und kützte es auf die Stirn. Der Zensor war am Ein gong des Saales stehenzeblieben und sah den ganzen Vorgang. „Griitz dich Gott, lieber Gott!" sagte das Kind. „Weitzt du, ich kann ein Verslein!" „Und wie heitzt das Verslein?" fragte der Ewige. „Mein Herz ist klein . . . kann niemand hinein... als du, mein lieber Gott, allein!" sprach das Kind. Der liebe Gott sah den Zensor an und meinte: „Das ist Poesie, Herr Hofrat, und gehört eigentlich in Ihr Ressort. Haben Sie als Zensor etwas da gegen einzuwenden?" „Kinderliteratur! Kinderliteratur!" wehrte der Zensor verlegen ab. „Damit hatte ich mich nie zu be schäftigen. Mein literarisches Niveau war ein wesentlich höheres!" „Ach so?" lächelte der liebe Gott. „Verzeihen Sie! Sie hatten wohl nie Kinder?" „Danach habe ich leider stets vergebens gestrebt!" versicherte der Zensor noch verlegener und empfahl sich. Während er ging, hörte er, wie das Kind den lieben Gott fragte: „Weitzt du auch, wie man Hotte, hotte, Rössclein! macht?" „Freilich weih ich das!" sagte der liebe Gott und schaukelte das Kind auf seinen Knien Hotte, hotte, Rösselein! Da droben steht ein Schlösse- lein . . ." Der Zensor gurg mit dem Alten Testament, setzte sich auf eine Wolke, nahm den Rotstift aus der Westentasche und begann zu streichen. Nach einigen Stunden war der Rotstift verbraucht. Der Zensor ersuchte Len heiligen Petrus um neues Schreibmaterial. Zufällig hatte gerade früher eine Balgerei unter den kleinen Engeln stattgesunden, wobei ein winziges Engelein eine Feder verlor. Dies« lieferte Petrus dem Zensor aus. Der Herr Hofrat spitzte sie sorgsam, fast noch acht Tage und acht Nächte auf seiner Wolke und las un ermüdlich in dem Alten Testament. Dabei tauchte er die kleine Engelsfeder je nach der Tageszeit in das Morgenrot oder in das Abendrot und strich und strich . . . Als er di« letzte Seite erledigt hatte, liest er sich wieder beim lieben Gott melden. Der liebe Gott nahm das zensurierte Buch in Empfang und durchblätterte es lächelnd vom An fang bis zum Ende. „Das also war Ihr Amt?" nickte er still vor sich hin. „,zch mutz unter Wahrung aller schuldigen Ehr furcht aufrichtig bekennen", sagte der Hofrat, „datz ich die gestrichenen Stellen heute nicht mehr durch die Zensur lassen könnte." „So bin ich eigentlich glücklich zu preisen", meinte der liebe Kott, „datz es zu meiner Zeit noch keine Zensur gab." Der Zensor zuckte die Achseln und schwieg. Eine Schwalbe flog durch den Himmelssaal und suchte durch eines der hohen Fenster wieder ihren Ausgang in die unendliche Weite. Ein paar zwit schernde Töne zitterten durch den Raum und ver klangen dann brausten in der Ferne. Der liebe Gott sah der Schwalbe nach und sprach: „Auch sie hat ihre Lieder. Und niemand zensuriert sie. Habe ich deshalb dem Menschen vor jedem an dern Geschöpf das Wort gegeben, datz die in Worte gekleidete Poesie ein anderes Schicksal erfahre, als der Gesang dieser Schwalbe? Sie werden mich viel leicht nicht verstehen, Herr Hofrat. Das Niveau Ihrer literarischen Bildung dürfte dafür zu — hack» sein . . . Doch was ich sagen wollte ... Ls ist 'M unbedingt lieber, wenn Sie sich bei uns um eine andere Beschäftigung umschaucn als auf Erden." „Wie Exzellenz befehlen!" knickte der Zensor zu sammen, erschrak aber im nächsten Moment tödlich. Denn es kam ihm zum Bewußtsein, datz er dem lieben Gott nicht den richtigen Titel gegeben hatte. Aber welchen Titel sollte er wählen? Er konnte den All mächtigen doch nicht mit „du" und „lieber Gott" an sprechen, wie neulich das Kind . . . Der liebe Gott unterbrach seine verzweifelten Erwägungen und meinte gütig: „Mit dem Zensor amt, Herr Hofrat, ist es also nichts bei uns. Tut mir leid, datz ich Ihnen Leinen günstigeren Bescheid geben kann. Nachdem Ihnen jedoch Ihre literarische Bil dung das Leben gekostet hat, will ich derselben nach Tunlichkeit Rechnung tragen. Wie wäre es, wenn Sie für die sieben Chöre der Engel Noten kopieren würden? Auch ein sehr ehrenvolles Anil: nicht allzuweit entfernt von der Literatur. „Wie Eure Gottheit befehlen!" verbeugte sich der Zensor und schritt langsam und gedrückt aus dem Himmelssaal. Der liebe Gott trat an ein Fenster und sah her nieder auf die Erde. Unendliches Leuchten aing von seinen Blicken aus, wie ein Regenschauer fallender Sterne. Und diese Sterne erschienen den Dichtern in ihrem Traum und wurden zu herrlichen Gestalten, aus denen apdere Verwaltungsbeamte ihre litera rische Bildung holten. Der Zensor aber begegnete vor dem HimmelMral dem Kind von neulich. „Du, Mann!" zupfte ihn das Kind am Rock „Kannst du da» Lied Rinaelreiaen . . . Rosenkranz?" Ach wa»!" brummte der Zensor mürrisch. „Latz mich in Ruh'? Ich pfeife aus die ganze Literatur! Ach mutz Noten kopieren!" , Ein -ibenteuer im Sergwerk. Von Otto von der Miilbe. In der heitersten Gesellschaft unternahm ich einen Ausflug nach einem jener grotzen Bergwerke, die in der Nähe Mansfelds liegen und ihre Gänge oft meilenweit unter der Erde Vorwärtstreiben. Die Stollen, Schächte, Strecken und Abbaue bilden tief drunten ein solches Labyrinth, datz selbst der Berg mann nur ungern die verlassenen Gänge besucht und sich genau mit dem Stollen bekannt macht, der ihn zur Abbaustelle geleitet. Wir erhielten einen jungen Steiger zum Führer und wurden, wie üblich, als Bergleute gekleidet und mit dem kleinen Lämpchen am Hute versehen. Als der Förberkorb in die Tiefe sauste und da» lange Seil in jener eigenartigen Weise zu vibrieren begann, datz man sich bald gehoben, bald in die Tiefe geworfen fühlte, wurde nnr ein wenig beklommen .zumute. „Wirst du das Tageslicht wiedersehen?" Diese Frage drängt sich wohl jedem auf, der über 600 Meter hinabfahrt in das Reich der Finsternis, wo die bösen Wetter Hausen. — Drunten brannte eine Lampe. Zwei alte Berg leute erwarteten den Korb, zwei ernste, schwarze Ge stalten mit tiefgefurchten Zügen. Ihr „Glück auf!" klang feierlich monoton. Nun ging es in die ewige Dunkelheit hinein. Auf allen Seiten umgab uns der harte, kalte Fels, bald Heller, bald dunkler geadert. Hier und da rieselte und tropfte das Wasser. Es ging wohl eine Stunde geradeaus. Manchmal öffneten sich Seitengänge, ver lassene Stollen, die ihren Dienst getan. Der spärliche Schein unserer Lampen drang nur wenige Schritte in die gähnenden Schlünde. Dann wieder kam uns aus weiter Ferne ein Licht entgegen, ein dumpfes Nollen. Ein schwerer Gaul, langsam zwischen den schmalen Gleisen schreitend, brachte einen Zug För derungen mit Fossilien heran. Die. Hufe klappten und klangen aus den eisernen Schienen. Ein Berg mann, fast noch ein Knabe, satz auf dem vordersten Wagen und hielt müde die Zügel. „Glück auf!" — „Glück auf!" wir traten zur Seite: der Zug rasselte träge vorüber. Jetzt bog der Führer in einen schmaleren Stollen: nach wenigen Minuten bogen wir abermals ab und wurden von einigen Lampen angestrahlt. Wir waren zu der ersten kaum meterhohen Abbaustclle gelangt. Vor uns arbeiten fünf Bergleute liegend, den Minenhund, einen flachen Wagen, der das ab geschlagene Erz ausnimmt. am Beine befestigt. Sie riefen uns ihr „Glück auf!" zu, ohne das Pochen zu unterbrechen. Dann schritten wir weiter. Ein anderer Eeitenstollen führte uns in einen grötzeren Gang, dessen Sohle abermals mit einem Schienenstrang belegt war. War es der, den wir schon durchwandert? Wer konnte das sagen! Für den Laien sieht ein Gang wie der andere aus. Jetzt glänzte wieder ein Licht auf: wir gelangten in einen unterirdischen Pferdestall. Dort standen Lvohl ein Dutzend schwer« Gäule, das porgeworfen« Futter zermalmend oder vor sich hinträumend. Hier und da erklang ein Schnauben, ein Stampfen der schweren Hufe auf die unterlegten Holzkohlen. Der alte Wärter satz auf einem Schemel: neben ihm, auf der Futterkiste stand die Lampe. Er erzählte, datz seine Tiere, die niemals das Sonnenlicht Wieder sehen, in der Tiefe still würden und oft erblindeten, was ihre Arbeitsfähigkeit jedoch nicht beeinträchtige, da sie dem Gefühl nach zwischen den Schienen oor- wärtstreten. Der Alte war redselig, ich interessierte mich ernstlich für die unglücklichen Tiere: so entging mir, Latz meine Gefährten den Stall schon verlassen hatten. Der Alte machte mich darauf aufmerksam. „Die Gesellschaft ist in den ersten Stollen gebogen", sagte er, „Sie müssen nach einigen hundert Schritten die Lampen leuchren sehen. Machen Sie, datz Sie nachkommen, denn allein würden Sie sich schwer aus den Gängen herausfindsn. Sie könnten tagelang umherirren, in einen verlassenen Schacht stürzen oder nach Verlöschen der Lampe wohl gar im Dunkeln verhungern." Ich ließ mir das nicht zweimal sagen und eilte in der angegebenen Richtung davon. Ich bog rechts in den ersten Nebenstollen ein; mir war auch, als jähe ich in weiter Ferne einen schwachen Lichtschein. Ich begann zu laufen: da verlosch der Schimmer. „Sie müssen gerade abgebogen sein", dachte ich und hastete bei dem spärlichen Schein meines Lämpchens weiter. Richtig kam bald ein schmaler Stollen, ater er war dunkel. Ich eilte weiter, es öffnete sich wieder ein Stollen, aber auch hier war nichts von den Gefährten zu sehen. Ich lief zu dem ersten zurück und in diesem einige hundert Schritte entlang; da begann mein Lämpchen zu flackern und zu knistern und wurde langsam dunk ler. Ich nahm cs mit dem Hute vom Kops: es drohte zu verlöschen. Ich Lin nicht furchtsam, aber die Worte des alten Bergmannes klangen mir noch in den Ohren, und mir war einen Augenblick, als presse eine eiskalte Hand mein Herz zusammen. Dann hatte ich meine Geistesgegenwart wieder: zu rück zum Pferdestall! Ihn mutzte ich ja finden; ich war ja erst zweimal abgebogen. Soweit reichte mein Lämpchen wohl noch. Eg funkelte kaum wie ein Glühwurm. Ich lief, was ich könnt«. Da — ein letztes Auf leuchten und Knistern — ich stand ttefatmend im Winkeln. Meine Knie bebten, ich griff mit den Wknden um mich, tastete einige Schritte nach rechts, dis ich die kalte, feuchte Felswand fühlte, und tastete an ihr entlang. Noch hofft« ich auf die Rückkehr meiner Gefährten, einig« Male war es, als glänze hinter mir ein schwacher Lichtschein, dann wieder kreiste cs wie feurige KuMln vor meinen Augen. Ich begann zu rufen — schaurig ballten die Gänge; ich lauschte — Totenstille! Ich blieb stehen, wandte mich zurück — drehte mich aver gleich wieder in die alte Richtung, aus Furcht, irre zu werden. Mein Gott, wie war das so schnell gekommen? War ich in einen falschen Stollen gebogen? Vor wärts! — Der Gang recht» muh gleich kommen, der mich zu dem alten zurückbrtngt. Ich tastete weiter, ich zählt« die Schritte: ein hundert, zweihundert, dreihundert — bis sechs hundert. Ich mutzte an der Oeffnuna des Stollens sein, oder war ich in blinder Hast vordeigerannt, al, das Lämpchen noch glühte? — Die Dunkelheit war entsetzlich, ich konnte die Hand, so dicht ich wollt«, vor Augen Imlten, auch nicht der leiseste Schein war be merkbar. Manchmal kam mir der Gedanke: ich träume — ich war versucht, mich niederzusrtzen und da» Erwachen abzuwarten; dann ritz ich mich wieder zusammen: vorwärts. »» geht um Leben und Tod! Der Schweiß brach mir au» allen Poren. — Da, end lich eine Kant« — es bog rechts ab. Die Hände schmerzten von dem Hingleiten auf dem feuchten rauhen Gestein. Ich verachte vergebens mir klar zu werden, wie wett ich in diesem Stollen gelaufen, einige hundert Meter «nutzten es iminerhin sein — nachher mutzte ich links abbiegen, ich mutzte also auf die andere Seite hinüber. Ich taumelte nach links, stietz an den Fels und stürzte zu Boden. Wieder packte mich der Gedanke: es ist ein Traum, ein böser Traum, es mutz ja ein Traum sein! Ich schlotz die Augen, ritz sie wieder auf, soweit ich konnte; es blieb, wie es war: undurchdringliches Dunkel rund umher. Mein Kopf war nur wenige Zoll von dem Felsen entfernt, ich fühlte es, wie man nahe Gegen stände im Dunkeln fühlt, ohne sie zu berühren, aber das Auge gewahrte nicht den gcringfken Schimmer. Ich war so müde, wie ich dasatz, so müde — und so fern der Wirklichkeit. Nach Menschen sehnte ich mich nicht, nur nach Licht, nach Sonne, nach Blumen und vor allem nach dem blauen Himmel mit seinen in die Ferne segelnden wcitzen Wolken. Das Leben schien mir nur eins zu haben, das begehrenswert sei: nur das Schauen, das Äufsaugen von Licht und von Farben. Der Drang nach frischer Luft, denn es war eine heitze. mit Gasen geschwängerte Luft, ging voll kommen rn der Sehnsucht nach Licht unter. — Ich sah deir Tod vor mir; denn ich war unzweifelhaft in einen falschen Stollen geraten. Ich satz ganz still. Mutzte ich doch befürchten, beim Weitertasten irr einen verlassenen Schacht zu stürzen. Ich hatte mich mit Lein Schicksal abgefunden: wozu noch die Glieder brechen und den Tod schmer.chaft gestalten! — So träumte ich vor mich hin. — Das Dunkel belebte sich mit schaurigen Gestalten: unförmige Kobolde, gro teske Ungeheuer krochen um mich her — eine weitzc, riesenhafte Gestalt senkte sich herab. Ich stietz einen Schrei aus und warf die Arme nach vorn. Mit einem Schlage aber erwachten alle meine Lebensgeister, kehrte mein Mut und mit ihm ein unsagbarer Drang zum Leben zurück. Eine heitze, trotzige Blut welle durchströmte den ganzen Körper — im Augen blick stand ich auf den Fützcn; die Hand glitt an der Felswand entlang — vorwärts — nur vorwärts! — Mieder zählte ich die Schritte: war ich vielleicht doch im rechten Stollen, so mutzte links der Hauptstollen mit dem Schicnenstrang kommen, diesen muhte ich fühlen, und an ihn« konnte ich mich, wie einst Thessus am Faden der Ariadne, dem Labyrinth ent winden. — Einhundert, zweihundert, dreihundert und so fort bis tausend, zweitausend, dreitausend. Ich war unzweifelhaft im falschen Stollen, aber mein Mut hielt stand, der Mut zum Leben drängte alle Gedanken zurück, die nicht auf meine Rettung gerichtet. Die Hände schmerzten nicht mehr, die Müdigkeit war verflogen. Da wehte es mich von der andern Seite kühl an. Ich tastete hinüber: hier, wo ich ihn nicht suchte, ein «teuer Stollen, ein breiterer — und da — Gott im Himmel! ich stolperte — ich warf mich zur Erde — ich tastete, ich fühlte das kalte Eisen! Weiterhin abermals kaltes Eisen, da,zwilchen Schwellen: der Schienenweg! Ich «auchzte. ich sprang empor: schon tastete ich an der Wand entlang, mit dem Fuße immer di« Schienen tretend. Nun boq sich der Gang um: — ganz in der Ferne erglänzte ein winziger Funken. War es Täuschung? Ich schlotz die Augen, ich öffnete sie: der Funken blieb. Weiter! Der Funken wurde zum Stern. — O, wohl nie hat ein menschliches Auge inniger an einem Sterne gehangen! Jetzt teilte sich der Stern: cs mutzten zwei Lampen sein — nein drei! In oasender Eil« hastete ich vorwärts, die Fels wand loslassend, die Augen auf die Helle gerichtet. Jetzt unterschied ich drei bis vier Lampen — arbei tende Bergleute —, jetzt sah ich die kauernden schwar zen Gestalten sich bewegen; — das gleichmätzig« Pochen der Hämmer, unterbrochen von dem Rollen des Gesteins, drang an mein Ohr. Ich hörte ein« Stimme, di« Laute kamen verworren. — Jetzt sah ich, wie di« Bergleute mit finsteren, bleichen Gesichtern zurückkrochen und mir entgegen in die Dunkelheit stierten, sie hatten wohl mein« hastenden, polternde«: Schritte vernommen. Ich selbst mochte wie der Tod aussehon: kreideweiß, mit verwildertem Haar und blutenden Händen, so trat ich in der schwär,zen Berg- mannsbracht wie em Geist aus der Dunkelheit in ihren Kreis. „Glück auf!", stotterte ich ihnen ent gegen. Der eine schlug «in Kreuz, der andere streckte mir wie abwehrend die zu Krallen gebogenen Hände entgegen, der dritte aber stöhnte aus tiefstem Her,zen: „Der Geistersteige-r! Gott sei unseren Seelen gnädig!" „Nein", sagte ich, „ich bin ei«: Mensch wie ihr, ein armer, verirrter Mensch; ich bin auch kern Bergmann, ich kam, das Bergwerk zu sehen und bin vom Führer abgekommen, meine Lampe erlosch." Noch schenkten sie mir k«inen Glauben. Die Furcht vor dein Geist«vstoiger, der ohne Licht di« Stollen durchwandelt, gcisterbleich zu den arbeitenden Berg leuten tritt, ihnen ein „Glück auf!" bietet und da- mit den Tod voraussagt, ist in jedem Bergmann zu festgewurzelt. Es kostet« mich einige Mühe, bis ich sie überzeugt hatte; dann holte der eine einen Trunk, der ander« wälzte sine«: Stein zurecht, damit ich mich setze«: könne. Sie waren freundlich und mitleidig und gin gen wieder an die Arbeit. - Ich blieb bei ihnen, bis «in Aövderzug kam. Man packte mich in eine Lori, denn ich war nicht imstande, di« acht Kilom«ter bis zur Ausfahrt zu gehen. Ueber eine Stunde währte die Fahrt. Ich ver- fiel m c:n«n Halbschlnmmer. In das Dämmern hin ein klangen das Klappen der Hufe, das Schnauben des Pferdes, das Rasseln der Wage«: und das eintönige „Hui!" des Führers. Die Felswände rechts und links tauchte«: gleichmätzig in das Flackerlicht der kleinen Lampe und schlossen sich hinter uns wieder zur Dunkelheit zusammen. So «rveich-ton wir den Fahrkorb — und nun — o Wonne, o Seligkeit! — wenige Minuten, und ich werde da» Sonnenlicht wiederschauen! Der Korb hält, ich steige aus, ich trete aus dem Haufe — und stehe unter dem grotzen, sternübersäten, unendlichen Himmel der Nacht. Die Sonne war läi'.o.st zur Ruhe aeganigen, so mutzte moime Sehnsucht warten bi» zum kommend«,: Morgen; aber die frische rein« Gottesluft umspülte meine Brust. Ich sog sie greria ein durch Mu nid nud Nase und füllt« die Lun- gen bi» zum Zerspringen! O Gott«»luft, o sützes Licht der Stsrn«, Verschwenderisch am Himmel ausgestreut, Um all« Schr«ck«n i»nch«r Nacht In hettrr Schönheit «chulösen!