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AuS dem Morgenlande. 121 Thätigkeit, wenn auch nur in symbolischer Weise, auszuführen berufen war. Allein man muß berücksichtigen, daß von den Ägyptern die Reinheit des Tempels mit der Reinheit des göttlichen Wesens in eine unmittelbare Beziehung gesetzt wurde, und daß dem Herrscher die ganze Verantwortlichkeit zufiel, dem Gotteshause auch nach dieser Richtung hin seine höchste Aufmerksamkeit zu schenken. Selbst dem unreinen Menschen ward der Eintritt in den Tempel nicht gestattet, und es war streng vorgeschrieben, einen solchen Besucher ans- znschließen. An hervorragenden Stellen aus den Wänden und Säulen des Tempels ward deshalb dem Besucher in schriftlich entgegengernfen: „Ein jeder, welcher eintritt, sei viermal rein!" In dieser Beziehung ist eine lange Inschrift ungemein merkwürdig, welche auf eine Thürwand in der Nähe des Brunnens eingemeißelt ist, der sich auf der östlichen Seite des Tempels von Edfu befindet und dessen Aufbau in die Zeit der Ptolemäer-Geschichte fällt. Ich gebe den Inhalt des kurzen schönen Textes in möglichst wortgetreuer deutscher Übertragung wieder: „Aufruf an die Propheten der Stadt der Erhebung des Horus (Apollo) auf den Thron, an die großen heiligen Väter von Edfu, an die Hallenbewohner des goldenen Horus und an die Pastophoren und Priester von Edfu. Jeder, welcher in dieses Thor eintritt, beseitige beim Eintritt die Unsauberkeit, denn Gott ist die Lauterkeit lieber als Millionen von Reichtümern und als Hnnderttausende von Goldstücken. Seine Sättigung ist in der Wahrheit und sein Herz findet Wohlgefallen an größter Lauterkeit." Es liegt auf der Hand, daß auch in diesen Worten der Grundgedanke: die mit der physischen Reinheit verbundene moralische, versteckt liegt. Die Reinigung des vollendeten Tempelbaucs durch den König wurde in einer eigenen, aber für den Kenner nicht mißverständlichen Art im Bilde dargestellt. Aus der rechten Hand der Person des abgebildeten Herrschers fallen eine Menge