56 AuS dem Morgenlands. Kein Voll der Erde war so schreiblustig und schreibselig wie das ägyptische; der Besuch eines jeden ägyptischen Mu seums liefert dafür die vollgültigsten Zeugnisse. Ob Stein, ob Holz, ob Leinwand oder Papyrus, alles ist mit Schrift- zügen bedeckt, die uns bald die Hieroglyphe, bald eine für die Schnellschrift hergestellte Kursivschrift vor Augen führen. Der letzteren oder der sogenannten hieratischen Schrift be dienten sich die ältesten Litteraten zur Abfassung ihrer Werke auf Papyrus. Ein Schreibrohr, eine Art von Palette aus Holz mit cingeschnittenen runden Farbennäpfen und ein kleines Wassergefäß vertraten die Stelle von Tinte und Feder. Alle drei Instrumente miteinander verbunden bildeten nebst einer Schreibtafel aus Holz oder der Papyrusrolle mit ihrem Baudstreifen die Attribute eines schriftkundigen Mannes, nicht weniger auch des Gottes Thot, des ägyptischen Hermes, des Erfinders der Schrift und des gesamten Schriftentums, wie es in den „Häusern der Bücherrollen" oder den Biblio theken der Tempel in einer größeren oder kleineren Auswahl niedergelegt war. Es ist bekannt, daß die Inschrift an der königlichen Bibliothek zu Berlin „blutrimontum SM-itua" von Friedrich dem Großen, wenn auch nach einer schlechten französischen Übersetzung ihrer griechischen Fassung, der Auf schrift einer altägyptischen Tempelbücherei entlehnt ist, welche Ramses II. auf der Westseite der ehemaligen Residenzstadt Theben der Ramessiden gestiftet hatte, wofern man der Über lieferung des griechischen Schriftstellers Diodor guten Glau ben schenken darf. Der altägyptische Litterat führte die gewöhnlichste Bezeich nung eines „Schreibers", svrixtor, oder schriftkundigen Mannes, und empfing seinen ersten Unterricht in den Tem pelschulen des Landes. Seine weitere Ausbildung in den verschiedenen Fächern des gelehrten Schriftentums steuerte zunächst der heiligen Wissenschaft oder den „göttlichen Dingen" zu, ohne das man darüber das Irdische verloren hätte. Denn die 42 sogenannten hermetischen Bücher, welche