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Von der 3. Morgen- bis zur 9. Vormittagsstunde haben im Gebirge und in der Lausitz bereits Gewitter stattgefunden, die sich in der Lausitz mit Hagel einstellten. Offenbar wurden dieselben erzeugt durch das Heraufbewegen eines Wirbels über die Lausitz nach Posen, wo dessen Centrum (cf. Tafel II, Karte 1) um 8 h . oo a. m. sichtbar wird. Durch diese Bewegung wurde die Luft über einem Streifen westlich dieses Wirbels, wozu auch Sachsen gehörte, mit starker Feuchtigkeit durch den herabfliessenden Nordwind geschwängert. Der Luftwechsel über Sachsen wird ausserdem (cf. Tafel I, Karte 3) ausschliesslich von diesem östlich vorbeigehenden Wirbel bestimmt, so dass derselbe allein diese Vorgänge bedingt haben wird. Die Karte 4, Tafel I giebt uns weiter die Begründung, warum vornehmlich die Lausitz und das Gebirge von electri- schen Entladungen betroffen worden sind. Reduzirt auf die mittlere Höhe der sächsischen Stationen (500 m) zeigen die Temperaturbeobachtungen vom Mor gen des 17. Mai im Gebirge und in der Lausitz die stärksten Differenzen auf verhältnissmässig nahen Gebieten. Von Oberwiesenthal bis herab an die am Abhange des Erzgebirges liegende Station Niederpfannenstiel sank die Wärme der Luft in gleicher Höhe von 15.2 Grad bis auf 9.5 Grad; ebenso auffallend sind die thermischen Differenzen zu derselben Zeit über den Stationen Zittau und Bautzen (von 12.3 bis 9.3 Grad). Derartige Temperaturstufen scheinen mir die Entstehung von electrischen Vorgängen, insbesondere aber auch des j Hagels, ganz ausserordentlich zu begünstigen. Die Verhältnisse am Morgen j des 17. Mai haben denn auch zu heftigen Gewittern, die, wie schon erwähnt, in der Lausitz mit Hagel auftraten, geführt. Es konnten nach den eingegangenen Meldungen zwei Hagelzüge unter schieden werden. Der eine entsteht um 5h.40m a. m. bei Ebersdorf*) in der Nähe des Löbauer Berges und zieht in ganz schmaler Bahn im Thale des Löbauer Wassers entlang, wo er bei Lautitz verschwindet Die Schnellig keit der Bewegung dieses Wirbels ist nach den bisherigen Ergebnissen über dieselbe **) eine untemormale gewesen. Er bewegte sich nur um 12.2 Kilometer pro Stunde nordwärts. Ein zweiter Hagelwirbel wird um 8 h.25m a. m. bei Seifhennersdorf sichtbar; in ebenfalls sehr schmalem Streifen pflanzt er sich nordwärts fort und scheint sich bei Dürrhennersdorf mit einem neuen bei Kottmarsdorf, (nördlich vom Kottmar gelegen,) entstandenen Wirbel zu vereinen. Die Schnelligkeit beider ist eine erhöhte, von 8 •». 25 m a. m. bis 10h.oo m a. m. bewegen sie sich um 38.4 Kilometer nordwärts, das bedeutet also eine Geschwindigkeit von 24.3 Kilometer pro Stunde. Beide Hagelzüge sind auf Tafel V zur Darstellung gebracht, deren Grundkarte eine sehr sorgfältig ausgeführte, verjüngte Copie der für das König reich Sachsen vom Königl. Finanzministerium herausgegebenen Aequidistanten- karten (1:25000) ist. Die bisherigen Arbeiten über Hagel haben die Notli- wendigkeit solcher grösserer Karten mit den wichtigsten topographischen An gaben uns nahe gelegt, falls eine erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiete gedeihen soll. Die vorliegende Karte ist die erste, welche nach dieser Richtung im eigenen Hause entworfen und vervielfältigt wurde, und ich glaube, dass die beiden auf ihr zur Darstellung gebrachten Hagelzüge eine ganze Keihe von wichtigen Sätzen über Hagelzüge überhaupt zur Anschauung bringen. Es sei an dieser Stelle gestattet, an der Hand dieser Karte die wichtigsten der selben hier in Worte zu kleiden: Der eigentliche Hagelzug ist ein auffallend schmaler Streifen, der sich in den beiden vorliegenden Fällen in Flussthälern seinen Weg bahnt. Die Bewegung des Hagelgebietes hat zwar eine bestimmte Kichtung, die dem Sinn der Vorwärtsbewegung des Hagelwirbels gleichkommt, dabei ist aber eine gleichzeitig rotirende Bewegung der Hagelwolke selbst unverkennbar. Es kommt dies ganz besonders da zum Ausdruck, wo die meldenden Stationen verhältnissmässig nahe beisam men liegen, so z. B. in der Gegend von Unwürde-Georgewitz-Wendischpauls dorf am Löbauer Wasser. Diese Erscheinung erhärtet rein anschaulich die besonders von Reye zur Geltung gebrachte Erklärung für die Entstehung des *) Behufs rascher Orientirung auf Karte 5 wolle man die am Schlüsse beigegebene Zusammenstellung der geographischen Coordinaten der in Frage kom menden Stationen gebrauchen. **) cf. Jahrbuch des kgl. sächs. met. Inst. 1886. II. Abtli. pag. 124 f. Hagels, die nach ihm gebunden ist an die Existenz eines Luftwirbels, dessen Vorwärtsbewegung keine andere ist, als die eines „rotirenden und gleichzeitig rollenden Kades“. Der eigentliche Hagelwirbel hat durchaus keine constante Geschwindigkeit in seiner Vorwärtsbewegung. Während er zu einem Wege von 5 Kilometern (Seif hennersdorf - Altgersdorf) 35 Minuten Zeit bean sprucht, ist seine Fortbewegung von da bis herauf nach Lehn (17 Kilometer) eine so ausserordentlich rasche, dass der Beginn des Hagels längs dieser Strecke ein fast gleichzeitiger gewesen ist. Es scheint also, dass dieser Bewegungsge schwindigkeit sehr weite Grenzen gesetzt sind. Physikalisch sind diese Er scheinungen sicherlich erklärt einmal durch die topographischen Verhältnisse einer Gegend, dann aber auch durch die meteorologischen Zustände derjenigen Luftsäule, welcher der ankommende Wirbel jeweils den Impuls zum Aufstieg ertheilt. Isolirte Berge und Bergketten werden zweifelsohne der Bewegungs schnelle Hemmnisse bieten, wie auch die verschiedene Dichte der Luftsäulen, die jeweils zum Aufstieg gelangen, beschleunigend oder hemmend auf die gesammte Vorwärtsbewegung einwirken muss. Es bestätigt sich schon aus diesem einen Beispiele, dass eine methodische Forschung über den Hagel von einigermassen praktischer Tragweite nur dann möglich sein wird, wenn es ihr gelingt, den Einfluss festzustellen, den die Configuration des Bodens, die Ver- theilung von Bodenculturen, stehende und fliessende Gewässer und wahrschein lich auch die geologische Beschaffenheit des Bodens, einmal auf die dynamischen Vorgänge in unserer Atmosphäre direkt, dann aber auch indirekt durch Beein flussung von Druck, Temperatur, Feuchtigkeit etc. haben wird. Solche Erheb ungen können aber zweckentsprechend nur ausgeführt werden, wenn die Arbeits karten die oben erwähnten topographischen Verhältnisse berücksichtigen. Bisher war es nur möglich mit den Arbeitskräften und den Mitteln des Institutes nach dieser Richtung die der gegenwärtigen Arbeit beigegebene Karte 5 an zufertigen. Schon die Folgerungen, welche aus dem blossen Anblick der beiden auf dieser Karte zur Darstellung gebrachten Hagelzüge vom 17. Mai 1887 gezogen werden konnten, weisen darauf hin, dass wir die Topographie ganz Sachsens nach dieser Richtung bearbeiten müssen, allerdings eine langwierige und wohl auch kostspielige Arbeit. So glaube ich z. B. auch, dass die Entstehung eines neuen Wirbels um 8 h. 40 m a. m. bei Kottmarsdorf recht wohl durch die Topographie jener Gegend erklärt wird. Der von Süd nach Nord fortschreitende Wirbel holt seinen Ersatz in den unteren Luftschichten offenbar von allen Seiten her; von diesem Hindrängen nach dem Wirbel werden jedoch die nördlich des auf seiner Nordseite steil abfallenden Kottmar lagernden Luftschichten durch die vor- lagemden Bergmassen geschützt; die südlich vor ihnen lagernden Luftmengen fliessen dagegen ab zum Ersatz der unteren Luftschichten im aufsteigenden Strome und zwar geschieht dies offenbar schon zu einer Zeit, wo der Wirbel dem Berge selbst noch ziemlich fern sein kann. Durch dieses Absaugen der Luft vor dem Berge muss zu ihrem Ersatz die Luft über den Kamm desselben fliessen und so leitet sich hinter dem Berge schon zu dieser Zeit eine Beweg ung der unteren Lufttheilchen nach der Bergkuppe hin ein. Das bei jedem Gewitterausbruch ohnehin labile Gleichgewicht in der Atmosphäre ist aber dadurch gestört, die frei werdende Condensationswärme der aufsteigenden Luft- nnd Wasserdampfmolecüle verstärkt den Auftrieb, und so scheint mir der neue Wirbel nördlich vom Kottmar seine Entstehung gefunden zu haben. Diese Unwetter vom Vormittag des 17. Mai hatten nun schon in der Lausitz eine grosse Heftigkeit. Der erste Hagelstrich im Thale des Löbauer Wassers verursachte beträchtlichen Schaden an den Fluren. An einzelnen Stellen z. B. in Glossen lagen die gefallenen Eiskömer, die meist die Grösse von Haselnüssen besassen, bis zu 1 /* Elle hoch, es bedurfte mehrerer Stunden, ehe die Massen wieder zerschmolzen; in Oppeln bei Löbau lagen die Eiskörner in Gehöften, Gräben und Gärten, wohin sie durch fliessendes Wasser getrieben worden waren, noch in der 4. Nachmittagsstunde. Der zweite Hagelschlag innerhalb der 9. und 10. Vormittagsstunde war gleichfalls sehr heftig. Die Hagelkörner fielen ebenfalls in Haselnussgrösse und bedeckten an vereinzelten Orten 5 bis 7 cm hoch die Erde, ohne dass sie vom Wasser angeschwemmt worden wären. In Buchwalde, Dubranke und Cannewitz konnten noch am.