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11 scheide an dem angrenzenden böhmischen Gebirge, am Abend des 17. Mai | schienen die Gewitterwolken sich förmlich an diese Berge anzulehnen.“ Ein von zwei Einwohnern des Ortes Rohnau verfasster Bericht charakterisirte diesen I Einfluss mit folgenden Worten: „Das Lausitzergebirge, das Jeschken- und j Isergebirge haben sich unserem Dafürhalten nach als Wetterscheiden für das Unwetter gezeigt; es hatte den Anschein, als ob die Gewitter so tief gingen, dass sie nicht über dieselben hinweg konnten.“ Nach der Ansicht eines Be richterstatters aus Haynewalde musste das Lausitzer Gebirge auf die Zusam menballungen der Wolkenmassen entschieden eingewirkt haben. Ich wende mich nun schliesslich noch zur Wiedergabe einiger Ansichten aus unseren Berichten, welche die Katastrophe über dem Pliessnitzthale zu erklären versuchen. Interessant sind da zwei Mittheilungen, welche uns aus Kemnitz zu gehen. „Der Einfluss von Bergen“, heisst es in der einen, „ist aus dem Ver laufe des Gewitters unbedingt zu erkennen gewesen. Ohne Zweifel ist dasselbe durch den Rothstein und den Löbauer Berg an dem weiteren Vordringen nach Nordwesten verhindert worden, so dass sich dieses Gewitter über dem Kemnitzer j Kessel und Sohland entladen musste.“ — „Mir scheint“, sagt uns ein zweiter Berichterstatter desselben Ortes, „dass die Kessellage zwischen dem Zittauer Gebirge, Kottmar, Löbauer Berg und Rothstein, falls hier einmal Wolken massen einbrechen, solche gewaltige und nicht weichende, auch sonst von mir oft beobachtete, wild durcheinander wogende und sich sehr stark verdichtende Wolkenmassen begünstigt.“ Ich schliesse diese Kundgebungen mit einer Mittheilung aus Kleinradmeritz. Da heisst es: „Am Nachmittag des 17. Mai war es ziemlich ruhig, da, gegen 9 Uhr Abends, blitzte es wieder im SUdosten und im Nordwesten, diese Gewitter, vielleicht können deren nocli meh rere dazu gekommen sein, können sich zwischen Rothstein, Löbauer Berg und Kottmar eingekeilt und so die Katastrophe herbeigeführt haben.“ Ich brauche wohl nur darauf hinzuweisen, wie diese aus dem Volke kommenden Ansichten die Vorgänge während der Katastrophe ganz so analysiren, wie sie durch eine sachgemässe, wissenschaftliche Behandlung sich darstellten. Die drei Gebiete enormen Niederschlags sind entstanden an Orten, wo die Ter- rainverhältnisse der Lausitz den anziehenden Wolkenmassen Stauungen und Hindernisse bereiteten, wie sie eine enge Brücke den rasch fortwälzenden Was sermassen eines breiten Stromes bietet. Im rein klimatologischen Theile der Arbeit werden wir von Neuem auf denselben Vorgang treffen. Ich gehe nun über zu den Resultaten der Verarbeitung von Angaben, welche die Berichterstatter über die elektrischen Vorgänge am Abend des 17. Mai gemacht haben. Wie schon vorgreifend erwähnt wurde, hat sich infolge mangelhafter Zeitangaben ein strenges, zeitliches Verfolgen des Gewitterheerdes nicht ermöglichen lassen; nach den gemachten Angaben steht es jedoch fest, dass die Abwickelung der Gewitter mit der Zeit der stärksten Regenfälle über den einzelnen Orten zusammenfällt, so dass also die Bewegung des Regen- gebietes in grossen Zügen auch die Bewegung des Gewitterheerdes darstellt. An westlichen Gebieten der Lausitz beginnend, wird also das Gewitter zunächst bis zum Kottmar vorgeschritten sein, hat hier eine Umlenkung nach Süden erfahren; am Fusse des Zittauer Gebirges angekommen, erfährt dasselbe eine abermalige Aenderung der Zugsrichtung, es wendet sich zuerst östlich und bewegt sich dann nördlich dem Eigengebiete zu, wo es seine heftigsten Ent ladungen gezeigt haben dürfte, um von da bei weiterem nördlichen Fortgange an Heftigkeit wieder abzunehmen. Trotz der herrschenden Finsterniss, bei welcher die Katastrophe hereinbrach und die die Beobachtung des Wolkenzuges ausserordentlich erschwerte, wird von einer Reihe von Berichterstattern die muth- massliche Bewegung des Gewitters in dem vorstehenden Sinne fixirt. Ein wichtiges Hilfsmittel für die Verfolgung des eigentlichen Heerdes wird man ferner in den Angaben über die Heftigkeit der Entladungen erblicken können, sowie in der zeitlichen und örtlichen Aufeinanderfolge von Blitzschlägen. In mehreren Beobachtungsnetzen, z. B. in dem Netze Italiens, wird diese Me thode (fase massima) ausschliesslich der Bearbeitung von Gewittern zu Grunde gelegt, wenngleich dieselbe nach meiner Ansicht durchaus nicht vollkommen die dynamischen Vorgänge der Gewitter zu erklären vermag. Um nun das Material einer solchen Bearbeitung zugänglich zu machen, habe ich dasselbe vorerst einer ähnlichen Behandlung unterzogen, wie das der Regenbeobachtungen. Alle Orte, von denen sehr heftige Entladungen und Blitz schläge gemeldet wurden, erhielten den Index 3, solche, über denen mittel starke Gewitter sich entluden, 2, während Orte mit fernen Gewittern oder nur Wetterleuchten als Index 1 erhielten; alle von elektrischen Vorgängen nicht betroffenen Stationen wurden durch 0 bezeichnet. Trägt man alle auf diese Weise construirten Zahlen sodann auf ein Kartenbild, so ergiebt sich zunächst, dass die Gewitter von jenem Abend eine sehr enge Verbreitung gehabt haben. Die ganze nördliche Hälfte der Amtshauptmannschaft Bautzen blieb vollständig gewitterfrei, während deren südliche Hälfte nur schwache Entladungen beobachtete. Ebenso hatte das Gebiet, das von den drei Bergspitzen Löbauer Berg —Roth stein — Wolfsberg umgrenzt wird und die Orte Bischdorf und Herwigsdorf in sich schliesst, nur ganz schwache Gewitter an jenem Abend. Die stärksten Gewitter trafen auf am Südabhange des Kottmar, erstreckten sich von da im Thale des Oderwitzer Dorfbaches und verbreiteten sich von hier bis herüber nach dem Thale des Leutersdorfer Dorfbaches. Kurz vor der Mündung des Oderwitzer Wassers in die Mandau engt sich das Gebiet stärkster elektrischer Entladungen bedeutend ein und zieht von da in etwas breiterem Bande im Thale der Mandau vorwärts. Von der Mündungsstelle in die Neisse bis herüber zur östlichen Landesgrenze und über den aus dem Nordwesten kommenden Zuflussgebieten der Neisse, dem Eckartsbach und Wittgensbach, sind die Ent ladungen gleich heftig gewesen. In der Gegend von Königshain zieht sich die Westgrenze des Gebietes stärkster Entladungen bis heran an das westliche Ufergelände der Neisse, mit welchem sie bis zur Landesgrenze verläuft, während östlich das ganze Gebiet zwischen der Neisse und Böhmen betroffen bleibt. Ein weiteres Gebiet heftigster Entladungen wird über dem unteren Pliess nitzthale und über dem Thale der Gaule ersichtlich. Ebenso wurde das Thal des Steinbaches, in welchem der Ort Kemnitz liegt, von heftigen Gewittern heimgesucht. Während nun nach Norden hin, eingeschlossen von den oben genannten Berggipfeln, ein Gebiet relativ schwacher Entladungen folgt, setzen unmittelbar hinter diesen Höhen zwischen Radmeritz und Glossen wieder starke Gewitter ein und erstrecken sich bis zur Landesgrenze nördlich. Die hier nicht genannten Theile der Amtshauptmannschaften Löbau und Zittau hatten mittel starke Gewitter. Eigenthümlich war es, dass vom Kottmar bis herab an die Abhänge des Zittauer Gebirges die Ankunft der Gewitter eine wesentliche Aen derung in dem meist als mässig bezeichneten Wind nicht hervorrief, während auf dem Wege von da entlang dem Neissethale und über dem Eigengebiete die elektrischen Vorgänge mit sehr starkem Wind einsetzten, der in den Berichten meist als Wirbelwind bezeichnet wird. Die hier skizzirten Gebiete sind es nun ausschliesslich, über welchen nach den eingegangenen Meldungen Blitzschläge herabgegangen sind; ich gebe dieselben möglichst ausführlich wieder, da dieselben den wichtigsten Anhalt bieten für den Lauf des Gewitters. Aus Alt eibau liegt folgende Meldung vor: „Gegen 8 Uhr, vielleicht auch eine Viertelstunde später, trat über dem mittleren und unteren Theile des Ortes ein starkes Gewitter zu dem Unwetter. Wie viel Blitzschläge nieder gingen, ist bei dem Aufruhr aller Elemente nicht gezählt worden; Schaden haben dieselben nicht angerichtet, wohl aber haben sie grosse Besorgniss über mögliches Unglück durch etwaiges Zünden bei Allen hervorgerufen, Der Schall des Donners war kurz, stark und schmetternd.“ Weiter wird aus Niederoderwitz geschrieben: „Die bald senkrechten, bald schrägen Blitze waren von häufigem Donner gefolgt, deren Schall ähnlich war, als wenn eine Kanone abgeschossen würde. Der Blitz hat in eine Pappel und in den Blitzableiter des Kirchthurms geschlagen, ohne erheblichen Schaden anzurichten. In Niederleutersdorf fuhren häufige Blitze in die angrenzen den Fluren nieder, auch an einem Baume im Orte sah man die Spuren eines herabgegangenen Blitzes. In Haynewalde hat es dem eingegangenen Berichte zufolge viel gedonnert und meist sehr stark, der Schall des Donners war bei den Ausgleichsblitzen (wahrscheinlich Wolkenblitzen) lang, hohl und dumpf, bei den niedergehenden kurz und krachend. Bei einem in unmittelbarer Nähe des Schulhauses niedergehenden Blitze war ein Zischen bemerkbar. Auch über Zittau müssen heftige Entladungen stattgefunden haben. Den Görlitzer Nachrichten wurde aus Zittau geschrieben: „Dass es in der Nacht vom Dienstag zur Mittwoch (17. zum 18. Mai) auf dem Johannisthurme sehr ungerniithlich gewesen sein mag, lehrt der Bericht des Thürmers, welchen