Volltext Seite (XML)
13 So zeigen auch diese Berichte, dass selbst die electrischen Vorgänge während der Katastrophe aussergewöhnlicher Natur gewesen sein werden, und dass auch die schweren Gewitter von jenem Abend dazu beitrugen, die Furcht barkeit des Unwetters noch weiter zu erhöhen. m. Die Hochwässer in der Lausitz vom 17. zum 18. Mai und deren Schäden. Es kann nicht meine Sache sein, hier ein ein wurfsfreies Bild zu ent werfen von der Grösse der Verheerungen, welche sich im Gefolge der starken Niederschläge an jenem 17. Mai über der Lausitz ereigneten, ebenso wenig kann ich im Stande sein, diese Schäden in ihrer pecuniären Höhe annähernd richtig zu normiren. Die Berichte hierüber sind uns einmal überhaupt nicht von sämmtlichen betroffenen Ortschaften eingegangen, dann aber auch dürften in vielen Berichten die Angaben über den Umfang dieser Schäden zum Theil unvollkommen, zum Theil unter dem ersten gewaltigen Eindruck der Katastrophe zu hoch ausgefallen sein. Der Einbruch der Gewässer während einer „stock finsteren“ Nacht, wie sie in zahlreichen Berichten genannt wird, hat nicht nur deren Bekämpfung ungemein erschwert, sie hat auch den Eindruck über deren Gewalt wesentlich erhöht. Immerhin aber wird es meine Pflicht sein, die Katastrophe auch in ihren verheerenden Folgen zu beleuchten, die eingegange nen Berichte bieten auch hierzu reiches Material, wenn auch zugestanden werden muss, dass aus den angeführten Gründen die Schilderung keine er schöpfende sein kann. Der Kottmar ist für die Bewohner der Lausitz nicht nur eine gewaltige Wetterscheide, er ist auch zugleich eine bedeutende Wasserscheide. Alle Schwankungen in der durch meteorische Niederschläge bedingten Bodenfeuchtigkeit über dem Kottmar machen sich nach allen Himmels richtungen in der Lausitz weithin fühlbar durch die bedeutenden Wasser arme, welche von hier aus dieses Gebiet nach allen Richtungen hin durch eilen. Nach dem Norden werden sie fortgeführt durch das Löbauer Wasser, nach dem Osten durch die Pliessnitz, über der südlichen Lausitz spiegeln sie sich ab in den Vorgängen der beiden Stromgebiete der Mandau und der Neisse, nach dem Westen entführt sie die Spree. So werden meteorische Vorgänge, selbst wenn sie in ihrer Ausbreitung sich auf den verhältnissmässig kleinen Raum dieses Bergkegels beschränken, in einem Umkreis von vielen Quadrat meilen empfunden und leider oft recht schwer empfunden. Beachtet man weiter, dass die stark bevölkerten Orte der sehr industrie reichen südlichen Lausitz sich zum grössten Theile an den Ufern der vorge nannten Flüsse bez. an deren Zuflüssen erheben, um die zu ihren grossartigen Industriebetrieben, wie Bleichereien, Färbereien, Appreturanstalten, Webereien, Mühlenbetrieben etc. nöthige Wasserkraft hinreichend ausnützen zu können, so lässt sich ermessen, welch’ empfindliche Wunden der in kürzeren Zeiträumen erfol gende Niedergang exorbitanter Niederschläge gerade diesem Theile unseres Va terlandes zu schlagen vermag. In der That haben denn auch die bald nach dem Eintritte der Katastrophe durch die Tagespresse gehenden Nachrichten über den Umfang der angerichteten Schäden die regste Theilnahme an den Verlusten der Betroffenen wachgerufen und sie haben zur Linderung dieser Verluste um so mehr angeregt, als kaum erst sieben Jahre verflossen waren, seit in gleich verheerender Weise ein ganz ähnliches Ereigniss dieselben Gebiete der Lausitz getroffen hatte. Ehe wir nun auf Grund einzelner Berichte den Verlauf des Hochwas sers und die hervorgerufenen Schäden uns vergegenwärtigen, wird es thunlicli sein, eine übersichtliche Betrachtung der gesammten Stromsysteme der Lausitz voranzuschicken. Das erste Maximalgebiet des Niederschlags entstand vor dem Südwest- abhange des Kottmar und erstreckte sich in schmalem Streifen herab über den Oderwitzer Spitzberg nach dem bei Grossschönau sich erhebenden Breiteberg. Es schliesst dieses Gebiet in sich die Quellen der zunächst nach Westen fort- fliessenden Spree; ferner die beiden Quellen des nach Süden abfliessenden Oderwitzer Dorfbaches oder des Landwassers, von denen die eine südlich vom Kottmar, die andere oberhalb Eibau entspringt. Die beiden durch diese Quellen genährten Wasseräderchen vereinigen sich alsbald und eilen in einem nicht zu engen Thale in vorwiegend südlicher Richtung der Mandau zu. In demselben liegen die stark bevölkerten und blühenden Industrieorte Ober-, Mittel- und Nieder-Oderwitz. Auf seiner westlichen Seite wird das Thal von einem Höhen zug begrenzt, dessen höchste Erhebung der in eine eigenthümliche basaltische Spitze ausragende Oderwitzer Spitzberg (510 m) bildet; hier entspringen zahl reiche kleine Wasserarme und füllen in östlichem Laufe das Bett des Land wassers. Einen weiteren Zufluss erhält die Mandau aus diesem Gebiete stärk sten Regens durch den Leutersdorfer Dorfbach, der, in einem Gehölz bei Alt- gersdorf entspringend, sich in einem weiten Thale südlich fortbewegt und bei Seifhennersdorf die Mandau erreicht. Das zweite Gebiet stärksten Regens verbreitete sich am Fusse des Zittauer Gebirges bis heran zur Neisse und schliesst in sich die zahlreichen aus dem Süden kommende Zuflüsse zur Mandau, von denen ich hier anführe den von den Jonsdorfer Bergen herabkommenden Bochebach, den Bertsdorfer Dorfbach, das kurz vor Zittau mündende Natzschwasser; ferner den bei Hartau schon in die Neisse mündenden Goldbach. Kurz hinter Zittau vereint sich die Mandau mit der Neisse und die geeinten Ströme eilen nun in nordnordöstlicher Richtung der Landesgrenze zu. Aus dem Nordwesten und dem Südosten empfangen sie dabei noch zahlreiche Zuflüsse, an deren Ufern sich blühende Ortschaften hin ziehen. Aus westlichen Gebieten strömen der Neisse zu der Reihe nach der Eckartsbach, der Fröschelbach, der Wittgensbach und der vor seiner Ein mündung ein sehr enges Thal durchfliessende Kemlitzbach. Kurz darauf ver engt sich das Flussthal der Neisse selbst ganz ausserordentlich; die dicht bewaldeten Höhen des sogenannten Klosterwaldes erheben sich hier bis zur Höhe von 350 m, während die Sohle des nahen Flusses gegen 210 m über der Ostsee liegt. Zahlreiche Rinnsale stürzen sich von diesen Höhen herab in das Bett der Neisse. Kurz vor Ostritz erweitert sieh das Neissethal wieder, in einer schönen Wiesenaue rinnt dieser Fluss dahin und verlässt beim Stifte Joachimstein das Königreich, nachdem er vorher noch den von den Abhängen des Klosterwaldes kommenden Steinbach aufgenommen hat. Ebenso zahlreich sind die Wasseradern, die aus östlichen Gebieten der Neisse zufliessen. Da ist zu nächst der Grenzbach mit mehreren kleinen Nebenflüsschen, welche die Orte Rei bersdorf und Friedersdorf durchfliessen, weiter der Schladebach und der Kipper, welche sich kurz vor ihrer Einmündung in die Neisse vereinigen, ferner der Königshainer Dorfbach und noch mehrere kleine Zuflüsse, die aber nennens- wertho Wassermengen nicht führen. Durch das dritte niederschlagsreichste Gebiet, das sein Centrum über Kemnitz-Bernstadt haben wird, windet sich die Pliessnitz. In einer grossen Zahl kleinerer Wasserarme, die dem Terrain zwischen dem Wolfsberge und den Grosshennersdorfer Bergen entspringen, hat die Pliessnitz ihren Ursprung. Diese vereinigen sich alsbald zu einem einzigen Wasserarme, dem Petersbach. Derselbe durchfliesst kurz vor Herrnhut ein waldiges Thal in südöstlicher Richtung, in welchem er auch, und zwar in der Nähe des Ruppersdorfer Schlosses, eine neue, dem südöstlichen Kottmarabhange entspringende Wasserader, den Ruppers dorfer Dorfbach, aufnimmt. Bald nachher empfängt er den aus zahlreichen Rinnsalen gebildeten, von den Grosshennersdorfer Bergen herabkommenden Trie- benbach. Hier wendet der Wasserarm nach Nordosten um. In einer weiten Thalebene fliesst nun der so verstärkte Petersbach nach Rennersdorf hin, nach dem er zuvor noch zwei namhaftere Zuflüsse aufgenommen hat, den aus dem Südosten kommenden Erlichtbach und den den Abhängen des Wolfsberges ent quellenden Bertelsdorfer Dorfbach. Von hier an führt nun diese Wasserader erst den Namen Pliessnitz. Dieselbe tritt, nachdem die Orte Ober- und Niederrennersdorf durcheilt sind, in den sogenannten „Eigenschen Kreis“ ein, den sie in ostnordöstlicher Richtung durchläuft. Kurz hinter dem Dorfe Nie derrennersdorf, dessen Gehöfte vorwiegend an den Ufern des Flusslaufes sich erheben, verengt sich das Flussthal sehr rasch, schon bei Cunnersdorf auf dem Eigen treten die Felswände so dicht an die Ufer des Flusses, dass zu beiden Seiten derselben eben nur Raum zu einer Reihe kleiner Häuschen mit Gärtchen und den nöthigen Wegen, auf dem rechten Ufer Fahrweg, auf dem linken nur