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Aus Neugersdorf: „Die im Laufe der letzten Tage in hiesiger Gegend aufgetretenen Gewitter endeten am gestrigen Abend mit einem wölken bruch artigen Regen.“ Aus Neusalza: „Gestern Abend fiel hier und in der Umgegend ein wolkenbruchartiger Regen nieder, welcher in den Häusern, Wegen und Eisenbahnbauten bedeutenden Schaden angerichtet hat.“ Ganz ähnliche Berichte finden sich auch in der Zittauer Tagespresse und in der Oberlausitzer Dorfzeitung: theils spricht man von wirklichen Wol- kenbriichen, theils von wolkenbruchartigem Regen. Auf Grund der Frage 2 unseres Fragebogens sind auch uns aus den verschiedensten Theilen der Lausitz die Ansichten über die Regenstärke über mittelt worden, und es zeigt ihre Durchsicht, dass auch hierin die Angaben, oh Wolkenbruch oder nicht, auseinandergehen. Ich will mich hier beispiels weise beschränken auf die Berichterstattung von allen den Orten, über denen durch die Zeitungen der Niedergang von Wolkenbrüchen verbreitet wurde. Aus Seifhennersdorf meldet uns ein Beobachter, der seinen Standpunkt während des Unwetters etwa 1.5 klm westlich der Kirche dicht an der Landesgrenze hatte: „Der Regen war zwar sehr stark, als Wolkenbruch kann er jedoch nicht bezeichnet werden.“ Aus dem östlichsten Theile desselben Ortes, dem Orts- theile Seiffen kommt ein ähnliches Urtheil. Dort heisst es: „Es war nur ein starker anhaltender Regen, den man jedoch als Wolkenbruch wohl nicht be zeichnen kann.“ Aus Oberoderwitz wird berichtet: „Es regnete von 1 /a7 bis um 7 Uhr Nachmittag, dann wieder, und zwar besonders stark, von 1 /i8 bis Y2I2 Uhr mit einigen kurzen Unterbrechungen, jedenfalls war aber hier der Regen stärker als im Mittel- und im Niederdorfe.“ Im Berichte von Mittel oderwitz heisst es: „Am 17. Mai hat es mit Unterbrechungen Tags über schon stark geregnet, am stärksten regnete es Abends gegen 9 Uhr. Als Wolkenbruch jedoch kann der Regen nicht bezeichnet werden.“ Ebersbach meldete: „Es regnete besonders stark, wolkenbruchähnlich,“ und ein zweiter Berichterstatter aus demselben Orte sagt: „Bald nach 8 Uhr Abends fiel abermals Regen von ungewöhnlicher Stärke und auch längere Zeit hindurch, welcher alsbald alle Gräben mit Wasser ausfüllte.“ Wesentlich bestimmter äussern sich über diese Frage die Stationen über dem Eigen gebiete. Aus Kemnitz schreibt man uns: „Der Regen kann und muss als Wolkenbruch bezeichnet werden“ und ebenso wird uns aus Mittelsohland die Erscheinung als ein Wolkenbruch bezeichnet. Der Verfasser der verdienst vollen Zusammenstellung der Ereignisse vom 14. Juni 1880, Schuldirector Kruschwitz in Bernstadt, nennt das Unwetter ebenfalls einen Wolkenbruch. Es wird diese Wiedergabe vereinzelter Ansichten über die Regenstärke genügen, darzuthun, dass die Frage, ob entschiedene Wolkenbrüche an jenem verhängnissvollen 17. Mai über unsere Lausitz herabgegangen sind, schwer zu entscheiden sein dürfte. Es entspricht dies aber auch vollkommen der That- sache, dass eine Grenze zwischen Wolkenbruch und exzessiven Regen wissen schaftlich sich überhaupt nicht ziehen lässt. Die meisten Lehrbücher vermei den es, eine Definition des Begriffes „Wolkenbruch“ zu geben und identifiziren ihn mit jedem auffallend starkem Regenfalle, der ganz besonders durch die Kürze der Zeit, innerhalb der er fällt, sich auszeichnet; andere wieder wollen das Kriterium eines Wolkenbruches in dem Fehlen von eigentlicher Tropfen bildung erblicken. Der Meteorolog wird immer gut thun, bei Fragen, wo sub- jective Anschauungen die Antwort wesentlich beeinflussen können, diese besser an der Hand exacter und jeder subjectiven Nüancirung unzugänglichen Mess ungen zu behandeln. Dazu würden sich im vorliegenden Falle einzig und allein exacte Regenmessungen eignen, die während des Regenfalles ausgeführt worden sind. Immerhin hat aber die Verarbeitung der Antworten auf unsere Frage 2 zu recht interessanten Aufschlüssen geführt. Ich habe nämlich alle Meldungen über die Regenstärke nach einem bestimmten Schema geordnet, so zwar, dass ich allen Orten, welche nur von einem starken Gewitterregen sprechen, den Index 1 beilegte; mit 2 wurden alle Orte mit auffallend starkem Gewitter regen und mit 3 die Stationen bedacht, welche von wirklichen Wolkenbrüchen oder von wolkenbruchartigem Regen sprechen. Diese Zahlen wurden weiter graphisch verarbeitet und es hat sich daraus das auf Tafel HI Karte 1 wie dergegebene Bild entwerfen lassen. Dasselbe zeigt, dass die Gebiete stärksten Regenfalles sich ziemlich eng anlehnen an den Weg, den das Depressionsge biet an jenem Abend durch die Lausitz genommen hat. Ich habe bereits aus einer Reihe von Bearbeitungen von Hagelfällen und der während derselben gefallenen Niederschläge im Jahrbuche des Jahres 1886 *) gezeigt, wie die Axen des stärksten Regenfalles sich eng anlehnen an die Bahn, welchen der den Hagelfall erzeugende Luftwirbel einschlägt. Bei hervorragenden Gewitter regen wird man ganz Analoges annehmen müssen, sd dass wir in der genann ten Karte einen Beleg erblicken können für die Richtigkeit der Bahn des Luft wirbels, die wir im Vorstehenden zeitlich und örtlich verfolgt haben. Die Axe des stärksten Regenfalles erstreckt sich etwa von Lawalde herab nach den Spreequellen am Westabhange des Kottmar und von da bis nach Mitteloderwitz. Im Mandauthale setzt sie bei Mittelherwigsdorf ein und verläuft über das ganze Neissethal; weiter nördlich gehören dem Gebiete stärksten Regens (3) das ganze Pliessnitzthal und die Quellgebiete der schwarzen Schöps an; die geringsten Regenfälle (1) entfallen fast ausschliesslich auf Orte der Amtshauptmannschaft Bautzen. Ihr Gebiet wird durch eine von Nechern über Waditz bis herüber nach Binnewitz verlaufende Linie von dem Gebiete sehr starken Gewitterregens (2) getrennt. Ein kleineres Gebiet schwächeren Regens hebt sich über Bischdorf ab. Das ganze übrige Gebiet der Amtshauptmann schaften Löbau und Zittau wurde von einem sehr starken Gewitterregen überschüttet. Dieses auf vorstehendem Wege gewonnene Bild würde nun an Klarheit wesentlich gewinnen, wenn es möglich wäre, demselben eine auf wirklichen Messungen beruhende Regenvertheilung von jenem Tage zur Seite zu stellen. Solche Messungen sind aber mit zuverlässigen Instrumenten (Regenmessern) in der betroffenen Gegend nur an den Stationen ausgeführt worden, welche dem ombrometrischen Netze Sachsens angehören, und dieses ist leider gerade im Gebiete der Katastrophe recht weitmaschig. Ich gebe hier die exacten, 24stün- digen Messungen dieser Regenstationen vom Mittag des 18. Mai wieder und bemerke nur, dass dieselben auf das Genaueste die Regenmengen fixiren, welche der Wolkenheerd des Wirbelcentrums, den wir verfolgten, über diesen Orten niederschickte. Vom Mittag des 17. bis zum Mittag des 18. Mai hat hier, wie wir sahen, Regen nur unter der Einwirkung dieses Aspirationscentrums stattgehabt. Die Messungen waren: Amtshauptmannschaft Amtshauptmannschaft Bautzen. Löbau. Bautzen 21.3 mm Bischdorf 24.5 mm Puschwitz 22.0 „ Kuppritz 30.2 „ Halbendorf 31.9 „ Oberstrahwalde 41.1 „ Steinigtwolmsdorf 43.6 „ Aus einer ganzen Reihe von Berichten, welche mehrfach aus ein und demselben Orte einliefen, wird aber auf das Bestimmteste versichert, dass die über den verschiedenen Theilen des Flurbezirks gefallenen Regenmengen starke Unterschiede aufzuweisen gehabt haben, es kann deshalb nicht erlaubt sein, auf Grund der wenigen vorstehenden Messungen an unseren amtlichen Stationen eine nur annähernd der Wirklichkeit entsprechende Regenvertheilung von jenem 17. Mai construiren zu wollen. Möglicherweise konnten mm aber doch zu fällig an vereinzelten Orten hinreichend zuverlässige Messungen ausführbar gewesen sein, wir fügten deshalb unter Punkt 2 unseres Fragebogens eine diesbezügliche Anfrage ein. Die erhaltenen Antworten setzen uns nun aller dings in den Stand, die Regenvertheilung so weit zu spezialisiren, dass sie ein genügendes Bild über die Stärke des verheerenden Regens darstellen dürfte. Auf seiner Inspectionsreise durch das Ueberschwemmungsgebiet konnte Herr Director Dr. Schreiber das Folgende feststellen: In Seifhennersdorf mussten nach einer verlässlichen Mittheilung eines Herrn aus diesem Orte mehr als 90 mm gefallen sein; ein vorher leeres Bassin hielt eine Wasserschicht von der angegebenen Höhe. In einem in Oberoderwitz aufgestellten Regen messer mit Ablasshahn enthielt das vorher leere Auffanggefäss nach eigener Messung Dr. Schreibers 70 mm Regen, so dass also hier, da jedenfalls eine gewisse Wassermenge an der offenen Fläche verdunstet sein wird, mehr als Amtshauptniaunschaft Zittau. Zittau 70.2 mm. *) cf. Jahrbuch des kgl. sächs. met. Inst, für 1886 (IV) III. Abth. pag. 125.