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17 Wir wenden unsere Blicke nun auf die Verheerungen im Mandauthale. Seinen Ursprung nimmt dieser Fluss in Böhmen an den Abhängen des Wolfs herges in der Nähe des von bedeutenden Waldungen umgrenzten Ortes gleichen Namens. Das Gefälle der Mandau ist nicht so bedeutend, es beträgt von der Quelle bis zur Mündung in die Neisse nur 165.2 m. Die Gegend, der sie entrinnt, lag in einem Gebiete, über das nach Ausweis der Tafel IV über die Begenvertheilung vom Berichtstage über Böhmen und Sachsen, zwar heftige Regenfälle (Rumbürg konnte 67.4 mm messen, am Wolfsberge dürften gegen 50 mm gefallen sein) niedergegangen sind, die aber noch nicht die Höhe des niederschlagsreichsten Gebietes südlich vom Kottmar erreichten (Walddorf 120 mm, Seifhennersdorf mehr als 90 mm, Oberoderwitz mehr als 70 mm). Bei ihrem von West nach Ost gehendem Laufe ist die Mandau in im mer niederschlagsreichere Gebiete gelangt, wie uns ein Blick auf die genannte Karte lehrt, und sie hat ausserdem jene bedeutenden Zuflüsse (den Leuters- dorfer und den Oderwitzer Dorfbach) aus Gebieten stärksten Regenfalles empfangen, so dass ihr Hochwasser in stetigem Wachsen sein musste, je weiter sie zu Thal ging. Aus diesem Grunde ist es erklärlich, dass der westlichste Theil von Seifhennersdorf, welchen Ort die Mandau nach ihrem Uebertritt auf sächsisches Gebiet zuerst berührt, weniger arg vom Hochwasser mitgenommen wurde. Nachdem der erste nördliche Zufluss, der Leutersdorfer Dorfbach, die bedeutenden Wassermengen aus dem Norden in dieses Flussbett gebracht hatte, erreichte das Hochwasser auch hier eine gefahrdrohende Höhe, die wir bereits aus den Schilderungen vom Ortstheil Seifen kennen. Da bereits in der 4. Nachmittagsstunde der Ort Seifhennersdorf in das Regengebiet herein gezogen wurde, und die westlicher gelegenen Quellgebiete der Mandau und deren Oberlauf noch früher den Eintritt des heftigen Regens zu melden hatten, so begann in Seifhennersdorf die Steigung des Niveaus schon nach 6 Uhr Abends, sie erreichte in der 9. Abendstunde ihren Höhepunkt. Die sämmtlichen Dorfwege waren unter Wasser. Der hohe Wasserstand erhielt sich bis gegen 1 Uhr Morgens, von da an ging, aber nur langsam, das Wasser wieder zurück. Der höchste Wasserstand erhob sich bis zu l 1 /* m über die Dorfwege. Die Fluthen demolirten hier eine erst vor 4 Jahren aufgeführte eiserne Brücke vollständig, eine zweite wurde arg beschädigt. Ein Strassendamm neben dieser Brücke wurde vollständig unterwühlt, wie überhaupt die gesummten Dorfstrassen durch die Fluth fast unpassirbar gemacht worden waren. Bei der Einmündungsstelle des Leutersdorfer Dorfwassers biegt der vor erst südöstliche Lauf der Mandau nach Südwest um und verlässt das sächsische Gebiet wieder, durcheilt den ausgedehnten, sehr industriereichen Ort Warns dorf in Böhmen, dessen Gebäude und Fabriken sich an dem Flussufer hin ziehen, bis dahin, wo die Mandau wieder auf sächsisches Gebiet herüber tritt. Von Warnsdorf liegt uns, da der Ort niehtsächsisch ist, eine amtliche Meldung nicht vor; in der Oberlausitzer Dorfzeitung vom Sonnabend den 21. Mai 1887 findet sich aber ein Bericht über die Hochwässer in diesem Orte abgedruckt, den ich hier wiedergehen will, damit das Bild des Hochwasser verlaufes im ganzen Mandauthale nicht unterbrochen wird. In Warnsdorf, heisst es in dieser Zeitungsnotiz, war die Situation gleich schlimm. In zahl reiche Wohnungen und Fabrikräume drang auch dort das Wasser mit Macht ein und verursachte vielen Schaden; zwei Häuser wurden theilweise zerstört, Brücken und Stege fortgerissen, Waaren und Mobilien fortgeschwemmt. Die Katastrophe wurde aber dadurch noch schrecklicher, dass mitten während der selben ein Feuer entstand. Das Wasser war in die Niederlage eines Kaufmanns gedrungen und hatte den dort lagernden Kalk gelöscht. Die durch diese Verbindung mit Wasser hervorgerufene Wärmeentwickelung war so bedeutend, dass ein Brand entstand, der das Haus vollständig einäscherte. Der Schaden in Warnsdorf wird auf 30000 Gulden geschätzt. Am folgenden Tage mussten die meisten Fabriken die Arbeit einstellen. Der sich direct an Warnsdorf anschliessende, sächsische Ort Grossschönau, dessen industrie reiche Bevölkerung vornehmlich an den Ufern der Mandau die Wohn- und Fabrikräume errichtet hat, hat in gleich schwerer Weise gelitten durch die sich durchwälzenden Fluthen. Um 1 Uhr Morgens verkündeten die Sturmglocken die Ankunft des Hochwassers, das sich von lh3om bis 3t(X) a. m. auf seiner grössten Höhe erhielt. Schon gegen 11 Uhr (offenbar durch die Gewäs ser des Leutersdorfer Dorfbaches erzeugt) wuchsen die Wassennassen der artig, dass sie die sehr hohen Ufer der Mandau und ihres Nebenflüsschens, der Lausur, überschritten und in die Gärten und Häuser eindrangen. In den Wohnungen, die nahe am Flussufer standen, stieg das Wasser bis an die Fenster und höher; es zwang die Bewohner sich in die höheren Stockwerke zu flüchten. Binnen kurzer Zeit waren sämmtliche acht grossen, hölzernen Stege, die über die Mandau führten, von den Wogen fortgerissen; eine im Niederdorfe befindliche steinerne Brücke wurde zur Hälfte vernichtet, zwei andere wurden derartig beschädigt, dass sie für den Verkehr gesperrt werden mussten. An einem Wohnhause unterwühlte der Strom die steinernen Mauern und brachte dadurch eine Hälfte desselben zum Einsturz. Die Blumen gärten der Uferbewohner sind total vernichtet. Menschenleben sind, Gott sei Dank, nicht zu beklagen. Dass das wüthende Element hier nicht noch mehr Zerstörungen an den Häusern anrichtete, ist wohl dem Umstande zuzuschrei ben, dass der mit rasender Schnelligkeit gehende Hauptstrom genau die Richt ung des Flussbettes innebehielt und die durch denselben fortgeführten Balken und Stämme nicht an die Häuser anprallten. Das Hochwasser soll hier das vom Jahre 1880 noch um 2 m überstiegen haben. Der angerichtete Schaden wird im Berichte nicht nach seiner pecuniären Höhe angegeben, es wird aber gesagt, dass derselbe ein ganz bedeutender ist. Nach Grossschönau durcheilten die Fluthen den Ort Hainewalde, der ebenfalls dicht an den Ufern der Mandau erbaut ist. Hier hat sich der Wasserspiegel nach einer zuverlässigen Messung durch die Hochfluth um 4.5 m über seine normale Höhe erhoben; die eigentliche Hochwasserkatastrophe dauerte von 11 h 30 m p. m. bis 5 h 30 m a. m., dabei haben sich drei Anstiege des Wasserspiegels gezeigt, die offenbar durch die früher oder später in die Man dau gelangten Zuflüsse bedingt wurden. Die Schäden an Wegen, Stegen und Brücken betragen für die Gemeinde mindestens 12000 Mark, die den Pri vaten zugefügten Schäden an Wohnungen, Gärten und Ackerland nach niedri ger Schätzung über 4000 Mark. Die Mandau besitzt zum Glück für die Anwohner hier ein ziemlich breites Bett. Kurz hinter Hainewalde musste nun die Mandau die Hochwässer des Oderwitzer Dorfbaches aufnehmen und gelangt mit diesen zuerst an das Süd ende von Mittelherwigsdorf (Ortstheil Scheibe), wo sie wiederum eine kleine, die Orte Ober- und Mittelherwigsdorf durchfliessende Wasserader auf nimmt. Auch diese hatte bereits in der 11. Abendstunde die Wege dieser beiden Orte 20 — 60 cm hoch überfiuthet und dadurch einen Schaden von gegen 500 Mark verursacht. Im Ortstheil Scheibe brachten nun die ver einten Flüsse eine Hochfluth hervor, die von 11 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens alle Wege bis zu 1 m Höhe überschwemmte. Der verursachte Scha den wird auch hier bedeutend genannt. Die sich nun südlich, später wieder östlich wendende Mandau berührt bis Zittau keinen Ort, der unmittelbar an ihrem Ufer gelegen wäre. Die Dörfer Alt- und Neuhörnitz, sowie Pethau erheben sich an den Abhängen des Flussthaies und können nur von der Gewalt der reissenden, im Thale sich fortwälzenden Fluth berichten; ausser Abschwemmungen von Ackerkrume ist ein eigentlicher Schaden den Einwohnern hier nicht erwachsen. Auf seinem weiteren Laufe nach Zittau wird nun der Strom gespeist durch drei dem Zittauer Gebirge entrinnende Nebenflüsse, den Bertsdorfer Dorfbach, den Grundbach, der sich in einem unbewohnten Wiesenthale hinzieht, und den Olbersdorfer Dorfbach. Der erste und der letzte dieser drei Flüsse riefen in den Orten Bertsdorf und Olbersdorf eine Ueberfluthung- der Dorfwege her vor, die die Höhe von einem halben Meter nicht überschritt , sie währte von der 11. Abendstunde bis gegen Mitternacht. Während nun die aus Bertsdorf gemeldeten Schäden nur gering veranschlagt werden, erreichten die in Olbers dorf durch das Hochwasser hervorgerufenen Verheerungen eine beträchtliche Höhe. Das Olbersdorfer Dorfwasser entrinnt vornehmlich dem Oybinstocke und hat ein ganz bedeutendes Gefälle, etwa 160 m auf 9 Kilometer Weg. Die reissende Fluth verursachte in Olbersdorf Schäden in der Höhe von 10000 Mark. (5300 Mark Privatschäden, 4700 Mark Communschäden.) Klein- und Federvieh ist zahlreich ertrunken, 37 Gebäude wurden mehr oder weniger durchfluthet.