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24 Wenngleich schon im Jahre 1826 H. 6. Brandes in seiner Disser tation*) das Wesen dieser fruchtbaren Methode erkannt und deren Wichtigkeit für meteorologische Forschungen auf Grund von 4 Karten (Tabulae geogra- phicae altitudines mercurii observatas exhibentes), die unseren heutigen Wet terkarten ganz ähnlich sind, schlagend nachgewiesen, ja selbst auch Dove in seinen Arbeiten mehrfach dieselbe durch umfangreiche Tabellen über Abweich ungen der Barometerstände von langjährigen Mittelwerthen innerhalb eines grossen Beobachtungsgebietes bei seinen Betrachtungen zu Hilfe gezogen hatte, so ist es doch das ausschliessliche Verdienst Buys-Ballots geworden, das oberste aus dieser Betrachtungsweise fliessende Gesetz über den Zusammenhang zwischen Luftdruck und Windrichtung klar ausgesprochen zu haben. Mit Recht trägt denn auch dieses, eine neue Aera für die Meteorologie bedeutende Gesetz den Namen dieses Forschers. Der gesammten Witterungskunde wurde durch dasselbe erst der Weg gezeigt, wie sie die jeweilig herrschende Witterung aus den atmosphärischen Strömungen zu erklären habe, die wiederum eine Folge der jeweiligen Lagerung der niederen und hohen Luftdruckgebiete zu einander sind. Wenn wir uns nun die Aufgabe stellen, den Ursachen nachzuspüren, welche derartige mächtige Regengüsse im Gefolge haben, so drängt natur- gemäss eine solche Erörterung dahin, die synoptischen Druck- und Tempera turverhältnisse kennen zu lernen, welche derartigen Unwettern zukommen. Eine solche Untersuchung musste ich also zum richtigen Verständniss der Ursachen der Katastrophe der Arbeit voranstellen. Sie hat in mehrfacher Weise das Resultat ergeben, dass ein flacher Luftwirbel mit einem sehr tief gehenden Wolkencentrum seinen Weg durch die sächsische Lausitz genommen hat, an den Bergmassen dieses Gebietes eigenthümliehe Modifikationen seiner Bahn und Stauungen seines Wolkenheerdes erfuhr, wodurch der Anlass zum Niedergang solcher bedeutenden Regenmengen gegeben wurde. Von eminent praktischer Bedeutung würde es nun aber sein, wenn sich die Frage lösen liesse, ob es überhaupt bestimmte Typen von Druckvertheil ungen giebt, die gerade für die Lausitz ähnliche verderbenbringende, meteori sche Erscheinungen erwarten lassen. Zu diesem Zwecke müsste ein umfassen des Studium aller der Wetterkarten ausgeführt werden, die solchen Tagen angehören, von denen uns die meteorologischen Annalen Kunde von verhee renden Niederschlägen und Hochwasser über der Lausitz bringen. Wenn wir nun auch in den verdienstvollen Aufzeichnungen des Hauptmanns Dreverhoff**) und von den Verwaltern der neueren meteorologischen Station Zittau eine sehr lange Reihe von Beobachtungen der atmosphärischen Erscheinungen über dem südlichsten Theile der Lausitz besitzen, so lässt deren Studium, wenn man nicht vorher erst eine zeitraubende Arbeit durch nachträgliches Zusammen tragen von Beobachtungen einer grossen Zahl über Europa gelegener Stationen ausführen will, eine systematische Vergleichung mit den jeweiligen Wetter karten leider erst in den jüngsten Jahren zu. Die regelmässige Ausgabe von Wetterkarten begann erst im Jahre 1876 durch die deutsche Seewarte. Um jedoch diese Frage einigermassen zu beleuchten, habe ich es unter nommen, die Ursachen aufzusuchen, welche seit dem Jahre 1876 die grössten 24stündigen Regenmessungen in Zittau verursacht haben. Die folgende Ueber- sicht ergiebt das Resultat. Jahr Datum Betrag Characterisirung der zu Grunde des stärksten Niederschlags. liegenden Luftdruckvertheilung. 1876 12. Juni 26.9 mm Ein Wirbel zieht aus der Adria kommend am 12. Juni Morgens durch den böhmischen Thal kessel herauf nach der deutschen Ostseeküste, am Abend schon lagert sein Centrum in der Nähe von Colberg. Dieser Weg ist offenbar durch die Zittauer Berge gegangen, hier sind unter Gewittern jene Niederschläge gefallen. *) Dissertatio physica de repentinis variationibus in pressione atmosphaerae observatis. **) Meteorologische Beobachtungen in Zittau von Hauptmann Dreverhoff. Jahr | Datum | Betrag des stärksten Niederschlags. Characterisirung der zu Grunde liegenden Luftdruckvertheilung. 1877 21. Jan. 24.7 mm Eine flache Depression hat in der Nacht Mittel deutschland passirt und hier einen starken Landregen verursacht, der auch die Lausitz betroffen hat. 1878 7. August 76.0 mm Ein localer Wirbel hat sich an der deutschen Nordseeküste ausgebildet, hat unter Gewittern seinen Weg durch Deutschland genommen und ist am Morgen des 8. August über dem Rie sengebirge sichtbar; diese Bahn berührte eben falls die Lausitzer Gebirgskette. 1879 13. Juni 35.9 mm Hier scheint eine ozeanische Depression, die mit einer starken Temperaturdepression einherging, ebenfalls über die Lausitz fortgegangen zu sein; am Morgen des 13. Juni ist ein Windsystem deutlich ausgeprägt über dem südlichen Theile von Schlesien. Dieselbe veranlasste verhee rende Ueberschwemmungen in Oberschlesien. 1880 14. Juni 75.5 mm Dieser Niederschlag verband sich mit einer furchtbaren Wasserkatastrophe in der Ober lausitz. Ueber die meteorologischen Beding ungen dieses Niederschlags ist Folgendes zu sagen: Ein Depressionsgebiet aus dem südli chen Frankreich kommend, erreichte am Abend des 11. Juni die Südwestgrenze Deutschlands, wahrscheinlich bereits mit zwei Centren. Am 13. bewegt sich eines derselben herab nach dem schwarzen Meere, das zweite geht in äusserst langsamer Bewegung und unter star ken Gewittern über Leipzig, Halle nach Po sen, von wo es nach Warschau fortschreitet. Hier wendet dieser Wirbel wieder um, vom 14. Morgens bis zum Abend hat derselbe seinen Weg durch das Riesen-, Jeschken- und das Zittauer Gebirge herauf nach Branden burg genommen, von wo er nun rasch in ostwestlicher Bewegung dem Canal zuschrei tet. Ueber der Lausitz und Schlesien (Lau ban) sind dabei Wolkenbrüche gefallen. 1881 27. Mai 48.8 mm Am 25. Mai erschien über dem biscayischen Bu sen ein flaches Depressionsgebiet, das die Cent ren von 3—4 verschiedenen Luftwirbeln in sich barg, diese pflanzten sich in den verschie densten Richtungen fort. Ein solches Centrum ist wahrscheinlich durch den böhmischen Thal kessel, durch die Lausitzer Berge herein nach Schlesien gewandert. (Prag 1 h oo Gewitter mit furchtbarem Hagel, Zittau 2 h oo Gewitter mit nebenstehender Regenmessung.) 1882 31. Mai 40.5 mm Vom 30. zum 31. Mai hat sich eine wahr scheinlich über dem Mittelmeer entstandene Depression heraufbewegt durch Bayern an die Ostausgänge des Erzgebirges und an das Zittauer Gebirge und hat jene Niederschläge bewirkt. %