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23 Verwüstung nicht mit eigenen Augen geschaut, der glaubt nicht, welche Ver heerungen das Hochwasser anzurichten im Stande ist!“ In Melaune wuchs das Hochwasser mit solcher Schnelligkeit an, dass binnen einer Viertelstunde die Bewohner von Parterreräumlichkeiten gezwungen wurden, ihre Wohnungen, um der Lebensgefahr auszuweichen, zu verlassen; bei der Bergung von Vieh reichte das Wasser bis unter die Arme. Das Wasser stand so hoch, dass es in einer Höhe von 2 m zu den Fenstern der Wohnungen herein lief. Zwischen Melaune und Seifersdorf empfängt die schwarze Schöps einen Zufluss, das sogenannte Hinterwasser, das mit bedeutendem Gefälle durch eine enge Thalschlucht zwischen dem Königshainer und dem Ditt- mannsdorfer Gebirge rieselt; an seinen Ufern erheben sich die Orte Hil bersdorf und Arnsdorf. Hier muss das Unwetter furchtbar gewüthet haben. „Schreckliche Stunden“, so schreibt man aus Arnsdorf, „verlebten wir in der vergangenen Nacht; gegen 12 Uhr entlud sich in den oberhalb Hilbers dorf gelegenen Kämpfenbergen ein Wolkenbruch, der binnen wenig Minuten unsere schönen Thalgärten in ein schlammiges Wasserbett verwandelte, stellen weise metertiefe Löcher reissend, und anderwärts wieder eben so hohe Berge von Steinen und Geröll zurücklassend. Die Brücken über den Dorfbach sind zum Thoil gänzlich weggerissen oder eingestürzt, die Dorfstrasse ist an vielen Stellen metertief aufgerissen, so dass Hunderte von Fudern Material nöthig sind, um dieselbe wieder fahrbar zu machen.“ In Hilbersdorf unterlag den andrängenden Wogen eine Scheune, in einem Hause wurden die Wände her- ausgestossen, so dass das Wasser frei durchfliessen konnte. Auch der Verlust eines Menschenlebens ist hier leider zu beklagen. Ernster noch gestaltete sich die Katastrophe in Arnsdorf, dort kamen drei Personen in dem Augenblicke in den Fluthen um, als dieselben sich aus den dem Einsturz nahen Wohnhause retten wollten. Ergreifend war der Anblick, den dieses Thal bot, nachdem das Wasser sich verlaufen hatte. Da sah man Bäume, Bretter, Möbel, Brenn holz, Bienenkästen, Steine und Wirthschaftsgegenstände bunt durcheinander beisammen liegen und dazwischen die ängstlich nach ihrem Eigenthum suchen den Beschädigten. Die Wassermengen des Hinterwassers ergiessen sich kurz vor Seifers dorf in die schwarze Schöps, die vereinten Flüsse treten hier ein in eine weite, von den bedeutenden Wäldern der fürstlich Muskauer Haide begrenzte und mit zahlreichen Teichen und Sümpfen bedeckte Ebene. An ihren Ufern erheben sich vor dem Eintritt in diese wenig bewohnte Ebene noch die Orte Seifersdorf, Ullersdorf und Jänkendorf. Auch von dort kamen betrü bende Nachrichten über die Verheerungen durch das Hochwasser. In Sei fersdorf stürzten drei Häuser ein. In Ullersdorf wurden die Bewohner des Ortes durch das Läuten der Sturmglocken auf die nahende Gefahr auf merksam gemacht. Die gesammten Parterreräume des Schlosses standen unter Wasser; die Bergung des Eigenthums konnte hier meist noch rechtzeitig vor sich gehen. Die Schäden, die das Wasser an Gebäuden, besonders in Keller räumen, sowie auf den Fluren verursachte, sind sehr bedeutend. In Jänken dorf glicli das ganze Terrain einem weiten See, und noch in der dritten Nach mittagsstunde stand eine weite Wiesenfläche an der Schäferei vollständig unter Wasser. Der Jänkendorfer Park, die Treibhäuser und die meisten Wohn ungen sind arg mitgenommen worden, Teichdämme sind gebrochen und der Fischbestand derselben vernichtet. Der wochenlange Fleiss vieler ärmerer Leute, die ihr Leben durch Ackerbau fristen, ist vernichtet. Die Kartoffeln sind meist aus dem Boden gewaschen und es muss eine ganz neue Aussaat erfol gen. Die ältesten Leute wussten sich einer derartigen Ueberschwemmung nicht zu entsinnen, da das Wasser noch 6 Zoll höher stand als im Jahre 1804. Gleich furchtbar lauteten die Nachrichten über die Verheerungen im Thale der weissen Schöps und in deren Zuflussthälern, die aus den Orten Pfaffen dorf, Gersdorf, Markersdorf, Holtendorf, Girbigsdorf, Königshain, Siebenhufen, Kunnersdorf bis herauf nach Kodersdorf, wo sich das Flussthal stark erweitert, gemeldet wurden. Ihre Einzelheiten sind denen ganz gleich, wie wir sie bereits aus den Berichten der von der Hochfluth heimgesuchten Orte Sachsens hinreichend kennen. Opfer an Menschen hat die Hochfluth hier glücklicherweise nicht gefordert, empfindlich sind aber auch hier die Schäden an Gebäuden, Feldern, Gärten, Brücken und beweglichem Eigenthum. Damit schliessen wir den Bericht über die Hochfluth während der Nacht zum 18. Mai. Wenn nun auch die Zahl der Opfer, welche dieselbe an Menschenleben forderte, glücklicherweise nicht so bedeutend ist, wie die vom 14. Juni 1880 und wohl auch der materielle Schaden, Dank der fleissigen Arbeiten an Fluss- laufregulirungen, Brückenbauten, auf die man durch die Katastrophe des Jahres 1880 hingewiesen worden war, nicht so empfindlich*) gewesen ist, so mahnt doch die rasche Wiederkehr einer solchen Wasserkatastrophe, neue Arbeiten zu beginnen und auf Mittel hinzuweisen, durch welche solchen ausserordentlichen, meteorischen Erscheinungen ihre verheerenden Folgen über diesem Gebiete genommen werden können. Wir wenden uns jetzt zu dem wichtigsten Theil dieses Berichtes, zu rein klimatologischen Erörterungen über diese Vorgänge und wollen zusehen, ob sich auf Grund derselben Wege ermitteln lassen, die den Bewohnern eines so industriereichen Theiles unseres Vaterlandes die Gewissheit geben, mit weniger Sorge um das, was sie sich durch den Fleiss ihrer Hände schaffen, in die Zukunft zu blicken. IV. Klimatologisehe Betrachtungen. Noch war der vorstehende Bericht über die Wasserkatastrophe in unserer sächsischen Oberlausitz nicht beendet, da drangen im Frühjahr 1888 neue Nachrichten über verheerende Ueberschwemmungen in den norddeutschen Fluss gebieten an unser Ohr, deren Furchtbarkeit die Ereignisse in der Lausitz bei weitem in den Schatten stellten. Hier bedurfte es der umfassendsten und werkthätigsten Unterstützung aller Deutschen, um die Notli ihrer Landesbrüder nur einigermassen zu lindern. Nach solchen Ereignissen, die in so rascher Aufeinanderfolge blühende Theile unseres deutschen Vaterlandes verheerten, werden auch die Fragen ernster und dringender, die sich an Wasserbautechniker und Meteorologen richten, ob ihre Wissenschaft nicht Mittel und Wege ausfindig machen könne, wie der Mensch seiner Hände Werke vor der vernichtenden Gewalt solcher Wasserkatastrophen zu schützen vermag. Schon alt sind die Bemühungen unserer Wasserbaukundigen, die Fluss läufe so zu gestalten, dass die etwa zu führenden Hochwässer weniger ver heerend für die anliegenden Gefilde und Ortschaften sich gestalten; leider hat die jüngste Vergangenheit gezeigt, das dieses Streben noch immer nicht mit dem Erfolg gekrönt worden ist, den man sich davon versprach. So werden die Ereignisse der jüngst verflossenen Monate zu einem neuen Mahnruf an diesen Zweig der Technik, Mittel zu ersinnen, welche hier Wandel zu schaffen vermögen. Möchte es in absehbarer Zeit erreicht werden! Bei weitem neueren Datums sind die Bemühungen der Meteorologen, dem Grunde solcher Katastrophen nachzuspüren und Fingerzeige zu geben, wie menschliche Werke dem Unheil derselben begegnen können. Die Meteorologie ist überhaupt erst in der neuesten Zeit in den Stand gesetzt worden, die wahren Ursachen solcher Vorgänge aufzusuchen, nämlich durch die Einführung der synoptischen Methode in die Betrachtung der Vorgänge in unserem Luftmeere. *) Aus einer Zeitungsnotiz ersehe ich, dass die behördlichen Erörterungen und Expeditionen in der Amtshauptmannschaft Löbau ergeben haben, dass hauptsächlich 13 Ortschaften dieses amtshauptmannschaftlichen Bezirks (aus schliesslich Bernstadt) durch die Ueberschwemmung heimgesucht worden sind und dass die dort entstandenen taxfähigen, absolut oder relativ erheblichen Schäden an Privateigenthum einerseits, wie an öffentlichen Wegen und Zubehör ungen (exclusive fiscalischer Strassen) sowie an Uferbauten andererseits, nach vor läufiger, sofortiger Schätzung sich auf etwa 115 — 120000 Mark belaufen dürften. Im Jahre 1S80 waren 19 Ortschaften desselben Bezirkes durch die Hochfluth heim gesucht, die verursachten Gesammtschäden betrugen aber damals 697060 Mark in dieser Amtshauptmannschaft.