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18 Die durch diese Nebenflüsse verstärkte Handau erreicht nun die Haupt stadt der südlichen Lausitz, Zittau, deren Häusercomplexe sich ebenfalls zu beiden Ufern des Flusses erheben. Ein Zeitungsbericht schildert hier die Vor gänge folgendermassen: „Um 4 Uhr früh hatte die Hochfluth ihren höchsten Stand erreicht, es waren die meisten Strassen der unteren und der inneren Stadt, ebenso die böhmische und die Webervorstadt gänzlich unpassirbar. Die Strassen nach Hirschfelde, Reichenau, Grottau, Olbersdorf standen eben falls unter Wasser. Leichen von Thieren, sowie Möbel und Gebälke führte die reissende Fluth mit sich. Aller Bahnverkehr war am 18. Mai früh unter brochen, doch sind die Linien nach Löbau und Reichenberg in Böhmen im Laufe des Vormittags wieder fahrbar geworden. Auch der Verkehr mit Görlitz war vollständig unterbrochen, bedeutende Dammunterwaschungen und Brüche, sogar solche von ein paar Hundert Meter Länge, sind erst wieder zu ergänzen, ehe an die Wiederaufnahme des Verkehrs zu denken ist. Auf der Strecke Zittau-Görlitz ist sogar eine Brücke durch die Fluthon zerstört. Vormittags rückte Militär mit Hacke und Schaufel nach den bedrängten Ort schaften ab. Ein grosser Theil der Zittauer Gärtner ist schwer geschädigt und für dies Jahr um die Früchte rastloser Mühe und Arbeit beraubt worden“. — Unmittelbar hinter Zittau ergiesst sich die Mandau in die Neisse. 3. Das Hochwasser der Neisse mul ihrer Nebenflüsse. Die Neisse kommt von den Abhängen des böhmischen Isergebirges herab und geht in westlichem, später nach Norden umbiegendem Laufe nach der sächsischen Grenze zu, die sie bei Alt-Hartau überschreitet. Nach der Regenvertheilungskarte vom Berichtstage drang auch dieser Fluss von Orten geringeren Regens (etwa von 40 mm) vor bis zu Gebieten mit etwa 100 mm Regen, welche sie beim Uebertritt auf sächsischen Boden erreicht; von da geht ihr Lauf wieder durch Gebiete mit etwas geringerem, aber immerhin noch hervorragend starkem Regen, beim Stift Joachimstein tritt die Neisse nach Preussen über. Wie schon erwähnt, überschreitet die Neisse bei Alt-Hartau die säch sische Grenze und empfängt kurz darauf den aus Osten kommenden Ullersbach, an dessen rechtem Ufer sich der sächsische Ort Oberullersdorf und an dem linken die zu Böhmen gehörigen Orte Böhmisch- und Neu-Ullersdorf erheben. So weit uns aus diesen Orten Nachrichten zugegangen sind, haben die Ueber- schwennnungen hier schon arg gehaust. An Wegen und Brücken verzeichnet Hartau einen Schaden von 380 Mark, an den dem Gebirge näher liegenden Fluren haben die herabstürzenden Regenmengen beträchtlichen Schaden verur sacht. In Oberullersdorf überstieg das Dorfwasser die angrenzenden Wege um 30 — 50 cm und drang in viele Wohnungen ein. Kurz nach der Ein mündung der Mandau in die Neisse wenden sich nun die vereinigten Flüsse nach Nordnordost und durchfliessen ein weites Wiesenthal. Die Orte Poritsch, Kleinschönau, Drausendorf und Giessmannsdorf sind nicht direct an die Ufer des Flusses angebaut und haben deshalb auch weniger von den Hochfluthen der Neisse gelitten. Bei Drausendorf befindet sich die Stelle, an welcher auf eine weite Strecke hin die Fluthen den Bahndamm der Görlitzer Bahn unterwaschen hatten und die Schienen völlig frei lagen. Erst am 21. Mai gelang es der angestrengtesten Arbeit den Betrieb auf dieser Linie zu nächst für Personenbeförderung wieder zu eröffnen; die Passagiere mussten jedoch an der beschädigten Stelle noch umsteigen. Der Güter- und Postverkehr musste noch mehrere Tage unterbleiben, inzwischen waren aber Fahrposten auf der Strasse, die jedoch auch an vielen Stellen zerrissen war, zwischen Zittau und Ostritz über Hirschfelde eingerichtet. Sehr betrübend lauten die Nachrichten über die Schäden, welche die Hochwässer in den an jener Stelle der Neisse aus dem Norden zuströmenden Flussgebieten verursacht haben. Der westlichste dieser Zuflüsse, der Eckarts bach, durcheilt mit starkem Gefälle die an seinen Ufern aufgebauten Orte Oberseifersdorf und Eckartsberg. In Oberseifersdorf üherschwommte das Wasser von 9h3om p. m. bis 12 h;jom a . in. die ganze Dorfstrasse; an der Kirche stand dasselbe genau einen Meter hoch. Die Brücken waren zum Theil von fortgeführten Holz und Zäunen verstopft, bei den bedeutendsten Windungen I des Baches war die Wassersgefahr am grössten und die Verwüstung am bedeu- | tendsten. Alle Strassen des Dorfes sind zerwaschen, eine Brücke und ein steinerner Steg zerstört; vier hölzerne Stege verschwanden in der Fluth, fünf Brücken wurden arg beschädigt, lange Stecken von Ufermauern vernichtet, fünf Gebäude sind verletzt und ein Mühlenwehr ist total zerrissen worden. Nach vorläufiger Schätzung beträgt der Schaden für die Gemeinde 4000 Mark, für Private 3000 Mark. Eben so traurig lauten die Nachrichten aus Eckarts berg. Hier trat um 10 h 45 m p. m. das Wasser über den Dorfweg, der erst um '/a 3 Uhr Morgens wieder frei wurde. In dem Gehöfte eines Berichter statters aus diesem Orte stand das Wasser 2 x /a Elle hoch, d. i. ha Elle niedriger als im Jahre 1880. Die Brücken wurden fast sämmtlich demolirt und die Wege tief zerrissen, mitunter hat sich das Wasser darin einen ganz | neuen Lauf gesucht, und das alte Bett mit Schutt und Steingeröll ausgefüllt. Gärten und Wiesen sind zum Theil über 1 J 2 Meter hoch mit Sand bedeckt. Menschen verunglückten glücklicherweise nicht, da überall höher gelegene Punkte leicht zu erreichen waren. Der Gesammtschaden wird auf 6000 Mark angegeben. Von zwei Berichterstattern werden hier bauliche Vorrichtungen angeführt, die die Katastrophe wesentlich verschlimmert haben sollen. Von Radgendorf herab wird der Neisse eine zweite Wasserader, der Fröschelbach, zugeführt, unmittelbar gegenüber der Mündungsstelle dieser er giesst sich ein aus dem Süden kommender Bach, der Grenzbach, in die Neisse; an dessen Ufern liegen die Orte Friedersdorf, Reibersdorf und Sommerau. Die erstere hat jedoch bedeutend mehr Wasser herabgebracht als die letztere und es sind auch die Verwüstungen dem entsprechend vertheilt. In Radgendorf stieg das Hochwasser noch eine Elle über den Wasser stand der Katastrophe von 1880. Die Dorf brücke ist halb eingestürzt, die Bahnbrücke der in der Nähe vorüberführenden Görlitzer Bahn vom Hochwasser fortgerissen worden. In einem kleinen Zufluss zum Dorfwasser, dem soge nannten Marke-Wasser, das im Sommer ganz vertrocknet, haben die Fluthen furchtbar gewirthschaftet, in dessen Flussbett sind Löcher von 1.70 m Tiefe hineingerissen worden. Geringer sind, wie schon erwähnt, die Schäden an den Orten des süd lichen Zuflusses, der an jenem Tage einem wesentlich regenärmeren Gebiete entrinnt. In Sommerau hat Abends von 10—12 Uhr eine schadlos verlau fene Ueberfluthung der Wege, etwa 50 cm hoch, stattgefunden. Der Bericht erstatter von Reibersdorf misst die Schuld für das von 10—11 Uhr Abends beobachtete Austreten des Wassers im niederen Viertel des Dorfes den Stau ungen des Wassers an einer Dorfbrücke und an dem Eisenbahndamme der von Zittau nach Markersdorf führenden Secundärbahn zu. Auffallend ist es, dass derselbe Berichterstatter schon durch seine Beob achtungen die Katastrophe geahnt, welche das etwa 6 km von Reibersdorf entfernte Wittgendorf heimgesucht hat und zu deren Besprechung wir uns jetzt wenden. „Ungefähr 45 Grad hoch vom Horizont“, so heisst es in dem Berichte, „von Ost nach West sich ziehend und scharf abgegrenzt von einer ganz gleichmässigcn, dunklen Wolkenbildung, bemerkte ich einen ganz hellen Steifen, so dass ich auf die Vermuthung kam, der Blitz müsste in der Ent fernung gezündet haben. Diese Erscheinung dauerte ungefähr eine Viertel stunde, da verdunkelte sich die Stelle wieder und ich hörte eine halbe Stunde lang ein gleichmässiges Rauschen, fast fernem Donner vergleichbar. Wie ich vermuthe, ist dies die Zeit gewesen, während welcher in Wittgendorf so bedeutende Wassermassen herabgingen und das Dorf durchbraust haben. Zweifelsohne ist vom ganzen Neissegebiet der Ort Wittgendorf am schwersten heimgesucht worden. Es liegt derselbe in seiner ganzen Erstreck ung an den Ufern des Wittgenbaches, der, von den Abhängen des Schanzberges kommend, fortwährend zwischen den Gebäuden von Wittgendorf bleibt und sich unmittelbar am Südausgange des Dorfes zwischen Drausendorf und Giessmanns dorf in die Neisse ergiesst. Von 10 —12 Uhr trat das Wasser aus seinem Bett und überschwemmte bis zu 1 m Höhe alle Strassen des Ortes. Welche Gewalt das zu Thal stürzende Wasser hier gehabt haben muss, davon zeugt der Umstand, dass unter einem Wohnhause sich das Wasser ein ganz neues Flussbett gewühlt hatte. Das Haus ist von den Fluthen vollständig mit fort geführt worden, leider sind dabei auch sämmtliche sieben Bewohner desselben