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Schiedsspruch tu der Eisenindustrie Die neue Darves-KommWon Düsseldorf, 27. Oktober. Nach mehrtägigen Verhandlungen wurde gestern nachmit- tag in der Gesamtstreitigkeit zwischen dem Arbeitgeberverband für den Bezirk der nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller und den drei Metallarbeiter- gewerkschaslen von der Schlichterkammer unter dem Vorsitz des Oberlandesgerichtsrat Dr. Jütten folgender Schiedsspruch gefällt: Das derzeitige Lohnabkommen bleibt weiter in Kraft, und zwar mit folgenden Maßgaben: 1. Der Ecklohn „lg solcher bleibt unverändert: zum Der- dienst des Stundenlöhners über 21 Jahre tritt jedoch mit Wir- kung vom 1. November 1S28 ab eine feste Stundenzulage von 6 Psennig, bei den weiblichen und jugendlichen Arbeitern stuft sich diese Zahl nach den entsprechenden Hundertsätzen der Lohntabelle ab. Bruchteile werden in der bisher üblichen Weise abgerundet. 2. Die Akkord- und Prämienarbelter erhalten vom gleichen Zeitpunkt ab neben dem sogenannten Stundenzuschlag von 21 Pfennig «Ine Stundenzulage von 2 Pfennig die Stunde. Eine Friedensrede Cushenduns London, 28. Oktober. Lord Tushenvun.der stellvertretende Minister des Aus wärtigen, hielt in Blackpool eine Rede, in der er die Haltung der Negierung in der Angelegenheit des englisch-französischen Flottentompromisses verteidigte. Nichts, so führte er u. a. aus, war törichter und alberner als der größte Teil der Kritiken, die gegen dieses Kompromiß vorgebracht worden sind. Die selben Leute, die unaufhörlich mit lauter Stimme nach einer internationalen Uebcreinknnft schreien, verfielen plötzlich in wahre Paroxysmen der Wut und des Mißtrauens, weil wir mit Frankreich eine freundschaftliche Vereinbarung getroffen haben. Es ist das Ziel der britischen Politik, mit sämtlichen Ländern gleichmäßig gute Beziehungen zu unter halten. Eine neue englisch-französische Entente existiert nicht, weil die früher nicht ausgelöst worden ist, und weil freundschaft liche Beziehungen zu Frankreich einen wesentlichen Faktor der englischen Politik darstellen. Es ist aber völlig falsch, zu behaupten, daß die englische Negierung sich als Werkzeug benutzen ließ, damit Frankreich in ungerechter Weise gegen Deutschland auftreten könnte. Ich gebe zu, daß die Aussichten für eine internationale Abrüstung zur Zeit nicht besonders ermutigend sind. Wir wer den in unseren Bemühungen nicht Nachlassen, aber es ist nicht schwer, zu sehen, was wir ausrichten können, wenn man uns als im verstohlenen arbeitende Verschwörer oder als un glaubliche Tölpel hinstellt, wenn es uns einmal gelingt, mit irgendeiner Nation uns über diese so verwickelte Frage zu verständigen. Es ist uns vorgeworfen worden, daß wir in dem Kom promiß mit Frankreich uns damit einverstanden erklärt haben, daß Frankreich kleine Unterseeboote in unbegrenzter Zahl baut und daß seine ganzen militärischen Reserven für die Rüstungseinschränkungen außer Betracht bleiben. Was die Unterseeboote betrifft, so haben wir Frankreich nicht» der artiges gestattet, aus dem einfachen Grunde, weil es dieses Recht schon jetzt besitzt und wir nicht die Macht haben, seine Aus übung zu verhindern. Die Regierung hat die vollkommene Abschaffung der Unterseeboote vorgeschlagen, aber alles, was sie erreichen konnte, war eine Begrenzung der größeren Untersee boote, und da sie glaubte, daß ein Sperling in der Hand besser sei als eine Taube aus dem Dache, war sie damit ein- verstanden. Sie war bestrebt, die militärischen Reserven einzu schränken, aber sie befand sich im Vorbereitenden Abrüstungs ausschuß in dieser Frage in Gesellschaft einer kleinen Minder heit. Sie hätte durch Festhalten an ihrer eigenen Auffassung verhindern können, daß überhaupt etwas zustande kam, aber sie hätte ihren Standpunkt nicht durchsetzen können. Die Re gierung ging aber nicht daraus aus, die Abrüstung zu vereiteln, weil sie nicht in allem ihren Willen haben konnte. Als sie nicht alles erreichen konnte, was sie wollte, nahm sie, was sie bekommen konnte. Das war die alleinige Grundlage ihres Vorgehens beim Abschluß des englisch-französischen Kom promisse«. Drei neue Derhafkungen am Rhe n Worms, 28. Oktober. Am Abend des 22. Oktober wurden durch die französisch^ Kriminalpolizei wieder drei Deutsch« verhastet und zwar der »1jährige Ehausseur Jäger, der 31 Jahr« alte Fuhrmann Sack- reuthrr und der 28jährige Schornsteinfeger Hamscher. Der Verhaftung ging folgendes voraus: Am 21. Oktober standen gegen Mitternacht in der Förbergasse zwei Zivilisten bei einer Frauensperson. Jäger, oer vorbeiging, stieß ver sehentlich den einen Zivilisten an, worauf ihm dieser in deut scher Sprache zuries: „Du frecher Bursche!" Es entstand »wischen Jäger und den beiden Zivilisten eine Schlägerei, in deren Verlauf die beiden Bekannten Jägers, Sackreuther und Hamscher, die in der Nähe vorübergingen, diesem zu Hilfe kamen. Die »wei Zivilisten flüchteten dann mit der Krauens- Das Reichskabinen befchttehk, die «öligen Schritte zu kun B « rlin. 27. Oktober. In der gestrigen Kabinettssitzung hat der Relchsmlnlster der Finanzen über die Lage berichtet, di« in der Reparation», frage durch dl« bekannte Vereinbarung von Genf und die seit her etngetretene Entwicklung entstanden ist. Das Kabinett ist sich darüber schlüssig geworden. Zusammen mit den übrigen beteiligten Regierungen dienSti- gen Schritte zu tun. um den Plan der Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission zur endgültigen und vollständigen Regelung de, Reparatlonsfrag« zu verwirkllchen. » Es ist anzunehmen, daß sich das Reichskabinett auch be reits mit der Frage der Besetzung der Revisionskommission und der Festsetzung des Tagungsortes befaßt hat. Ob schon in der gestrigen Sitzung entscheidende Beschlüsse in dieser Frage gefaßt wurden, steht noch dahin. Wahrscheinlick)er ist jedenfalls, daß man erst die diesbezüglichen Entscheidungen der Gegenseite abwarten wird. Die größte Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Reichsbankpräsiderrt Dr. Schacht mit der Ver tretung Deutschlands in der Revisionskommission beauftragt werden wird, zumal auch aus der Gegenseite die Absicht zu be stehen scheint, die Leiter der Emissionsbanken in die Kom mission zu entsenden. Auf französischer Seite sollen nach den letzten Pariser Meldungen neben dem Präsidenten der Bam. von Frankreich Moreau noch folgende Politiker unk Beamte an den Arbeiten der Kommission teilnehmen: Ar beitsminister Loucheur, der Präsident der Reparationskom» 'Mission, Senator Ehapsal, der Direktor im Finanzministerium Moret und der Unterdirektor der Handelsabteilung des Außen ministeriums Loulondre. Auch dürft« der frühere Direktor der Bank von Lazare Freies, Serruys, sowie der bekannte fran zösische Sachverständige Sergent beauftragt werden. Was den Tagungsort anlangt, so sprechen die bisherigen Mutmaßungen bekanntlich für Paris als dem Sitz der Reparationskommission. Daneben sollen in Berlin technische Unterausschüss, geschaffen werden, die wegen der nötigen Unterlagen in stän diger Verbindung mit der deutschen Regierung stehen werden. Was im übrigen die Aussichten der neuen Dawes-Kommission anlangt, so tut man gut daran, si, Nüchtern abwartend und ohne allzu großen Optimismus zu beurteilen. Das letzt« Wort haben nach wie vor die amerikani schen Finanzkreis« zu sprechen, und diese äußern sich bis jetzt sehr zurückhaltend. Au den aus Paris stammenden Dieldungen, wonach unter Umständen der Verkauf deutscher Bonds im Betrage von einer Dollarmilliarde während der Repara tionsverhandlungen zur Aussprache gelangen werde, erklären sowohl Washingtoner wie maßgebende Wallstreetkreise, daß der artige Vorschläge doch wohl sehr verfrüht seien. Wallstreet- ^kreise bezeichnen es als überflüssig, im Augenblick dazu Er klärungen abzugeben; denn es müßten zunächst einmal viele »andere strittige Fragen bereinigt werden. Wahrscheinlich würden viele Pläne zur Aussprache gelangen, bevor sich ein konkreter Plan Herallsschälen werde. Vor Skresemanns Lückkehc Wiesbaden, 26. Oktober. > Reichsaußenminister Dr. Stresemann verläßt, einer Meldung der T.U. zufolge, Wiesbaden am 31. Oktober, um suh zu einem Besuch nach Karlsruhe zu begeben. Bon Karlsruhe fährt der Minister zu der nach Heidelberg einberusenc» Partei, Vorstandssitzung der Deutschen Volkspartei. Von Heidelberg aus erfolgt dann die Rückkehr nach Berlin. London, 25. Oktober. Außenminister Thamberlain, der sich zur Zeit »och iis Kalifornien aufhält, beabsichtigt, über Vancouver und Kanad, nach London zurückzukehren, wo er am 21. November eins zutreffen beabsichtigt. Man nimmt an, daß er sich bereits ais der Dezember-Tagung des Völkerbundsrates beteiligen wirds Sein Gesundheitszustand hat sich erheblich gebessert. Japan und China Rückzug aus Schankung? Nanking, 26. Oktober. Die Konferenz zwischen Dr. Wang und dem japanischen Ge. ncralkonsul in Schanghai yata hat zu einem Uebereinkommen über die Revision des chinesisch-japanischen Handelsvertrages und die Zwischenfälle von Tfinan, Nanking und Hankau ge führt. Die Bedingungen für die Regelung des Tfinan-Zwischen« falls sind nach Meldungen aus chinesischen Kreisen, daß Japan sich bereit erklärt, feine Truppen aus Schantung zu rückzuziehen, aber Bürgschaften für die künftige Sicherheit seiner Untertanen verlangt. Beide Seiten erklären sich bereit, Bürger des anderen Staates für Verluste an Leben und Eigentum zu entschädigen. Ein internationaler Ausschuß soll ernannt werden, um festzu» stellen, wer für den Beginn der Unruhen verantwortlich ist. Es heißt, daß China und Japan wahrscheinlich die Frage der Gültigkeit der alten Verträge umgehen und auf einer neuen Grundlage in voller Gleichberechtigung zur Regelung des Nanking-Zwischenfalls und anderer ähnlicher Zwischenfälle schreiten werden, indem die chinesische Regierung ihr Bedauern über den Zwischenfall ausdrückt und sich bereit erklärt, japanische Unteranen für ihre Verluste zu entschädigen. Der Hankau» Zwischenfall, der als weniger wichtig angesehen wird, befindet sich wie verlautet, auf dem Wege einer reibungslosen Schlich tung. Wang und Pata werden jetzt die Bedingungen der Rege lung ihren Regierungen zur Billigung unterbreiten. Wie aus Nanking gemeldet wird, hat das Außendeparte- ment der vereinigten Staaten Außenminister Wang mitgeteiltz daß die amerikanisch« Regierung gegen die sofortige Abschaffung der Exterritorialitätsrechte der amerikanischen Bürger in China Einspruch erheb«. Der amerikanische Gesandte empfiehlt der Nankingregierung. nicht auf der Abschaffung zu bestehen, da dieses die amerikanisch-chinesischen Beziehungen ungünstig be- einflussen könnte. Andererseits ist die Nankingregierung zur Erhaltung der Einheit in der Partei gezwungen, auf der ein geschlagenen Politik zu bestehen. Die Kwansi-Eruppe hat von der Nankingregierung die Beseitigung des Außenministers vog seinem Posten wegen der teilweisen Kapitulation vor Amerika; Frankreich und Japan verlangt. Tschiangkaischeks Bermiillimg in dieser Frag« ist bisher erfolglos geblieben. Vauers China-Mission Aus London wird mitgeteilt, daß der ehemalige deutsch« Oberst Bauer zum Reorganisator des chinesische» Militärs er. nannt worden sei. Oberst Baue, traf bereit» Ende der Wach« ln Schanghai ein. Der enger« Stab Bauer» werde au« 30 ehemalig«« dentsche« Offizieren bestehen, die teilweise id China schon «ingetrofse« seien. Die deutschen zuständigeil Stellen lege» Werl daraus, sestznftellen, daß Oberst Bauer mit ihnen keinerlei Fühlung genommen Hab« und daß er nur i» Privateigenschafi dort sein könne. Di« zuständigen Stelle, haben also keinerlei Beziehungen,« Bauer. * Wieder rin polnische» Militärflugzeug abgestiirzt. Bei Posen ereignete sich am Mittwoch wieder ein FlugzeugunglüL Lin kleine» Militärflugzeug polnischer Bauart stürzte aus kau« 106 Meter Höhe herunter. Der Apparat wurde vollständig zer, trümmert, der Führer, ein Oberleutnant, war sofort tot. Person. Am nächsten Tage erfolgte die Verhaftung "der drei Deutschen. Den bei dem Mädchen stehenden Zivilisten war es nicht anzumerken gewesen, daß es sich um französische Offiziere handelte. Si« haben weder französisch gesprochen, noch sich als Offiziere oder Angehörige der Besatzung zu erkennen gegeben. Riesenfeuer in japanischer Hasenska-l London, LS. Oktober. Wie aus Tokio gemeldet wird, find in der Hafenstadt Wakkanai, dem nördlichsten Punkt der Insel Hokkaido, in folge einer Feuersbrunst siebenhundert Häuser zerstört worden. Vier Menschen sind dabei ums Leben gekommen. Wie man glaubt, ist das Feuer aus Brandstiftung zurückzuführen. Um das Schicksal der russischen Kirchen Riga, 25. Oktober. Die russische Presse Lettlands und Estlands tritt mit aller Entschiedenheit gegen die geplante Abtragung der griechisch- katholischen Kathedralen auf. Während von estländischer und lettländischer Seite die Kirchen als Symbole russisch-zaristi schen Imperialismus betrachtet werden, suchen die russischen Blätter nachzuweisen, daß sie jetzt nur religiösen Zwecken der russischen Minderheit dienten. Die Revaler Kaihedralensrage ist bereits gegenständ von Beratungen einer estländischen Par lamentskommission geworden. Die estländischen Sozialdemo kraten und die Mtnderheitenvertreter haben sich gegen dir Ab tragung der Kathedrale ausgesprochen. Schwere StraßenbaWisölle ts wie« Wien, 25. Oktober. In Wien ereigneten sich am Donnerstag im 5. und 8. Bezirl zwei Etraßenbahnunsälle, wobei 23 Personen verletzt wurden. In beiden Fällen stießen die Straßenbahnzilge an Kreuzungs stellen mit anderen Straßenbahnwagen zusammen. Nach Be hauptungen der Führer sollen die Bremsen versagt haben. Z« 8. Bezirk entgleist« durch den Zusammenstoß der eine Motor wagen und stieß gegen ein vorüberfahrendes Auto, In dem sich der polnische Gesandte Dr. Bader mit seiner Gemahlin befand. Das Auto wurde schwer beschädigt, doch blieben die Insasse» unverletzt. Tagung ves Leamleubuudes Der Bundestag des deutschen Beamtenbundes entschied am Freitag aus Grund von Ausschußberichten über die Reform der Bundessatzung und zahlreiche Einzelanträge. Annahme sand «ine große Zahl von Anträgen zum Beamlenrecht. U. a. wird verlangt, daß im neuen Strafge' " standsbeamten, unverminderte Beibehaltung des Berufs- beamtentums und Stärkung des Einflusses der Retchsregierung aus die Reichsbahn mit dem Ziel der endgültigen Wiederein führung der Reichsbahn in vie volle Derfassungsgewalt des Reiches. Zur Besoldungsreaelung selbst sand eine Entschließung Annahme, di« eine Nachprüfung der örtlichen Sonderziüchläge, Stärkung der Kaufkraft durch Beeinflussung der Wirtschafts politik und die Wiedereinführung des Gruppensysteins von 1826 sowie Beseitigung der Härten für Wartegcld- und Ruhegehalt»« »mvsänaer erstrebt.