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Sächsische Volkszeitung : 28.10.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192810285
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19281028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19281028
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-10
- Tag 1928-10-28
-
Monat
1928-10
-
Jahr
1928
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 28.10.1928
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Dolksvereinskag in Dresden Am Mittwoch, den 31. Oktober findet in Dresden eine Nchsische Landestagung des Volksvereins für das katholische Deutschland statt. Grundlegende Fragen von höchster Bedeutung werden auf dieser Tagung zur Erörterung stehen, darum muß erwartet werden, daß sich alle Ortsgruppen des Katholischen Bolksvereins aus ganz Sachsen an dieser wichtigen Tagung aktiv beteiligen. Die Tagesordnung ist die folgende: Vormittags 10 Uhr: Landesgeschäftsführer- Konferenz im Grünen Zimmer des Kolpingshauses, Käusser- straße 4. Jahresbericht des Landesverlreters, Referat Dr. Kcaneburg, Berlin, Aussprache, Berichte, Anträge. — Anträge werden dis zum 25. Oktober an den Landesvertreter erbeten. Nachmittags 3 Uhr: Konferenz im Saal des Kol» ptngshauses (zu dieser Konferenz sind Geistlichkeit, Lehrer schaft, Vereinsoorstände und sonstige am katholischen Leben interessierte Persönlichkeiten gebeten), Referat Dr. Krane, bürg, Berlin, Lehren aus dem Wahlkampf für den deutschen Katholizismus. Referat Reichskanzler a. D. Dr. Marx: Die Ausgaben des politischen deutschen Katholizismus. — Aus sprach«. Abends 8 Uhr: Oeffentliche Kundgebung des Voiksvereins im großen Saal des Ncustädter Kasino, Königs- , strafe. Vortrag des Herrn Reichskanzler a. D. Dr. Marx: Die Katholische Aktion, das Gebot der Stunde: voraussichtlich: Ansprache des hochw. Herrn Bischofs, Schlußwort des Landes vertreters Pfarrer Beier, Leipzig. Für entsprechenden künst lerischen Rahmen ist gesorgt. Ta der 3l. Oktober in Sachsen staatlicher Feiertag ist, darf mit einer regen Beteiligung aller Kreise gerechnet werden, die für die umfassende Bedeutung und dis große Aufgabe des Volksvcrcins in unseren Tagen Verständnis haben. Der neue Skratzenbahri-urchgangswagen Dresden, 27. Oktober. Seit einigen Tagen werden mit den neuen Durch gangs wagen der städtischen Straßenbahn Probefahrten unternommen, um besonders au! Strecken mit starker Steigung den neuen Wagsntqp auf seine Bewährung zu prüfen. Bei einem Wagen werden auch Versuche mit einer eingebauten Laut sprecheranlage angestellt, durch die der Fahrer die Haltestellen ausrusen soll. Die neuen Wagen erregen in der Oesfentlichkeit beträchtliches Aussehen. Nrlwrammgeslattung beim Sender Dresden, 27. Oktober. In einer vor kurzem stattgesundcncu V e sp r e chu n g'der an vtt Programmgestaltung der mitteldeutschen Rundfunk sender Tcesden und Leipzig beteiligten Kreise wurde das kommende DmiciProgramm bis Ende Dezember beraten. Vorbehaltlich etwa »olwcudig werdender Acnderungeu sind eine ganze Reihe, insbeson dere iür die Dresdner Hörer, interessanter Abende vorgesehen. Am M. Oktober bringen die Wiener Sängcrknaben Schnbertliedcr zu Gehör (ttcbcrtragung von Berlin ans). Es folgt am 30. Oktober ein Lustiger Abend mit Josef Plaut, am 31. Oktober (Rcforma- tionöftst) die Uebertragung einer geistlichen Abendninsik aus der Pau/aner-Kirche in Chemnitz. Der Abend des 1. November ist der Kammermusik gewidmet (Darbietung von Dresde aus); am 6. No vember beginnt ein Reihenvortrag von Nnivcrsitätsprofessor Dr. Brandenburg „Von Bismarck bis zum Weltkrieg", außerdem wird an diesem Abend das Streichquartett „Der Tod und das Mäd chen" geboten. Die am 9. November stattsindende Morgenfeier bringt Freibeitslicder, eine Rede des Rcichsinnenministers Sevcring, die H-Moll-Sinfo»ie von Schubert und Beethovens Egmont-Ouver- türe. Nach der Operette „Dreimäderlhaus" am 10. November und der Oper „Martha" am 11. 11. folgen am 16. und 18. November Schubert-Feiern. Der erste Abend bringt eine Schubert-Feier der DicSdner Staaiskapclle, an: zweiten Abend wird eine gleiche Feier von Wien aus übertragen. Von den im Laufe der Monate Novem ber und Dezember vorgesehenen Konzerten der Dresdner Philhar monie sei das große Konzert am 29. 11. erwähnt, für das Kammer sänger Hirzel seine Mitwirkung zugesagt hat. : Franz-Schubert-Ausstellung im Lichthofe des neuen Rat hauses. Am Dienstag, den 30. Oktober und Donnerstag, de» j. November finden je nachmittags 4.30 Uhr Führungen durch Herrn Dr. Volkmann statt. Eintritt frei. Konkvr-at und Grenzmark Giftmischer Von der Pressestelle des Volksverein Berlin, Wit« , helmstraße 37 II, erhalten wir folgende Zuschrift: Wir haben in Deutschland immer noch Kreise, deren Lebensaufgabe zu sein scheint, gegen den konfessio nellen Frieden zu intrigieren. Daßdabei so gar die Verleumdung als zweckdienliches Mittel ge braucht wird, charakterisiert die Einstellung dieser Kreise, die sich aber gern „national" nennen und jedem, der ehrlich auf Verständigung zwischen den Konfessionen hinarbeitet, Knüppel zwischen die Beine werfen. Die deutschnationale „Berliner Börsenzeitung" scheint sich zum Sprachrohr dieser Kreise gemacht zu haben. Sie liefert in Nr. 489 vom 18. Oktober 1928 unter der Ueberschrist: „Konkordat und Grenzmark" erneut den Beweis dafür, daß sie wieder ein mal am Werke sind. Im Artikel selbst wird gesagt, daß im Erenzkampf im Osten die Schaffung einer selbständigen Apostolischen Administratur (Tütz bzw. Schneidemühl) begrüßt werden muffe, weil sie geeignet sei, den Katholiken diesseits der Grenze einen repräsentativen Mittelpunkt zu geben. Für die Wahrung aber der deutschen nationalen Interessen sei zuletzt die Persönlichkeit des Administrators ausschlag gebend. D r. Weinmann, der erste Administrator, sei zum großen Aerger Polens seiner nationalen Aufgabe ge recht geworden. Aber sein Tod habe die „heißersehnte Ge legenheit gegeben, Pläne zu verwirklichen, die im Sinne Polens liegen". Wörtlich heißt.es in dem Artikel: „Weit folgenschwerer war aber der zweite Schlag. Der aussichtsreichste Kandidat für die Nochfolge Dr. Weinmanns war der Schneide mühler Dekan Bernhard Gramse, ein deutscher Mann von so ausgeprägter Ein deutigkeit, daß die polnische Diplomatie und Geistlichkeit alles daran setzte, seine Berufung zu verhindern. Und alles funk tionierte ausgezeichnet: Eramses Berufung, die schon vor der Tür stand, wurde mit einem Male verschleppt Und als Vbschofskaiididat wurde schon ein Berliner Pfarrer genannt. Ein Unglück kommt selten allein: Eramscs Berufung wurde weiter verzögert, und als dieser im Frühjahr 1927 frühzeitig ins Grab sank, wurde mit erstaunlicher Gechwindigkeit — jener Berliner Pfarrer zum Apostolischen Administrator für die Grenzmark ernannt! Nun braucht man nur noch als Schlußstein die Forderung des Konkordats auf Wiedererrichtuirg des Bis tums Kammin zu setzen, und voilä tout! Vollendet sich die Tragödie der Grenzmark und damit des Ostens? Hier/so wird mir immer wieder versichert, wehe jetzt ein anderer Wind, da alles daran gesetzt werde, daß in diesen deutschen Vorposten nicht mehr die heiße Glut nationaler Leidenschaft genährt werde. Die ausrechten Männer seien stumm geworden und gehen sorgenvoll einher: Türen und Wände seien dünn ge worden wie chinesisches Papier." Der so abfällig mit „jener Berliner Pfarrer" apostro phierte jetzige Administrator ist der frühere Pfarrer von St. Michael in Berlin. Prälat Kaller. Dieser Geistliche steht so hoch über dem Vorwurf nationaler Unzuverlässigkeit und ge meiner Svionaae. Lak ein Eeaenbewers vver flüssig sein'müßte! Trotzdem >len für das Gegenteil zwei Beispiele aus jüngster Zeit angeführt. In der Erkenntnis, daß nur der bodensässige Bauer die menschleeren Räume des Ostens gegen die national polnische Ueberslutung schützen kann, fördert er die Ansiedlung deutscher Bauern in der tat kräftigsten Weise. Der Landsiedlerstelle des Volks vereins für das katholische Deutschland ist er ein starker Anreger und Förderer gewesen. Weil das Wissen um deutsches Volkstum erst den inneren Rückhalt im Kampf gegen das Polentum abgibt, hat er eine eigene katho- lNche Volkshochschule in Marienbuchen bei Cchneidemühl ins Leben gerufen, damit sie deutsches Volks- und Naturgut dem Erenzlanddeutschen lebendig vor Augen führe. Zum Leiter dieser Volkshochschule wurde ein Württemberg ischer Geistlicher, als dessen Mitarbeiter ein Glied des gewiß nicht polenfreundlichen bayrischen Adels berufen. Das find Tatsachen, welche die deutsche Gesin nung des Administrators im besten Lichte zeigen. Prä lat Kaller i st d e u t s ch, das weiß jeder, der mit ihm in Berührung gekommen ist. Der nationale Gedanke wird Lei ihm überragt vom Geiste seines Priestertums, der ihn verpflichtet, den Menschen ohne Rücksicht auf Sprache und Nation Gottes Wort zu verkünden. Da er die polnische Sprache spricht, ist es nur zu natürlich, daß er auch polnische Seelsorge betreibt. Aber ist das ein Grund, ihm nationale Unzuverlässigkeit vorzuwerfen? Sicherlich ebensowenig, wie dem protestantischen Geistlichen der Berliner Huge- notten-Eemeinde. Der ehrlich kritisierende Gegner kann hier gewiß nicht ernhaken. Aber man will ihn offenbar gar nicht ehrlich kritisieren, man will in ihm die katholische Kirchetreffen, weil sie sich nicht zum Vorspann natio nalistischen Fanatismus mißbrauchen läßt. Prälat Kaller ist Repräsentant der katholischen Kirche, dessen erste Auf gabe Seelsorge ist, aber nicht Haßpredigt. Aber auch aus anderen Gründen ist er unbequem. Er besitzt eine so starkefoziale Einstellung, daß manche ihn des wegen glauben, kritisieren zu müssen. Das war schon in Berlin so. Um wieviel mehr wird es in seinem neuen Arbeitsgebiet mitten unter großagrarischem Besitz der Fall fein. Der neue Administrator hat wirklich nichts an sich von jenem Herrengeist, der Klüfte zwischen den Menschen aufreißt. Prälat Keller will versöhnen und aus- gleichen, wie es seine Pflicht als katholischer Geist licher ist. Seine religiöse Tiefe, nationale Zuverlässigkeit und soziale Haltung haben Prälat Kaller Achtung und Respekt auch in den Kreisen der preußischen Regierung verschafft. Aber gerade diese Achtung gibt seinen Feinden neuen Vor wand, ihn anzugreifen. Religiöser und politischer Fanatitz, Mus sieht schon, wie katholische Kirche und preußische Regie rung die deutsche Grenzmark nationalpolitischen Wünschen ausliesern. Am Schluffe ihres Aussatzes schreibt die „Börsenzeitung": „Das Preußen aber des Sozialdemokraten Braun zeigt sich gefährlichen Wünschen schon jetzt geneigt noch ohne Konkordat!" : Abschaffung der Bezeichnung ..Fürsorgezögling". Eine soeben ergangene Verordnung des Arbeits- und Wohlfahrts ministeriums an die sächsischen Kreis- und Amtshauptmann- schasten sucht einem längst beklagten Mißstand abzuhelfen. Nach der Verordnung soll künftig in den sür die Oesfentlichkeit be stimmten Berichten die Bezeichnung eines jungen Menschen als F ü r s o r g e z ö g I i n g oder „ehemaliger Fürsorgezögling" weg- satten. Durch diese Maßnahme sott das Vorurteil überwunden werden, das heute noch weite Kreise gegen einen Fürsorgezög- lmg haben. ' : Sächsischer Lebenshaltungsindex. Nach der Berechnung des Statistischen Landesamtes ueträgt die sächsische Gesamt indexzahl der Lebenshaltungskosten auf erweiterter Grundlage (Ernährung, Heizung, Beleuchtung, Wohnung, Bekleidung, Ver kehr, Körperpflege, Reinigung usw.). Sie ist demnach gegen die für den Oktober 1546 (Vorkriegszeit ---- 100). Sie ist dem nach gegen die für den Monat September berechnete Indexzahl von 154,8 nahezu unverändert geblieben. Im Oktober 1924 betrug die Indexzahl 136,3, im Oktober 1925 145,5, im Oktober 1926 143,5, im Oktober 1927 150,4. : Die Sächsische Landesstelle für Kunstgewerbe hält am 1 und 2. November in der Staatlichen Akademie für Kunst> gewerbe ihre diesjährige Jahresversammlung ab. Am 1. No vember spricht Direktor Professor Groß über „Die Krisis des Kunstgewerbes": am 2. November sprechen Pfarrer Dr Paul Girko n-Soest und Pater Tr. Anselm Weißen. Hofer-Wien über „Das 20. Jahrhundert und die christliche Kunst". Einladungen sind in der Kanzlei der Landesstelle, Marschnerstratze 41, 1., erhältlich. Sächsischer Kunftvcrci», Brühlsche Terrasse. Die zweite Ju» bttäumSausstellung „Sächsische Kunst unserer Zeit" geht zu Ende- Sie ist nur noch bis Mittwoch, den 31. Oktober, geöffnet. Die Be- Im Moor Novelle von Hans Eschelbach <7. Fortsetzung.» Weit hinter ihm lagen jetzt die Felder, Höfe und Kotten der Kauern, die mächtigen Haufen von Torf, und Heidcstrcu, die sich wie schwarze Klumpen am Himmclsrand« abhoben. Hinter ihm lag der Lärm der Stadt, der sich beängstigend bis In seine Zelle ge drängt hatte, der Rauch der Fabrikschlote und der Hader der Menschen. Die schwüle, brütende Einsamkeit des Torfmoors umfing ihn. Rouchiönlcn gleich wirbelten ganze Schwärnsi von Mücken vor ihm auf: ihn stört« es nicht. In alten, verlassenen Torfgruben, worin zwischen dem Kolbenschilf das fettige Wasser blinkte, beschriebe» stahlblauglönzende Taumelkäfer wirre Kreise und Spiralen; große Wasserjungfern mit dicken Köpfen und glasartig schimmernden Flü geln schienen regungslos über ihnen an der heißen Luft zu hangen, »m dann mit plötzlichem Ruck den einsamen Wanderer zu umsckwäv- men. Er schlug nicht nach ihnen, wie vorhin; er war in einer fast weichen Stimmung, seit ihm die feuchtwarme Sommerluft der Hei mat wie Ser Dunst in einem Treibhaus umfing. Für den Uneingeweihten hatte sich der Pfad mittlerweile fast gänzlich verloren. Schramm aber schritt ruhig über Moos und Rasen, zwischen dem unheimlich das Wasser gluckste. Er kannte jeden Schritt im weiten Moor, wo der Weg durch versenkte Reisig bündel. Faschinen, für nicht zu große Last sicher gemacht worden war. Er blieb stehen. Links lag die Strecke, wo sonst die Moor, schnepsen hcrumstrichcn, wo im Winter die Brandente einsiel und die Moorgans, die er mit seiner alten Flinte oft genug auf vcr- botcncn Wegen gepirscht hatte. Er lächelte, als er daran dachte und ging nun um so rüstiger weiter. Nach einer halben Stunde machte «r oufatmend halt. Am Naiide einer Sandblöße, die sich wie eine Landzunge ins Moor vor- schob. lag eine Torsgräberhütte. Sie sah trostlos genug aus. Die Wände, nur hier und da von alten, verwitterten Balken gehalten, Ware» roh aus Torfquadern hcrgestcllt und nur stellenweise mit Lehm verschmiert. Das moosgrüne Dach schien aus Reisig, Rohr und Schils hcrgestcllt zu sein und war so niedrig, daß man cs mit dec«Ha»d erreichen konnte. Schram war jetzt einen Steinwurf west von der Hütte ent fernt. Er blieb stehen, hielt den Mem an und lauschte angestrengt. Alles blieb still, so füll, daß er deutlich hören konnte, wie nebenan in dem großen Wasserlümpel die Moorgrundeln schnalzend an der Oberfläche des Torfwassers nach Luft schnappten. Er sah nicht hin; sein Blick hing unverwandt an der Hütte, Er räusperte sich — eiir- mai, zweimal — absichtlich laut, weil es ihm unmöglich schien, so ohne weiteres den Seinigen entgegenzutretcn. Doch bei der Hütte blieb alles still, unheimlich still. Der Heimkehrende schluckte krainpshafi; denn wie ein Knoten stieg es ibm im Halse empor. Noch einmal hustet« er laut, tat dann rasch einig« Schritte vorwärts, blieb wieder stehen und pfiff kurz und gellend auf den Fingern. Einige Frösche plumpsten erschrocken ins Wasser; sonst regt« sich nichts. „Zum Deuwel auch!" Das Gesicht Schramm? verfinsterte sich. Er wartete noch einen Augenblick, biß dann ärgerlich die Zähne zusammen und ging rasch auf die Hütte zu. Tie Türe stand weit offen. „Hanne!" rief Schramm. „Großmutter!" Man antwortete nicht, und erregt trat er ein. Der einzige Raum, den die Hütte bildete, war leer. Im Hin» tergrunde qualmte aus einer Vertiefung des steinbelegten Bodens ein schtöachcs Torffeuer; dünne Rauchwölkchen zogen hinauf in den mächtigen Ranchfang, aus dem eine starke Kette herniederhing, an die man sonst den eisernen Kochtopf befestigte.- Der stechende Ge ruch des langsam verkohlenden Torfes macht sich unangenehm bemerk bar. Links und rechts von der Feuerstelle war ein kleiner Anbau ohne Licht und Luft. Schramm schob ungeduldig den Vorhang zurück. Hier befand sich die Schlafstelle für die Großmutter, kaum so hoch wie ein Mensch. Man kroch auf das erhöhte Strohlager wie in eine Hundehütte. Der armselige Raum war ebenfalls leer. „Hanne!" rief Schramm wieder, ging auf die andere Seit« und schob dort den bunten, geblümten Vorzug von dem breiteren Raume weg, der ihm und seiner Frau alz Schlasgemach gedient. „Auch nicht!" Noch der merkwürdig geschnitzten, bunt bemalten Wiege hatte er schon beim Eintritt gesehen; die Seinigen mußten also ausgegan- gcn sein. Er setzte sich an den Tisch und schnitt sich ein Stück Brot ab, das er gierig zu esse» begann. Mitte» drin sprang er auf, stellte sich in die Türe und pfiff vier- bis fünfmal schrill und anhaltend aus den Fingern. Dann setzte er sich wieder, nahm einen Schluck von dem lauwarmen Wasser, das man so weit herholen mußte, weil das Moor wasser ungesund war, schüttelte sich und warf dann gedankenlos einige große Stücke Torf auf die Glut. Der widerwärtig riechende, stechende Qualm verflog sich halb ins Zimmer; er stach förmlich in Nase und Augen. Schramm griff noch seiner Pfeife und klopfte sie; aber er ver gaß, sie anzuzünden. An der Wand hingen zahlreiche Keine, bunt farbige Heiligenbilder, um die man als Zierat Kränze von auSgc- blasencn Keinen Vogeleiern geschlungen. Er zählte sie mehrmals vor- und rückwärts und wußte doch nie, wieviel es waren. Eine Zeillang ging er in dem Raum auf und ab, brachte die Wiege ins Schaukel, warf noch mehr Torf zu der glimmenden Masse, ging wie. der an die Türe, setzte das alte Spinnrad in Bewegung und riß dann das kleine Fenster auf, das einzige, das die Hütte auswics. Eine halbe Stund« war indes vergangen, cs kam immer noch niemand; Schramm wurde ungeduldig. Er kam sich ganz srcmd vor in seinem eigenen Heim; er nahm allerlei Dinge in die Hand, als ob er sie nicht kenne und legte sie wieder weg, ohne zu wissen, daß er sie überhaupt berührt. Schließlich hielt er es drinnen nicht mehr aus. Er ging ins Freie und sah nach dem Keinen Felde, das nicht weit von der Hütte lag. Es war nicht übel bestellt; eine kundige Hand mußte hier die Brache besorgt, das Moor gebrannt und i» die warme Asche Buchweizen und Moorhirs« gesät haben. Drüben, wo es mehr sandig war, wuchsen sogar Kartoffeln. Er riß einen Strauch aus und zählte die Knollen; es waren ihrer zivar nur halb so viel, als auf den Feldern bei Wesel, wo er als Soldat gedient, aber er schien überrascht, daß die rauhschaligcn Kartoffeln hier so dick geworden. Noch einmal pslff er und lauschte, dann ging er an die Bie nenstände. „Zum Henker!" Sechs der strohgeflochicnen Körbe lagen leer und umgestülpt in der Sonne, um auszutrockncn. Man schien es beim Schwärmen versehen zu haben — sechs Stück! — cs ärgerte ihn. Von drei weiteren Stöcken waren die Fluglöcher so schwach besetzt, daß er- stutzig wurde. Er holte ein Drahtgeflecht, zog cs vorS Gesicht und ließ das am Rande der Drahtmaske befestigte blaue Schürzentnch über Kopf, Hals und Schultern fallen. Tann hob er vereinzelte Stöcke aus und machte ein enttäuschtes Gesicht, sie waren zu leicht, viel zu leicht! Er würde im Winter noch süttern müssen; das fehlte gerade noch. (Fortsetzung folgt.)
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