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1928 V^eisrnactris-Leils^e Leite 3 Vuchh-I»«!ll>ha«r 2mi^«r «Y«. >- DeNa IH«,« Xt»»«r»»,im« Kunowski ?u??kT4 IIVI vkur 2c.1ik.hi Daß kleine Mädchen zu allen Zeiten mit Puppen gespielt haben, wird sich wohl nie beweisen lassen. Sicherlich aber tun sie es langer als die geschichtliche Vergangenheit der Menschheit reicht. Denn der älteste Fund dieser Art — eine Alabasterpuppe aus dem alten Babylon mit naturalistisch nachgesormtem Frauenkörper und Bohrlöchern an den Achseln für die vermutlich beweglichen, eingefügten Arme — kann unmöglich den Ur- typus der Spielzeuggruppe darstellen, läht vielmehr auf eine lange Reihe sehr viel primitiverer Vorfahren schlietzcn. Diese mögen etwa den Puppen geglichen haben, die noch jetzt bei den Naturvölkern Asiens, Afrikas, W erikas und Australiens deren Kinder erfreuen, und die vereinzelt in unseren völker kundlichen Museen anzu treffen sind. Ein Stück Holz, ein Knochen, ein Bündel Bastfasern bildet den Körper, der Kopf ist grobe Schnitz arbeit, auch durch Bemalung kenntlich gemacht, Arme und Beine sind am Rumpf be festigte Schnüre von aufge reihten Muscheln, Perlen, kleinen Steinchen, getrock neten Beeren oder gedrehten Fasern. Aus derartigen Ketten besteht auch die Klei dung, bei den arktischen Völ kern aus Fellstücken oder Stoff. Doch fehlt sie bei ganz primitiven Puppen völlig, ebenso der Kopf, den höchstens ein Wulst aus Haar oder Fasern ersetzt. Wiederum gibt es höchst kunstvolle Köpfe, an denen Mund, Nasenlöcher, Augen durch farbige Perlen markiert sind. Diese sorgfäl tige Herstellung deutet auf eine höhere Bestimmung als die zum Kinderjpielzcug. An der Tat werden ja Puppen auch als Kultgeräte und Amulette verwendet; wur den es wohl schon bei den Ur- völkern. Denn auch bei der Museum in Sonneberg. Thür. Delia Ausgrabung geschnitzter und Ehinksin mit Kind lchiuesische Arbeit). gravierter Renntierknochen der jüngeren Steinzeit sind sich die Gelehrten nicht einig darüber, ob sie es mit Puppen oder mit Idolen zu tun hatten. ^ ^ . Man spürt rückblickend, wie sich die Grenzen verwischen: das zu Kultzwecken gefertigte Götter- oder Ahnenbild, vielleicht auch sein verkleinertes, dem Kinde als Amulett umgehängtes Konterfei, wird diesem zum Spielzeug, bis die Mutter suh ent schlicht, ihm ein solches nach jenem Vorbilde zu verfertigen. Das K,nd bekommt also seine Spielpuppe; später wird es sie als Weihgeschenk der Gottheit zurückgcben, «cks Zeichen der abgeschlossenen ersten Levensperiode. Wenigsten wissen wir, datz dies die jungen Römerinnen taten, wenn sie in das heiratsfähige Alter traten. Die hatten, wie die ägyptischen und griechischen Mädchen. Puppen mit beweg lichen Gliedern, deren Ausstattung mit Kleidung und allerhand Gerät, im Laufe der Zeiten immer luxuriöser geworden war. Römische Mütter gaben — auch schon die Aegnpterinnen taten es — frühverstorbenen Kindern dergleichen Spielzeug mit ins Grab, und ihnen machten es die Frauen der frühchristlichen Zeit nach. Gräberfunde dieser Art aus den Katakomben werden als rührende Zeugen vom Leben der ersten Christenkinder im Vatikan aufbewahrt. Unter wieviel Leiden und Prüfungen find diese Puppen hergestellt worden! Die ersten Verfertiger von dergleichen Spielzeug waren sicherlich Vater und Mutter, sowie die dienstbaren Geister des noch ganz auf Selbsterzeugung seiner Ver brauchswaren eingestellten Haushaltes. Später, als sich die Gewerbe von der ge schlossenen Hauswirtschaft ablösten, entwickelte sich auch ein besonderes für Spielzeug- Herstellung, das namentlich in Nürnberg zu grosser Blüte kam. Männliche Puppen- oder Dockenmacher-Dockcn nannte man die aus Stoff hergestellten Puppen — sieht man auf alten Holzschnitten bei der Arbeit. Sie mutzten schon Vortreffliches leisten, da ihre Erzeugnisse mit der Zeit auch von Auftraggebern aus entfernte» Gegenden begehrt wurden. Nürnberger Puppen des 14. Jahrhunderts waren aus Ton' geformt ' und wirkten noch ziemlich steif mit ihren enganliegenden, über dem Leib gekreuzten Armen und der über der Brust angebrachten Vertiefung zur Aufnahme des Patenpfennigs. Später verstand man sich auf die Herstellung von Glieder-, Gelenk- und Schreipuppen, auch von solchen mit beweglichen Augenlidern, und verwendete sehr verschiedenartiges Material: Stoff, Leder. Papiermnchee, für die Gesichter Stoffbespannung, die bemalt wurde, auch Wachs- und schlietzlich Porzellanköpfe. Die Nürnberger Puppenhäuser des 17. und 18. Jahrhunderts sind berühmt; die kostbarsten enthielten alles, was für die Lebenshaltung vornehmer Patrizier erforderlich war. In einem solchen Hause gab es sogar Bibliothek und Rüstkammer, in einem anderen Tiergarten, Ballhaus und Kapelle. Immer patzte sich die Tracht der Puppe dem Zeitgeschmack an. Wie die kleinen Mädchen selbst keine kindliche Kleidung erhielten, sondern als kleine Damen oder BUrgerfrauen angezogen wurden, trugen auch ihre Puppen meist Frauengewnnder, die mit zunehmendem Luxus der Bevölkerung immer üppiger wurden. Es gab zur Zeit der Renaissance sehr elegante Puppen, in brautkrone und reicher Patrizierinnentracht. Zierpuppen in des Wortes ursprünglicher Bedeutung, an denen vielleicht auch die Mütter noch Gefallen fanden. Denn auch grotze Künstler gaben sich dazu her, der gleichen zu modellieren; und schon fing man an, Puppen herzustellen, die nicht für das Kinderzimmer bestimmt waren, vielmehr an die Höfe sremder Herrscher versandt wurden, um daselbst die neusten Moden bekanntzugeben. Solche Reklamepuppen schenkte schon im Jahre 1391 Königin Jsabeau von Frankreich an die Königin von England, um für die von ihr am Hofe Karls des Sechsten eingeführte Tracht Stimmung zu machen. Sie waren gewitz mit allen Verfeinerungen der damaligen Neuzeit versehen, trugen daher vermutlich auch bereits sorgsam modellierte Wachsköpfe, wie sie um das Ende des Jahrhunderts in Italien hergestellt wurden. Später hat man grade in Frankreich diese Art Propaganda für die im Lande erzeugten Moden ganz systematisch betrieben; beson ders im 18. Jahrhundert, das überhaupt im Zeichen der Puppen-Liebhaberei stand. Pantins, eine besondere Art Hampelmänner, waren da mals die grotze Modenarrheit der Erwachsenen. Als Schäfer und Schäferinnen, Pierrots und Pierretten gekleidet, hin gen sie in vornehmen Häusern an allen Kaminen; und der Luxus, der damit getrieben wurde, war so grotz, datz nam hafte Künstler sich nicht für zu gut hielten, um solche Puppen zu bemalen. Die Puppenmanie der Gegenwart, die ja auch an regend und befruchtend aus das Kunstgewerbe wirkt und wiederum an dessen teilweise wirklich geschmackvollen Er findungen von Tee- und Kaffeewärmern,Vitrinen- und Charakterpuppen, grotesken und eleganten Zier- und Salonfiguren immer neue Nahrung findet, hat also gleichfalls eine Vergangen heit; und ihre Verteidiger können sich sogar darauf be rufen. datz gerade die als Ver körpere! eines aufs Aeutzerste verfeinerten Geschmacks gel tende Gesellschaft, die der Renaissance, des Barock und Rokoko, dieser Neigung frönte. Doch fehlte es auch damals, im Zeitalter der Auf- Tora Petzold-Puppe». Kunowski eine Verfalls- klürung besonders, nicht an kritischen Stimmen, die in solcher Vorliebe erscheinung tadeln zu müssen glaubten. Puppen galten stets und gelten noch immer als eigentliches Privilegium kleiner Mädchen, obwohl auch Knaben Freude an ihnen haben; besonders an Puppenspielen, wie jedermann aus den Kindheitserinnerungen Goethes entnehmen kann. Eine leiden schaftliche Liebhaberin von Puppen war in ihrer Jugend die Königin Viktoria von England, die mit Vorliebe diese ihre einzigen Spielkameradinnen—denn sie hatte keine Geschwister — nach dem Vorbilde ihrer Hofgesellschaft oder nach demjenigen der vor ihr aufgetretenen Bühnenheldinnen kleiden lieh, auch wohl selbst kostümierte. Nicht weniger als 132 Puppen ihres Besitzes sind aufbewahrt worden. Wer sie aber besichtigt, der erkennt deutlich, welche Fortschritte die Puppenindustrie inzwischen gemacht hat. In der Tat kann Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, der Typen, der Trachten, des Materials von Spielpuppen keine Zeit mit der unsrigen wetteifern; wie man immer wieder auf den von Zeit zu Zeit veranstalteten Puppenausstellungen bestätigt findet. dlcn'Luvste »eiitboiti.