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1488 PAPIER-ZEITUNG Nr. 38 Frbeitsverhältnisse in der bayerischen Papier- Verarbeitung Aus dem Jahresbericht 1908 der Gewerbeaufsicht 720 polygraphische Betriebe wurden, soweit sie als Fabriken gelten und den Gewerbe-Inspektoren unterstehen, mit 16846 Arbeitern gezählt, und zwar 11513 männlichen, 5303 weiblichen; 439 Betriebe mit 12061 Arbeitern wurden revidiert. Im Druckgewerbe wurden 9 Betrieben für 349 erwachsene Arbeiterinnen an 126 Betriebstagen 4963 Ueberstunden bewilligt. 17 Buchdruckereien und Schriftgießereien wurden an 27 Sonn- und Festtagen 2405 Arbeitsstunden bewilligt. 199 Zuwiderhandlungen gegen Schutzgesetze und Verordnungen betr. Beschäftigung jugendlicher Arbeiter wurden in 82 Buch druckereien und Schriftgießereien ermittelt, 2 Personen wurden deshalb bestraft; in 20 Anlagen derselben Art waren es 37 Zu widerhandlungen betr. Beschäftigung von Arbeiterinnen, hier wurde eine Person in Strafe genommen. Lehrlingshaltung. Die Schlafräume der Lehrlinge wurden mehrfach beanstandet. In einer Buchdruckerei war der Lehrlings- sehlafraum in unmittelbarer Verbindung mit dem Setzerraum und hatte keine Fenster ins Freie. In einer Buchdruckerei wurde das Ausblasen der Letternkasten durch einen Jugendlichen beanstandet. In einer Buchdruckerei mit Motorbetrieb wurden die beiden Lehrlinge weit über die gesetzlich zulässige Zeit und an Sonntagen mit Reinigungsarbeiten beschäftigt; Abhilfe wurde veranlaßt. Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen. In einer graphi schen Kunstanstalt wurde die Beschäftigung von 8 jugendlichen Arbeitern bei der 1 lerstellung von Abbildungen für medizinische Zwecke auf Grund des § 120c der Gewerbeordnung abgestellt. Der Mißstand, daß infolge falscher Auslegung der Be stimmungen der Handwerkskammer in kleineren Druckereien init drei oder weniger Gehilfen zu viel Lehrlinge, und zwar in Druckereien ohne Gehilfen oft 2 Drucker- und 2 .Setzerlehrlinge gehalten wurden, ist durch Beschluß der Handwerkskammer, daß in solchen Betrieben im Höchstfälle 2 Lehrlinge gleichzeilig ausgebildet werden dürfen, beseitigt. Im Vollzüge der unterm 5. Juli 1907 abgeänderten Reichs- kanzlerbekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Be trieb von Buchdruckereien und Schriftgießereien, mußte die Verlegung einer Buchdruckerei, deren Räume sowohl hinsicht lich der Höhe als des Luftraums nicht entsprachen, veranlaßt werden, da die benutzten Arbeitsräume erst nach dem 31, Juli 1897 in den Besitz des Unternehmers gelangt waren. Sonntagsarbeit. Den Münchener Zeitungsdruckereien wurde für den an die Weihnachtsfeiertage anschließenden Sonntagab 6 Uhr abends die Beschäftigung zwecks Herstellung einer Zeitungsausgabe gemäß § 105c Abs. 1 GO gestattet. Tarifverträge. Die Hilfsarbeiter im Buchdruckgewerbe stellten an die Augsburger Buchdruckereibesitzer das Ersuchen, den für das Buchdruckgewerbe bestehenden Tarifvertrag auch auf die Hilfsarbeiter dieses Gewerbes auszudehnen. Soweit in Er fahrung gebracht werden konnte, haben zwei Firmen dem Ver langen dieser Arbeiter stattgegeben. Die Bewegung war zu, einem Abschluß noch nicht gekommen. Gesundheitsschädliche Einflüsse. Ein Pirmasenser Kartonnagen- fabrikant hat sich infolge Einatmens von Säuredämpfen tödliche Vergiftung, zugezogen. Er wollte mittels Salpetersäure versuchs weise einen Klebstoff herstellen. Zu diesem Zwecke goß er aus einer Korbflasche Salpetersäure in einen verzinnten Eimer, wo bei giftige Dämpfe entstanden, die den raschen Tod des Fabri kanten herbeiführten. (Mit Salpetersäure sollte man nur in Glas- oder Porzellangefäßen arbeiten, und auch da nur im Freien, damit die Dünste rasch abziehen können. Schriftleitung.) In einer Buchdruckerei mit 7 Arbeitern mußte im Hinblick auf die abgeänderte Bekanntmachung, die Einrichtung und den Betrieb der Buchdruckereien und Schriftgießereien betreffend, vom 5. Juli 1907 die Tieferlegung des Fußbodens beantragt werden, da das Lokal unter 2,5 m Höhe besaß. Von drei weiteren beanstandeten Buchdruckereien, welche schon vor dem Jahre 1897 bestanden und weniger als 5 Arbeiter beschäftigen, wurde zweien bereits Dispens wegen der ungenügenden Höhe der .Setzerlokale durch die Regierung erteilt, nachdem diesge- setzlichen Voraussetzungen gegeben waren. Bleierkrankungen kamen zur Kenntnis: vom Buchdruckerei- gewerbe it Fälle, wovon 8 Fälle mit zusammen 228 Tagen Arbeitsunfähigkeit; vom polygraphischen Gewerbe 4 Fälle, worunter eine Arbeiterin, mit zusammen toi Tagen Arbeits unfähigkeit. Königliches Kunstgewerbe-Museum zu Berlin. Die Mai-Aus stellung in der Bibliothek des Kunstgewerbe-Museums enthält graphische Arbeiten und Drucksachen neuerer Wiener Künstler; sie ist, wie der Lesesaal, an allen Wochentagen von 10 10 Uhr für jedermann zugänglich. . Schutz für Neuheiten Sobald ein Fabrikant eine neue Ware herausbringt, ist er geneigt, dafür Gebrauchsmusterschutz zu nehmen. Bei Waren, die voraussichtlich nur während einer Saison lohnen den Absatz finden, ist es aber meines Erachtens besser, von der Anmeldung zum Gebrauchsmusterschutz abzusehen. Die Gründe hierfür sind folgende: Die neuen Gebrauchsmuster werden im Reichsanzeiger (und danach, soweit sie das Papierfach betreffen, in der Papier-Zeitung) veröffentlicht. Manche Fabrikanten lassen sich durch ein Patentbureau regelmäßig die Titel aller neuen Gebrauchsmuster (und auch Patente) aus ihrem engeren Fach mitteilen und mit geringen Kosten, Abschrift des Gebrauchsmusters kommen, für das sie Interesse haben. Oft finden sie dann Mittel, um das Gebrauchsmuster zu Fall zu bringen, oder sie drohen mit Löschungsklage, wenn ihnen nicht Mit benutzung des Gebrauchsmusters zugestanden wird. Oder sie treiben Freibeuterei ohne Mitteilung. Droht man ihnen dann mit dem Gericht, so verweisen sie auf allerhand ältere Muster, die sie dem neuen Gebrauchsmuster entgegenhalten würden, sobald man gegen sie vorginge. Um Kosten, Aufregung und lange Prozesse zu ver meiden, duldet dann mancher diese Freibeuterei. Auch ist nur selten ein Gebrauchsmuster so unzweifelhaft rechts kräftig, daß sich sein Erfinder das Recht der Alleinher stellung sichern könnte. Die Eintragung hat aber immer den Nachteil, die Konkurrenz auf die Neuheit aufmerksam zu machen. Es liegt allerdings eine gewisse Reklame darin, wenn man der Kundschaft sagen kann: Ich bringe ein »Ge brauchsmuster«; aber der wahre Wert des Gebrauchsmusters liegt eigentlich nur darin, daß das Patentamt bescheinigt, ein bestimmter Fabrikant habe die Neuheit an dem und dem Tage eingereicht. Das heißt: Nur der Vorrang (die Priorität) wird bestätigt. Ob der gewährte Schutz auch rechtskräftig ist, das wird durchs Patentamt nicht geprüft. Der Vorrang kann aber ebensogut sicher gestellt werden, wenn man sich durch Zeugen, am besten schriftlich, be stätigen läßt, daß ihnen das Muster an einem bestimmten Tage unterbreitet worden ist. In wichtigen Fällen läßt man einen Notar darüber einen Akt aufnehmen. Dann kann kein anderer später für die Ware ein rechtsbeständiges Ge brauchsmuster erhalten, die Mitbewerber erfahren aber bei vorsichtigem Handeln von der Neuheit nicht eher, als bis der Erfinder seine Ware geliefert und seinen Gewinn daraus gezogen hat. r. Unfälle beim Niederdrücken von Spießen und ihre Ver hütung. Ungeachtet der an den Schnellpressen angebrachten Plakate, welche das Berühren von Form und Walzen während des Ganges der Maschine verbieten, versuchen es die mit der Bedienung der Schnellpressen betrauten Personen immer wieder, Spieße herunterzudrücken oder Butzen von der Form zu ent fernen, ohne die Maschine anzuhalten. So verunglückte in einer Buchdruckerei in Berlin der Maschinenmeister N. bei einem solchen Versuch und erlitt eine schwere Quetschung der linken Hand. Aus gleicher Veranlassung zog sich in einer Buchdruckerei in Rixdorf der Maschinenmeister St. eine Ver letzung der rechten Hand zu. Häufig sehen solche Verletzungen anfangs unerheblich aus, bei ihrer Heilung bleiben aber in der Regel Versteifungen der Gelenke, die oft erst nach langen Mo naten, bei Verletzungen der Sehnen aber überhaupt nicht voll ständig beseitigt werden können. Eine Anzahl Berliner Druckereien haben daher die Sommer’sche Schutzvorrichtung, die solche Unfälle verhindert, an ihren Schnellpressen an bringen lassen, obwohl diese weder von den Berufsgenossen schaften, noch von den Gewerbcinspcktioncn als notwendig an geordnet wurde. Da diese Schutzvorrichtung aber etwa 150 M. kostet, dürfte sie vielen Betriebsunternehmern zu teuer sein. Die Berufsgenossenschaften haben eine solche Schutzvorrichtung nicht angeordnet, weil es sich bei diesen Unfällen stets um Nichtbeachtung eines Verbots handelt. Vielleicht ließe sich durch eine Prämie die Einführung entsprechender Schutz vorrichtungen fördern, indem die Berufsgenossenschaften für jede zweckentsprechende betriebsfähige Schutzvorrichtung dem betreffenden Betriebsunternehmer eine bestimmte Summe ver güten. Die aufgewendeten Mittel würden sich wahrscheinlich durch Vermeidung von Unfällen bezahlt machen. Die bevor stehenden Genossenschaftsversammlungen bieten Gelegenheit zur Erörterung dieser Frage. Ferien. Anerkennenswerter Weise hat die Druckerei »Flensborg Avis« in Flensburg ihrem Personal eine Woche Ferien bei vollem Gehalt ohne Rücksicht auf Dienstalter bewilligt.