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Beziehung zur Burg eine bestimmte Qualitätsstufe des Burg-Stadt-Verhältnisses in Wurzen, das erst durch die Entstehung der mittelalterlichen Rechtsstadt seine volle Ausprägung erfuhr. Aufgrund der seit dem 11. Jh. gleichbleibenden politischen Situation veränderte sich auch die Stadtherrschaft des Bischofs über Wurzen kaum. Offensichtlich mußte er der Stadt Wurzen bei ihrer Gründung eine gewisse Selbstverwaltung zugestehen. Äußerer Ausdruck dafür sind die Existenz eines erst 1432 in den Quellen erschei nenden Stadtrates (Schöttgen 1717, S. 489 f., 510 f.) sowie einer wohl im 13. Jh. errichteten Stadtbefestigung, die gleichzeitig dem Schutz der Bürger und den mili tärischen Interessen des bischöflichen Landes- und Stadtherrn diente. Das bürgerliche Eigentumsrecht und die bis zum 15. Jh. nicht näher zu bestim menden Freiheiten (auf jeden Fall das Braurecht) gestatteten Wurzen eine Weiter entwicklung, ohne daß die Stadtherrschaft des Bischofs und die ökonomische und politische Abhängigkeit der Stadt prinzipiell in Frage gestellt waren. 33 Wesentlich unklarer bleibt in diesem Prozeß die Rolle des Wurzener Stiftskapitels. 1275 werden Eigenmächtigkeiten des Kapitels in der Besetzung der Pfründen (Wcnzclskirche) sichtbar (SchR 1080). Nach den Ablösungsakten des 19. Jh. und den Angaben von Schöttgen hatte das Domkapitel ein beachtliches Einkommen in Wurzen, jedoch kaum in der mittelalterlichen Stadt selbst. Es verfügte über Zinsen im Suburbium, der Wenzelsvorstadt und vor dem Eilenburger Tor (Abb. 5 b). Da sich der Bischof nach den wenigen in Wurzen ausgestellten Urkunden nicht sehr oft in der Stadt aufhielt, scheinen sich die Wurzener Bürger im konkreten Fall mehr mit dem Domkapitel auseinandergesetzt zu haben. Davon zeugt besonders die Übereinkunft zwischen Rat und Kapitel über das Bierbrauen (Schöttgen 1717, S. 489 f., 510 f.). Der Rat konnte 1432 durchsetzen oder das Recht behaupten, daß das auf dem Dom gebraute Bier nicht in der Stadt und in den umliegenden Dörfern verkauft werden durfte, daß es den Bürgern verboten war, auf dem Dom (Domfrei heit, einschließlich der Burg) Bier zu trinken und daß im Umkreis von einer Meile nur Wurzener Bier geschenkt werden durfte. Diese Auseinandersetzung zeigt deutlich, daß sich das Kräfteverhältnis zwischen Stadtherrn und Stadt bis zum 15. Jh. allmählich zugunsten der Bürgergemeinde ver schob. 33 Einnahmen, die die Stadt für den Stadtherrn aufzubringen hatte: den Schoß, zumindest teil weise, da im Domarchiv zu Meißen ein Zinsregister des Schössers zu Wurzen existiert; Markt einnahmen (marckt geldt) (Domarchiv Meißen J. 12 bei Ebert 1930, S. 20 f., Anm. 3); Bier- geld (bzw. „Bräugelt") mit beachtlichen Summen (ebenda; AEB Wurzen 5, fol. 203); Zinse von einzelnen Handwerkern (Fleischer, Schuster, Schneider, Bäcker, Tuchmacher, Leineweber (ebenda; fol. 199 b f.).