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2.2. Die Herausbildung eines Burg-Stadt-Verbältnisses in Wurzen 2 .2.1. Zur historisch-topographischen Gliederung des älteren Wurzener Stadtgebie tes Bezüglich der allerersten Anfänge eines Burg-Stadt-Verhältnisses in Wurzen gibt es noch keine vollständige Klarheit. Obwohl der Standort der Burg seit älterslawi- scher Zeit konstant blieb, fehlte bis jetzt der sichere Nachweis der ältesten Stadtan fänge Wurzens. Die Bemühungen darum reichen von C. Schöttgen bis K. Blaschke. Soweit das Suburbium als mögliches Anfangsstadium der Stadt in Betracht gezogen wurde, sah man es im Straßenzug „Alstadt“ im Norden Wurzens. Dabei spielten topographische Gesichtspunkte, die Verkehrslage und Patrozinienfragen eine unter schiedliche Rolle. In erster Linie stützte man sich dabei auf die von Schöttgen über lieferte, aus einem alten Schriftstück stammende Wendung „in suburbio Aldestat", die er in seiner Chronik als handschriftliche Anmerkung der ebenfalls von ihm über lieferten, in einem Brief von 1384 (sicher Urkunde) stehenden Bezeichnung „Alt Wurtzen“ zuordnet (1717, S. 13 f. u. handschr. Anm. zu S. 14). Demgegenüber ver treten Radig (1961, S. 24) und Blaschke (1976, S. 168) die Ansicht, daß der Altstadt ein breiter topographischer Zusammenhang zur Burg fehle, der gerade für ein Sub urbium charakteristisch sei. Radig weist aus topographischer Sicht darauf hin, daß die Färbergasse im Vergleich zu Schloß- und Domberg „wie eine suburbiale Bildung, wie ein Vorläufer bzw. eine Dienstsiedlung für den bischöflichen Herrschaftssitz wirke“ (ebenda). Diese Beobachtung verdient unbedingt Beachtung. Neben der Altstadt und der Färbergasse tritt auch der Crostigall im Süden der Stadt ins Blickfeld, denn 1340 wird er erstmals erwähnt und 1583 „suburbium“ ge nannt (Schöttgen 1717, S. 16 f; AEB Wurzen 5, S. 81 ff.). Die Schwierigkeit be steht also darin, das echte Suburbium aus den drei der eigentlichen Gründungs stadt vorausgehenden Siedlungen herauszufinden. Die bisherigen Quellen ließen in dieser Frage nur begründete Vermutungen zu. Eine Möglichkeit, die Gesamtheit der feudalen Anhängigkeitsverhältnisse zu er fassen, um aus ihrer Differenziertheit sowohl die topographischen Einheiten exakter zu bestimmen als auch ihre Rolle hinsichtlich der frühstädtischen Entwicklung besser einschätzen zu können, boten die aus dem 19. Jh. vorhandenen Ablösungsverträge, in denen jahrhundertealte städtische und ländliche Feudalabgaben fixiert wurden. Sie geben Auskunft über die Art der feudalen Abgaben, ihren Empfänger und die damit belasteten Grundstücke bzw. Personen. Damit wurden grundlegende Aussa gen über feudale Herrschaftsverhältnisse möglich. Durch Übertragung dieser Lasten auf heutige Flurstücke gelang es, folgende Siedlungsteile voneinander abzuheben 31 : 1. das abgabenlose Burgreal; 2. die Altstadt und die mittelalterliche Rechtsstadt (sind nur topographisch zu unterscheiden); 3. die Färbergasse; 4. der Crostigall; 5. das Wcnzelsviertel (Abb. 5). 31 Die vollständige Umsetzung einzelner in den Ablösungsakten ermittelter Angaben auf heutige Katasterpläne ist nicht möglich. 115