Volltext Seite (XML)
Annalen kann man schließen, daß Herzog Wratislaw von Böhmen als Bundesgenosse Heinrichs IV. beabsichtigte, die Mulde in Richtung Westen zu überqueren (Ann. Peg. 241). So ergab sich die verkehrsmäßige Bedeutung des Ortes Wurzen im 10. bis 12. Jh. aus zwei bedeutsamen überregionalen Wegen: erstens der bedeutenderen Ost-West-Straße, die als Hohe Straße, von Merseburg über Leipzig kommend, bei Wurzen die Mulde passierte, auf den Elbübergang Strehla zulief, von dort aus über einen Verbindungsweg in das Luckauer Becken gelangte und Anschluß an die Straße nach Großpolen oder Schlesien fand (Herrmann 1968, S. 121); zweitens die von Halle kommende, bei Lübschütz (südlich Püchaus) nach Süden anbiegende und mit großer Wahrscheinlichkeit die Wurzener Furt überquerende Straße, die von dort das Muldenhochufer entlanglief und bei Leisnig in der alten böhmischen Straße ihre Fortführung fand (Verlauf bei Böhm 1981, S. 37). Wurzen erscheint also hinsichtlich seiner Verkehrslage und der günstigen Beschaf fenheit der Furt gegenüber Püchau echt bevorteilt. Ebert weist aber mit Recht dar auf hin, daß dies nicht die einzige Ursache für die Bedeutungsverschiebung zugunsten Wurzens gewesen sein kann (Ebert 1930, S. 15, Anm. 3). Denn so sehr auch die Bedeutung des landschaftlich relativ geschlossenen Gebietes um Wurzen und Püchau ab dem 10. Jh. (wahrscheinlich auch schon eher) aus den bedeutsamen überregionalen Wegen abzuleiten ist, die Entwicklung der frühstädtischen Siedlung Wurzen muß stets in Einklang gesehen werden mit den wachsenden ökonomischen Potenzen die ser kleinen Landschaft. 2.1.4. Die kirchliche Entwicklung des Gebietes um Wurzen bis 1114 Wurzen trat in kirchlicher Hinsicht bereits in Erscheinung, bevor 968 die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meißen gegründet wurden (Thiet. II, 22). Otto I. übereignete 961 dem Moritzkloster in Magdeburg den vollen Zehnten u. a. in den Gebieten um Giebichenstein/Halle (Giuicansten), Wurzen (Vurcine), Eilenburg (Ilburg) und Wet- tin (Vitin) (MGD 0 I, 231). Alle genannten Orte sind im 10. Jh. die Mittelpunkte der sie umgebenden Landschaften und werden besonders hervorgehoben; alle sind als Burgwardsmittelpunkte nachzuweisen und verfügten wahrscheinlich schon über eine kirchliche Einrichtung, so daß sie als Ausgangspunkte christlicher Missionierung gut geeignet waren. Bönhoff und Schlesinger nehmen jedenfalls für Wurzen das Be stehen einer Kirche mit Sicherheit an (Bönhoff 1911, S. 11 f.; Schlesinger 1962 a, S. 170). Sie ist dann als Burgwardskirche anzusprechen und nicht mit der Jakobs kirche in der Wurzener Altstadt identisch. 23 Nach Schöttgen (1717, S. 229) gab es in Wurzen zwei Kirchen, die aller Wahrscheinlichkeit nach vor der Jakobskirche exi stiert haben: erstens eine Kapelle am Markt, „wo des Kannegießers Haus ist“ und die die Kirche des Grafen Esiko gewesen sei; zweitens „beim Eingang des Dom tores ein kleines Kirchlein, welches die Kapelle omnium Sanctorum oder Allerheili- 23 Helbig läßt offen, ob die Jakobskirche mit der Burgwardskirche identisch ist (Helbig 1940, S. 126 f.).