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1.2.3. Zum Zusammenhang von mittelalterlicher Stadtentwicklung und Herausbil dung der Landesherrschaft Früh- und hochmittelalterliche Stadtentwicklung und Herausbildung der Landesherr schaft bzw. des Territorialstaates waren von Beginn an miteinander verflochtene Pro zesse. Was sich im lokalen Rahmen als Burg-Stadt-Verhältnis darstellte, realisierte sich auf höherer Ebene als Verhältnis der Landes- bzw. Territorialgewalt zu den von ihr abhängigen Städten. Da beide Seiten im Laufe der Feudalentwicklung Verän derungen erfuhren, unterlagen auch Charakter und Inhalt dieser Beziehungen einem Wandel. Kann man im Frühfeudalismus und in den ersten Jahrhunderten der vollen Entfaltung der feudalen Formation von einer positiven Wertung ausgehen, zeigen sich nach dem 14. Jh. progressive Züge nur noch in Teilaspckten (Czok 1974, S. 113), denn die Territorialfürsten stellten die Städte zunehmend in den Dienst partikulari- stischer Interessen und verhinderten mit der weiteren Festigung ihrer Territorial macht die Errichtung eines einheitlichen deutschen Feudalstaates. Ausgehend von Czoks Definition des Territorialstaatcs und dessen drei Entwick lungsphasen 17 wird die Entstehung der Landesherrschaft als ein erster wesentlicher Entwicklungsabschnitt dieses Staates begriffen. Da bis zur Mitte des 14. Jh. nur die erste und der Beginn der zweiten Phase von Bedeutung sind, sei hier auf diese im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung näher eingegangen. Die objektive Möglichkeit, daß führende Kräfte des Feudaladels Landesherrschaft errichten konnten, ergab sich aus der ökonomischen und politischen Struktur des frühfeudalen Staates. Denn „die Ökonomik der noch überwiegend auf naturalwirt schaftlicher Grundlage basierenden Feudalgesellschaft sowie die Spezifik der Klas sensituation bedingten ... die Ausübung der lokalen Staatsgewalt durch die feuda len Grundeigentümer bzw. Grundbesitzer in ihren Grundherrschaften selbst“ (Mül ler-Mertens 1963, S. 330). So erlangten die großen Feudalherren zu Ende des Früh feudalismus durch Lehensübertragungen und Immunitätsverleihungen wichtige poli tische, administrative und juristiktionelle Funktionen der Königsmacht (ebenda) und konnten relativ selbständige Adelsherrschaften errichten. Der Bau von Herrenbur gen sicherte ihnen nicht nur die Herrschaft über die Bauern und das Territorium, son dern, darin eingeschlossen, auch über die frühstädtischen Siedlungen und gestattete ihnen, auf die Herausbildung der mittelalterlichen Städte wesentlichen Einfluß zu nehmen. Langer bemerkt zurecht, daß „das bereits gegenüber den feudalabhängigen Bauern bewährte Machtmittel Burg“ auch „die Beherrschung der neuen sozialen Schichten gewährleisten“ sollte (Langer 1979, S. 379). 17 Nach Czok war der Territorial- oder Fürstenstaat als eine Form des Feudalstaates „das Macht instrument jener Teile der herrschenden Feudalklasse, die auf der Basis des feudalen Großgrund besitzes durch partikularistische Politik eigene Hoheitsrechte und Machtorgane ausbildeten, in einem bestimmten regionalen Bereich innerhalb des Reiches ihre Landesherrschaft errichteten und über alle Bewohner, insbesondere über Bauern und Bürger, zu festigen suchten“ (Czok 1973, S. 930). Für den Territorialstaat stellt Czok folgende Entwicklungsetappen heraus: 1. den Aufbau der Landesherrschaft vom 11. bis 13. Jh. als Entstehungsphase; 2. den territorialen Ständestaat vom 13. bis 16. Jh. als vollentwickelte Phase; 3. den territorialstaatlichen Absolutismus vom 16. bis 18. Jh. als Spätphase (Czok 1974, S. 108).