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44 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Nr. 6 lang vom Verbände festgehaltenen Tra dition, mit der die Existenz unseres Ver bandes aufs engste verknüpft war, durfte nicht abgegangen werden. Diese Tradi tion mußte vor allen Dingen hochgehalten werden. Ich will nun zu den vorgeschlagenen Zollsätzen über gehen. Ueber die Sätze auf Obst und Gemüse will ich nur sagen, daß sie minimal sind und unbedingt höher angesetzt werden müssen, da, wie ich schon er wähnt habe, im Reichstag von diesen Sätzen noch abge handelt wird. Ob dann, was von diesen Sätzen übrig bleibt, geeignet ist, eine Verbesserung der überaus schlech ten und mißlichen Lage der Gemüsegärtner herbeizuführen, sei dahingestellt. Ich komme nun zu den Pflanzenzöllen. Da muß ich sagen, die Großkultivateure in Dresden und Umgebung, sowie die Rosenzüchter, sind nicht zu kurz ge kommen. Namentlich der Zollsatz auf Rosen (30 M. — früher 12 M. — für 100 kg) kommt einem Einfuhrverbot gleich. Früher stand ich auf dem Standpunkte, daß ein angemessener Zoll auf Schnittblumen genügen würde, um die gesamte Gärtnerei zu heben und ihre Rentabilität zu wahren. Ich bin aber später zu der Ueberzeugung ge kommen, daß für Topfpflanzen, Rosen, Baumschulartikel auch ein niedriger als angemessen erscheint, wenn wir auf Schnittblumen und Bindegrün einen solchen Zoll be kommen, der unsere Kulturen wieder rentabel macht. Es scheint mir überhaupt in der jetzigen Zollkommis sion die Ansicht vorgeherrscht zu haben, daß nur durch die Einfuhr von Belgien und Holland der größte Schaden zugefügt werde. Gewiß ist auch diese Einfuhr nicht zu unterschätzen und wird uns gefährlich, aber die größte Gefahr droht uns von der Riviera. Darum sage ich, wenn wir keinen kräftigen Dauerzoll auf Schnittblumen und Bindegrün erhalten, dann ist ein Pflanzenzoll erst recht schädlich. Denn wenn auf die holländischen und belgischen Pflanzen ein Zoll steht — auch die Azalea indica soll verzollt werden — ziehen die Preise bei den sächsischen Großkultivateuren an, wenn auch nur künstlich — ich will jedoch hiermit durchaus nicht sagen, daß die höheren Preise infolge der teureren Produktionskosten nicht berechtigt seien. — Wir Gärtner aber, namentlich die Platzgeschäfte in den Großstädten, welche den Blumenhändlern verkaufen, bekommen für die Pflanzen, trotz des Anziehens der Preise in Sachsen, in folge der erdrückenden Einfuhr von der Riviera auch nicht mehr, sondern alle Jahre weniger. Der jetzige Zustand auf dem Blumenmarkt, welcher infolge der Kälte an der Riviera eingetreten ist, und die zurzeit höheren Preise, die deshalb bewilligt werden, sind doch nur ein Ausnahme fall. Bestünde jetzt ein angemessener Blumenzoll, so hätten wir Gärtner jetzt auch Material. Aber bei den bisherigen Wintern, wo wir unsere Blumen nur unter den Produktionskosten, ja gar nicht verkaufen konnten, mußte man die Treiberei als gänzlich unrentabel aufgeben. Ich bin auch für einen Zoll auf Azalea indica, weil wir durch die französ. Hortensien, welche wir doch selbst ziehen können und durch die schönen Polyantha-Rosen Topfpflanzen bekommen haben, welche geeignet sind — da die französ. Hortensien schon im Februar blühen —, die Azal. ind. zurückzudrängen. Je weniger Azaleen jedoch von Belgien kommen, desto mehr werden doch die Horten sien und Polyantha-Rosen gekauft. Infolge der schranken losen Blumeneinfuhr aus dem Süden, wobei wir deutschen Gärtner überhaupt nicht mehr wissen, was wir ziehen und kultivieren müssen, fürchte ich jedoch, daß viele Gärtner sich auf die Kultur und Treiberei der franz. Hortensien, sowie auf die Treiberei der Polyantha-Rosen geworfen haben. Die Treiberei der Hortensien war noch im letzten Jahre ziemlich lohnend, ich glaube aber bestimmt, daß auch sie unrentabel wird infolge der massenhaften An zucht. Die Polyantha-Rosen wurden ebenfalls schon im letzten Jahre in solchen Massen getrieben, daß sie meist als Topfpflanzen unverkäuflich waren. Was man für die selben als Schnittblumen bekommt, ist gar nicht der Mühe wert. Hier in Deutschland nun sind im Frühjahr getrie bene Polyantha-Rosen im Ueberfluß vorhanden, in Hol land waren sie im vorigen Herbst in Rohware gesucht und ausverkauft, hauptsächlich an deutsche bzw. Dresde ner Rosen-Firmen, wodurch die Preise in die Höhe ge trieben wurden. Ja, einzelne Dresdener Firmen woll ten in Holland direkt Polyantha-Rosen kultivieren lassen. Das zeigt doch, daß mail eben nicht imstande ist, ebenso kräftige und starke Rosen wie in Holland zu ziehen. Um eine schön blühende Topf-Polyantha-Rose zu erzielen, muß man eine kräftige, starke Rose in den Topf pflanzen. Rosen dieser Qualität gibt es aber in Deutschland nicht, das beweisen ja die Dresdener Einkäufe in Holland. Man hat nun in den Zollvorschlägen alles berücksich tigt, u. a. Phoenix canariensis, holl. Blumenzwiebeln, Lor beerbäume und Lorbeerblätter usw. Warum nicht auch Polyantha-Rosen? Ja, warum hat man den Preis von 12 M. auf 30 M. hinaufgeschraubt? Ich wiederhole nochmals: die Zollforderungen müssen wir höher ansetzen, sie werden sicher stark herabgedrückt. Ich habe von Herrn Riemer- Köln schon vieles gelesen und habe eine hohe Meinung von seiner schriftstellerischen Tätigkeit aus seinen Veröffentlichungen in der Verbands zeitung gewonnen. Von seinem Artikel: „Hie Freihandel“ in Nr. 44 kann ich das leider nicht sagen. Hier ist er ent schieden zu weit gegangen. Gewiß sind die Blumenhändler geniale Kaufleute, tüchtige Arrangeure und Dekorateure, Kultivateure sind sie aber nicht. Man kann das auch gar nicht verlangen, ebenso wenig als man von den Gärtnern die Kenntnisse der Blumenhändler verlangen kann. Ge wiß verstehen die Gärtner die kunstgewerbliche und ver edelnde Verwertung der ihnen gelieferten Waren zu wür digen; allein Rohmaterial ist es nicht, was die Blumen händler von uns kaufen. Ebenso wenig ist richtig, was Herr R. über die Blutsteuer schreibt. Das ist doch keine Geldsteuer, man versteht darunter vielmehr die all gemeine Wehrpflicht, die Notwendigkeit, daß im Ernst fälle die wehrfähigen Söhne des Volkes ihr Leben für die Sache des Vaterlandes lassen müssen. Auch ist nicht ganz einwandfrei, was Herr Riemer über Staatshilfe, Stützen, Krücken und Krüppel schreibt. Daß die deutschen Gärtner schwer unter der freien Blu meneinfuhr zu leiden haben, darüber sollten sich eigent lich sämtliche deutschen Gärtner klar sein. Man bedenke doch: Fast während des ganzen Jahres, einige Monate ausgenommen, kommen die Blumen herein, und zwar in solcher Masse, daß das Angebot weit größer ist als die Nachfrage. Das was für die Schnittblumen gilt, gilt ebenso für das Gemüse. Was nun der Gärtner kauft, wird immer teurer, während er für seine eigenen Produkte immer we niger bekommt. So verhält es sich hier in München; daß es in der Reichshauptstadt nicht besser ist, beweisen ja die Berichte des Herrn Kohlmann über die Lage in den Markthallen. Ich habe es selbst in Berlin erfahren, daß dort die Blumen noch billiger sind als in München, ebenso daß dort der Straßenhandel noch mehr floriert. Mitte September wurde mir Unter den Linden ein Bukett Veilchen (3 bis 400 Stück) aufgedrängt für — 50 Pf. Was der Gärtner nun bekommen hat, damit sind wohl knapp die Kosten für das Pflücken und Verkaufen gedeckt. Ueberall in Berlin stehen die Verkäufer mit Massen von Blumen. Diesen aufdringlichen Straßen- und Hausier handel in großen Restaurants und Cafes erachte ich als Erniedrigung unseres Standes. Wer Blumen kaufen will, gehe in die Blumengeschäfte, wo diese zu haben sind. Andere Waren werden auch nicht auf der Straße feilge boten, sondern ausschließlich in den betreffenden Ge schäften. Was auf der Straße hausiert wird, muß unter Preis verkauft werden, wodurch die ansässigen Geschäfte Schaden erleiden. Da bei den jetzigen Zollverhältnissen unsere Treibereien fast lahmgelegt sind und der Gärtner