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Nr. 52. Freitag, den 25. Dezember 1914. XVI. Jahrgang. Der Handelsgärtner Aaonnsmsntsprehs Handelszeitung für den deutschen Gartenbau »o Mennige für die riet- tür Peuuscniand,Desterreich -------8 gespaltene Nonpareille-Zeile and Laxemburg M.5.—, für das auf dem Umschlag 40 Pfennige, Ausland M 8.-, durch die Post —90- im Reklameteil M. 1.- für oder den Buchhandel M. 20.— .. -ic.n. itona 105 __ AuBgobtedehritbrtag. Begründet von Otto Thalacker. - Verlag: Thalacker & Schwarz, Lelpzig-R., Gomenlusstr. 17. breite Peatzeüe. Das Abonnement gilt fortlaufend u. kann nur durch Abbestellung 14 Tage vor Jahresschluß aufgehoben werden. In den Champignonkellern von Paris. HI. Nachdem man den hohen, steifen, in den oft niedrigen Räumen nur lästigen Hut mit der flachen casquette (Schirmmütze) vertauscht, die typische blaue Gärtner schürze umgebunden und sich bergmannsmäßig mit einer Laterne bewaffnet hat, geht es in den finsteren Schlund hinein. Nach unten schaut man nichts, weil alles dunkel, nichts zu sehen ist. Aufwärts will man nicht schauen; denn während des steilen Leiterweges in die Tiefe regnet es von den Stiefeln der Nachfolgenden Brocken jener ge schilderten Masse, die den ganzen Stolz unseres Führers darstellt, in das Gesicht. In etwa 5 Meter Tiefe endet der Schacht auf einem reichlich mannshohen Gang von etwa 1%4 Meter Breite; gerade breit genug, daß zwei Menschen sich einander vorbei drücken können. Er endet in einem größeren, zimmerhohen, unregelmäßig geformten Raum. Von diesem geht es oft durch ganz kurze, oft durch längere I manchmal sehr enge, oft geräumige Gänge verbunden, durch andere und wieder andere, bis man, durch den vielen Wechsel verwirrt, plötzlich an einer alten Stelle wieder heraustritt. Längs den Wänden, durch schmale Fußsteige getrennt, auch die Mittenräume sorgfältig jeden Quadratmeter Raumes ausfüllend, liegen dort die etwa 70 Zentimeter hohen, reichlich 80 Zentimeter breiten dammartigen Beete, i Damit gleichmäßig geliefert werden kann, wird die ganze | Fläche fortlaufend belegt. Man beginnt an einem Ende und fährt fort, bis nach einigen Monaten alles belegt ist, und erneuert vom Anfang her, sobald die Beete dort ab- ' getragen haben. Wie lange das dauert, ist sehr verschie- i den und richtet sich nach der Ernte, welche das Beet gab, der Langlebigkeit der Rasse, der Gunst der Verhältnisse, und ist endlich nicht zum wenigsten Glückssache. Im Durchschnitt rechnet man die Tragbarkeitsdauer auf 2 bis 3 Monate, Gewöhnlich wird im Anfang Oktober die erste Fläche angesetzt und man fährt damit bis Ende April fort. Nach drei Monaten längstens soll die Gesamtfläche belegt sein. Da ab Anlage gerechnet ein Beet durchschnittlich vier Monate oder wenig mehr Lebensdauer hat, findet gewöhn lich ein viermaliger Umtrieb statt. Von Anfang Mai ab legt niemand mehr an, sondern läßt die Beete abtragen. Anfang Juli soll die Anlage vollkommen weggeräumt Nein; auch beginnt man erst Ende August wieder mit dem Ansetzen des neuen Düngers zur Vorbereitung, Besser noch vier Wochen später. Es entsteht also eine längere Betriebspause, und diese ist wichtig, weil sie in die Zeit fällt, da sich die gefährliche Champignonfliege einstellt. Es ist die Schwärmzeit dieses oft alle Hoffnungen vernich tenden Schädlings, und die Pause, da also alle Kulturräume leer sind, die beste Art der Bekämpfung. Außerdem steht in dieser Zeit der wilde Wiesenchampignon im Wett bewerb, und dieser drückt die Preise auf 1,20—1,50 Fr. für ein Kilogramm. Das sind Preise, für welche die müh selige, des Erfolges wenig sichere Arbeit nicht mehr lohnt. In den gut gehandhabten Pariser Züchtereien wird fast überall mit Pasteur scher Reinzucht gearbeitet. Das weltberühmte Institut Pasteur beschäftigt sich durchaus nicht ausschließlich mit der Bekämpfung der Hundstollwut und anderer ansteckender’Krankheiten, stellt nicht nur alle Arten von Serum her, sondern beschäftigt sich mit bakteriologischen Arbeiten aller denkbaren Art. So hat hat es zur Förderung der Pariser Champignonzucht be sonders edle, wohlschmeckende, ertragreiche, gesunde und widerstandsfähige Rassen in Reinkultur gezüchtet, ähnlich wie die önologische Station in Geisenheim edle Heferassen für die. Weinbereitung herauszüchtet, und gibt Gläser mit Mycel in einer Kulturmasse billig ab. Der In halt wird unter fertig vorbereiteten Pferdedünger gemischt, dieser fest angeklopft, dünn mit lehmiger Erde bedeckt und bei 15—18 Grad Wärme, sehr mäßiger Feuchtigkeit zur Mycelbildung im Dünger veranlaßt, der, sobald er vom Mycel durchsponnen ist, weiter vermehrt wird, bis der Vorrat für die ganze Anlage genügt. Das Mycel abge tragener Beete wird mit den anhaftenden Düngerfladen auf oben beschriebenen Weidendeckeln getrocknet und als Pariser Brut in den Handel gebracht. Die gute, wirklich echte Pasteursche Nachzucht wird zum größten Teil von wenigen Pariser Sondergroßbetri eben aufgekauft, und was man im Handel bei uns bekommt, ist selten echt. Und wenn es echt erhandelt wird, taugt die Brut trotzdem nichts, weil sie nicht mehr die erste oder höchstens zweite Nachzucht, sondern vielleicht die 10. oder 12. ist. Durch häufige Nachzucht tritt Degeneration ein. Oder die Brut ist zu alt und bildet dann schlecht Mycel. Frische Brut gibt wochenlangen Vorsprung. Da außerdem mit der Brut gar zu leicht die Champignonfliege eingeschleppt wird, pflegen die guten Pariser Betriebe Jahr für Jahr neue Rein kulturen zu beziehen, die übrigens bisher auch nach Deutschland abgegeben worden sind. Gegen die Fliege ist wenig zu machen, wenn sie ein mal da ist. Sie tritt zu massenhaft auf, so daß man kaum Abnahme bemerkt, töte man auch Millionen. Am besten werden die Dämme vorbeugend mit Fliegenleimpapier be legt. Treten sie einmal massenhaft auf, findet man sie über den Beeten dick an den Wänden sitzen. Dort brennt man sie mit der Lötlampe fort. Nach dem Ausräumen im Hochsommer müssen die Räume gründlich geschwefelt werden. Was zum Gedeihen des Champignons nötig ist, näm lich eine Temperatur von 15—-20 Grad, mäßige Feuchtig keit, absolut stehende (nicht zugige), gleichmäßig tempe rierte Luft, das findet er in diesen Felslöchern, die Sommer wie Winter die gleiche, günstige, nie schwankende Wärme besitzen. So wächst denn, wenn der Dünger sachgemäß „präpariert“ ist, der Champignon fast von selbst. Freilich, es muß gelegentlich leicht nachgeholfen werden; sonst kann es geschehen, daß der werdende Bestand im kriti schen Entwickelungsstande stehen bleibt. Diese gefähr liche Zeit ist erreicht, wenn sich aus dem Mycel zu Hun derten und Tausenden stecknadelkopfgroß die Pilze an setzen, aber dann trotz aller Mühe im Wachstum still-