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E" Beilage ;um Hohenstein Emfichaler Tageblatt unS Kmeiger d^VABDWVSMS MZEWS !8 Fortsetzung. Tante Ann blickte sinnend vor sich hin. „Eines Tages brachte Bell — sie war klug und arbeitete viel — einen jungen, unbekannten Privatgelehrten ins Haus. Sie studierten zusammen und unterhielten sich an geregt über eine Menge mir gänzlich fernliegende wissen schaftliche Dinge. Bells Augen leuchteten: sie wurde förm lich hübsch in dieser Zeit. Verwundert und stumm saß ich dabei und hörte ihnen zu. Und immer öfter stockte der Redefluß des gelehrten Mannes, und immer öfter flog sein Blick über die Bücher hinüber zu mir blondem, dum mem Ding. Ich wußte es bald ohne viel Worte: „Er ist es! Er, der einzige, den du lieben kannst." — Ihm ging es eben so Und es dauerte nicht lange, dann fanden sich unsere Herzen und Hände zu unlöslichem Bunde" „Wer war es, Tante Ann, wer?" forschte ich. Sie schüttelte in stummer Abwehr den Kopf und fuhr nach einer Weile fort: „Mit allem, was er besaß, baute er uns ein Nest. Weitab von den Menschen. Tort in der Stille wollte er sein großes Werk, eine botanische Arbeit, vollenden. Ahnungslos — ich hatte ja nur Augen für ihn gehabt — bat ich Bell, sie sollte mit uns kommen Aber sie machte ein finsteres Gesicht, wie alle die Zeit her Und als ich nicht abließ mit Bitten, fielen harte, böse Worte von ihren Lippen. In tödlichem Schreck erkannte ich: auch sie hatte ihn geliebt. Sie hatte das geistige Band, das sie beide in ge meinsamer Arbeit, im gemeinsamen, hohen Eedankenflug verknüpfte, für Liebe gehalten. In mir. dem ,dummen, hübschen Lärvchens wie sie mich nannte, hatte sie keine Gefahr gewittert. Nun kehrte sich ihre verschmähte Liebe in Haß und wilde Eifersucht und streute eine Saat von Mißtrauen und Angst und Zweifel. Die böse Saat blieb lange tot liegen. Lange währte unser Glück Aber als dann die Sorgen kamen, keimte sie und ging auf und wuchs und wuchs Erst waren es materielle Sorgen. Die Arbeit hatte nicht den gewünschten Erfolg, nur Angriffe aller Art zog sie nach sich Da kam der Zweifel zu mir. der Zweifel an leinem Können, den Bell in mich gesät Ich trieb ihn zu neuen Plänen, neuen gewagten wissenschaftlichen Ver suchen und Behauptungen, einem fieberhaften, hastigen Arbeiten, das doch zu keinem Ziele führte Ich selbst war matt und elend damals Mein Lächeln, meine frische Zu versicht hätten gewiß den Erfolg nach sich gezogen — mein Zweifel lähmte dem trotz allem so geliebten Manne die Schwingen." „Arme Tante Ann!" Liebkosend streichelte ich sie. Ihre Selbstvorwürfe klangen so unendlich traurig. (Nachdruck verboten.) „Es sielen böse Worte zwischen uns. Worte, wie sie nie vorkommen sollten. Ich gab sie ihm zuerst — er war leidenschaftlich ünd heftig: er gab sie mir zurück. Stet» versöhnten wir uns: unsere Liebe blieb ja im Grunde unverändert dieselbe. Angst und Sorge und Not und Mutlosigkeit streuten nur ihre dicke, graue Aschenschicht darüber Da ein Lichtstrahl — ein lockendes Anerbieten: «ine wissenschaftliche Expedition ging nach dem Innern Brasi liens' die Stelle des Botanikers wurde meinem Mann angevoten. Er nahm an, trotz meiner gegenteiligen Bit ten Wie bitter packte mich Schmerz und Reue bei dem Gedanken, ihn auf Jahre zu verlieren! Er nahm an, am der pekuniären Vorteile willen, denn mein Vermögen war auch zu Ende — und dann: er wollte den Glauben an sich und sein Können wiederfinden. Den Glauben, den ich ihm geraubt. Es war ein schwerer Abschied, auf drei Jahre — drei lange Jahre. Unter Bells Obhut ließ er mich. Sie, die bisher in den Jahren des Glücks nie einen Fuß in unser Haus gesetzt hatte, teilte nun meine Einsamkeit. Die Ein samkeit war schrecklich. Denn kein Brief, keine Nachricht kam von ihm nach jenem ersten zärtlichen Schreiben von Hamburg aus. kurz bevor das Schiff den Hafen oerlietz. Anfänglich war noch hier und da in der Zeitung eine Notiz von der Expedition — dann hörte auch ^as auf. Hatte die Allgemeinheit nicht so viel Interesse daran, waren die Teilnehmer verschollen, gestorben im fernen un wirtlichen Land? Zitternde Briefe, Notschreie sandte ich ibm hinaus — keine Antwort Ihm wurde ein Kind geboren — eine Tochter — keine Antwort —" Mir schlug das Herz wild. Ein Kind, eine Tochter hattc Tante Ann gehabt! Wer war das? Wer? Wie ein scharfer, schneidender Schmerz durchzuckte mich eine Ahnung — eine Gewißheit fast Eine Frage lag mir auf den Lippen.-— Doch Tante Ann war so verlieft in ihre schmerzlichen Erinnerungen: ich wagte es nicht, sie zu unter brechen Sie fuhr auch ichon gefaßter fort: „Ohne mein Kind hätte ich jene Zeit nicht überlebt. Aber das kleine Wesen hielt mich mit fester Hand — Als nach Jahren die Teilnehmer der Expedition zurückkehrten, fehlte nur einer, mein Mann. — Etwa in der Mitte de» Weges, aus einer größeren Station hatte er sich von ihnen getrennt, niemand wußte, warum eigentlich — niemand, wohin er sich gewendet Und nichts wurde von ihm ge hört. jahrelang Ueber achtzehn lange Jahre Jahre de» Hoffens und Harrens der Qual und des Zweifels. Was diese Jahre mich innerlich gekostet Haden kann niemand ermeßen, zumal ich auch von keiner Seite Anteilnahme zu erwarten hatte.