Volltext Seite (XML)
Nr. 13 u- 14 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau 55 An die Vorträge schloß sich eine rege Aussprache, in der Einzel fragen der Einfuhr und des Inlandsverkehrs von Obst- und Gemüse behandelt wurden. Die Förderung der Gemüsesamenzüchtung in Oesterreich. Am 14. Februar 1917 fand in Wien eine Sitzung der k. k. Gartenbau- gesellschaft statt, welche zu der für unseren Nachbarstaat so wichti gen Frage der Gemüsesamenzüchtung in Oesterreich Stellung nahm. Durch das Ausfuhrverbot von Gemüsesamen aus Deutschland ist diese Angelegenheit für Oesterreich plötzlich von sehr großer Be deutung geworden. Selbstverständlich hat die Sache auch für un seren deutschen Samenbau eine große Wichtigkeit. Denn wenn es den Oesterreichern gelingt, das Interesse der beteiligten Kreise wach zurufen, so ist es immerhin nicht unmöglich, daß mit der Zeit Oester reich in die Lage kommt, seinen Gemüsesamenbedarf aus eigener Erzeugung zu decken, wodurch natürlich dem deutschen Samenbau und -handel ein nicht unwichtiges Absatzgebiet gefährdet werden würde. Allerdings wird wohl der deutsche Samenbau nicht tatenlos zu schauen, sondern die Veränderung der Sachlage sich zu Nutze zu machen suchen, indem er seinerseits die Samenerzeugung auf öster reichischem Boden aufnimmt. Es dürfte nicht schwer fallen, das für diesen Zweck erforderliche Kapital aufzubringen, und die billigeren Arbeitskräfte in Oesterreich dürften wohl eine genügende Verzinsung der hineingesteckten Gelder gewährleisten. Die klimatischen Verhältnisse sind jedenfalls in Oesterreich nicht ungünstiger, eher sogar günstiger als in unseren deutschen Samen baugebieten, und der Absatz sowohl in Oesterreich selbst als nach Deutschland wird wohl glatt vor sich gehen. Denn so wenig lohnend es auch ist, sich auf irgendwelche Vorhersagen einzulassen auf das, was nach diesem Kriege wird, so scheint doch sicher zu sein, daß die Lebenshaltung der breiten Schichten der Bevölkerung nach dem Kriege bei weitem nicht die Höhe erreichen wird, auf der sie vor dem Kriege stand. Der Fleischverbrauch wird beträchtlich geringer sein, als vorher, der Verbrauch von Gemüse aber um so höher. Es wird daher wohl ein Sinken der jetzigen hohen Gemüsesamenpreise nicht so schnell erfolgen und der Anbau von Gemüsesämereien voraussichtlich sehr gewinnbringend sein. Im Mittelpunkt der Erörterungen auf der bei Beginn dieser Ausführungen erwähnten Wiener Versammlung stand ein Vortrag des Professors von Tschermak über die Einführung der Gemüse samenzüchtung in Oesterreich. Wir geben nachstehend einen Auszug aus den Ausführungen des, Redners, und möchten nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die amtlichen österreichischen Stellen der Angelegenheit das größte Interesse entgegenbringen, was man wohl aus der Anwesenheit von Vertretern des Ackerbau-, Unterrichts-, Arbeits- und Kriegsmini steriums, sowie des Volksernährungsamtes schließen kann. Der Vortragende empfahl zunächst zur Streckung der augenblick lich sehr geringen Samenvorräte den Verkauf in Prisen mit auf gedrucktem Vermerk, für wieviele Quadratmeter diese Samenmenge ausreichen müsse. Sei eine solche Aufteilung in kleine Portionen bei dem Leute mangel nicht durchführbar, dann sollten sich wenigstens mehrere Kleingärtner dahin einigen, ihren Bedarf gemeinsam zu bestellen und unter sich aufzuteilen. Alter Same sei womöglich noch zu verwen den, nachdem er vorher auf seine Keimfähigkeit geprüft wurde. Dem törichten Hamstern einzelner Käufer sei von Seiten der Samen- Händler mit Energie entgegenzuarbeiten. Da bei der an und für sich empfehlenswerteren Reihensaat Same erspart wird, ist dieser unbedingt der Vorzug gegenüber der Breitsaat einzuräumen. Auch auf eine Pflanzenersparnis ist zu achten. Beim Verziehen können durch Ausheben die einen Wurzelballen haltenden Pflanzen noch weiterhin durch Verpflanzen verwendet werden. Der Verkauf von Setzlingen in der Nähe großer Städte sollte während der Kriegszeit großzügig organisiert werden, weil auf diese Weise speziell dem An fänger auf dem Gebiete des Gemüsebaues die mühsame und auf un geeignetem Boden oft fehlschlagende Anzucht der Pflanzen erspart werden kann. Bezüglich der Organisierung der Gemüsesamenzüchtung schlug der Vortragende vor, zwei Wege zu betreten, von denen ersterer sofort zu brauchbaren Resultaten führen könne, der zweite eine ra tionelle Hochzüchtung des Gemüses für die Zukunft in Aussicht stelle. Bereits in diesem Jahre sollten in Gebieten mit ausgedehnterem Ge müsebau durch fachmännische Kommissionen Feldbesichtigungen vor genommen werden, um größere Samenträgerkulturen anzuerkennen, wenn dieselben sortenrein und sich in gutem Kulturzustande be finden, ferner geeignete Vorrichtungen zum Samentrocknen und zur Samenreinigung vorhanden wären. Gleichzeitig würden diese Sach verständigen unter den ausgebildeten Gemüsen eine Massenauslese durch Auszeichnen zahlreicher Individuen, bevor sie in Samen schie ßen, durchführen, bei einjährigen Gemüsen im Sommer, bei Kohl, Zwiebel, Wurzel und anderen zweijährigen Gemüsen erst im Herbste, oder sie würden die bereits vorgenommenen Auszeichnungen kontrollieren. Auf diese Weise könnte schon in diesem Jahre der Beginn einer Qualitätszüchtung wenigstens eingeleitet werden. Der zweite Weg, der einzuschlagen wäre, besteht in der Ausgestaltung der wenigen schon bestehenden wisenschaftlichen Pflanzenzüch tungsinstitute und in der Neugründung solcher in den besonders klimatisch differierenden Kronländern Oesterreichs. Diese Institute, die natürlich auch über geräumige Böden, Trocknungsanlagen und Reinigungsmaschinen verfügen müßten, würden zunächst von einer Zentralstelle aus geleitet und beraten werden. Die schwachen Ver suche einzelner Persönlichkeiten, die Gemüsesamenzüchtung in Oesterreich großzügig einzuführen, scheiterten bisher alle an den Schwierigkeiten des Absatzes eines solchen hochwertigen Original saatgutes. Wenn aber Gesellschaften, wie die Delgefö im Verein mit der k. k. Gartenbaugesellschaft in W|ien, die Vermehrung und den Verkauf dieser Züchtungen von den Pflanzenzüchtungsinstituten übernehmen, ferner durch Publizierung der Ergebnisse vergleichender Sortenanbauversuche die nötige Reklame für solche einheimische Züchtungen machen, dann sind die notwendigsten Vorbedingungen für eine rasche und konkurrenzfähige Entwicklung einer österreichi schen Gemüsesamenzüchtung bereits gegeben. In der an den Vertrag anschließenden Debatte gab Regierungs rat W. Lauche seiner Meinung Ausdruck, daß eine Förderung dieser Aktion nur dann zu erwarten sei, wenn sich die kapitalkräftigeren Landwirte zunächst mit Gemüsesamenbau in großem Umfange be schäftigen wollten. So beherzigenswert mir auch dieser Vorschlag erscheint, so würde ich es doch für ein beschämendes Eingeständnis der Unfähigkeit unseres Gärtnerstandes betrachten, wenn er sein Sorgenkind so ohne weiteres in den Schcß der Landwirte legen wollte. Unsere Landwirte werden sich nur mit dem Erbsen-, Boh nen-, Zwiebelsamen, allenfalls noch mit Möhrensamenbau beschäf tigen können, sofern sie sich nicht eine gründliche gärtnerische Schulung vorher in großen Samenzüchtereien angeeignet haben, die sie zu einem allgemeineren gärtnerischen Samenbau befähigen könnte. Schwierig und nicht so rasch zu erlernen ist die Technik der Reinigung und der Trocknung der Gemüsesamen. Doch wird auch diese Schwierigkeit durch Heranziehung von Sachverständigen zu überwinden sein. Ich glaube doch, daß auch wir in Oesterreich Gärtner finden werden, die den durch eine sorgfältige Massenaus lese gewonnen Samen — unter ihrer Mitwirkung! — bei Landwirten vermehren lassen könnten. Durch ein solches Hand in Hand ar beiten des Gärtners mit dem Landwirt würden in verhältnismäßig kurzer Zeit große Feldgärtnereien entstehen. Der etwas langsamere Weg, der aber zur besten Qualitätszüchtung führt, nämlich die Ver mehrung, hochgezüchteter Gemüsestämme aus Pilanzenzüchtunss- Instituten bei Landwirten und Gärtnern durch die Vermittlung großer Gesellschaften wird ja schon in diesem Jahre eingeschlagen werden. Noch rascher würde die Gründung einer Je müsesamen-Aktien gesellschaft zum Ziele fuh ren die genügend kapitalkräftig unter fachmännischer Leitung m raschem Tempo unsere bedauerlichen Versäumnisse nachholen könnte Schon ist das Interesse großer deufscher Firmen für die gü n s ti ge n B e d i n g u n g e n der G e- müsesamenverm ehrun g in Ungarn und Bulgarien wachgerufen. ' Der Redner schloß seine Ausführungen mit der Aufforderung an die Versammlung: „Sehen wir zu, daß wir nicht durch weiteres Zögern von einer Abhängigkeit in die andere geraten!' Jedenfalls verdient die durch den Krieg in Fluß geratenene An- gelgenheit die Aufmerksamkeit des deutschen Samenbaues und -handels. Verurteilung wegen Kriegswuchers. Das Schöffengericht in Br. verurteilte die Gärtnereibesitzerin E. aus R. wegen Kriegswuchers zu 20 Mark Geldstrafe oder zu vier Tagen Gefängnis, weil sie am 7. Oktober morgens auf dem Großmarkt das Schock Oberrüben (Kohl rabi) für 1,80 Mark feilgeboten hatte, während der Richtpreis da mals nur auf 1,20 Mark festgesetzt War. Sie hatte dafür einen Strafbefehl über 20 Mark erhalten, wogegen sie die Entscheidung des Gerichts anrief. Sie machte geltend, daß sie Frühbeet-Oberrüben feilgeboten habe, die doch besser seien, als die auf dem Felde ge wachsenen. Da jedoch die Beweisaufnahme ergab, daß es gewöhn liche Oberrüben gewesen waren, ließ das Gericht die Entschuldigung nicht gelten, sondern bestätigte den Strafbefehl. — Uns will dieses Urteil, zumal da auf Gefängnis als Eventualstrafe erkannt wurde, recht hart erscheinen. Der Höchstpreis für ein Schock Kohlrabi ist mit 1,20 Mark entschieden zu niedrig bemessen gewesen, zumal in Anbetracht der vorgerückten Jahreszeit, wo Kohlrabi durchaus nicht mehr in solchen Massen zu Markte kommt, wie im Hochsommer. Allerdings ist freilich die Verurteilung dem Buchstaben nach zu Recht erfolgt,' weil die Gärtnereibesitzerin den Höchstpreis in der Tat um 50 Prozent überschritten hat. , Zwickau i. S. Die Stadtverwaltung plant die Errichtung einer großen Obst- und Gemüsedörranlage, die stündlich bis 6 Zentner Trocknungserzeugnisse zu liefern imstande sein soll. !■! Ehrentafel"" |h Mit dem Eisernen Kreuz wurden ausgezeichnet: j Paul Brandt, Gärtnereibesitzerssohn in Neu-Ruppin; LeutnantKurt Dennhardt, Gärtnereibesitzerssohn in Naum bürg ad.S.; j Ludwig. Gerhard, Unteroffizier, Gärtnereibesitzerssohn in Kassel; Fritz Günther, Gärtnereibesitzerssohn in Forst (Lausitz): Kurt Höppner, Gärtnereibesitzerssohn in Chemnitz; Kurt Hörnig, Gärtnereibesitzerssohn in Dresden-Stetzsch;