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Nr. 37 u. 38 DER HANDELSGÄRTNER, Handelszeitung für den deutschen Gartenbau 147 Punkte, deren Erörterung zum Kapitel der Sortenwahl wesentlich ist; sie betreffen die Wünsche und Anforde rungen des Obsthandels! Zunächst darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Bedarf an Früchten sehr groß ist, die als Sorte dem kaufenden Publikum von Jugend her lieb und vertraut sind und deshalb gern gekauft, ja über ihren Wert be zahlt werden. Da es sich oft um weniger edle Sorten han delt, hat man sie häufig bei der Festsetzung der Normal sortimente übergangen oder doch erst in zweiter Linie be rücksichtigt. Gewiß haben diese Lokalsorten, wie sie ge nannt werden, ihre Mängel, deren größter der zu sein pflegt, daß die Bäume erst spät zur Tragbarkeit kommen. Ich er innere nur an sonst so treffliche Sorten wie die Gute Graue! Dafür aber haben sie stets die sehr großen Vorzüge voll kommener Anpasung an Gegend und Oertlichkeit. Dazu jene der Gesundheit, regelmäßigen, guten Tragbarkeit, ohne welche sie sich die Liebe und Beständigkeit bei Anbauer und Verbraucher nun einmal nicht erworben haben würden. Man soll also, wenn man bei der Sortenwahl die Sorten der Normalsortimente auch in erster Linie vor Augen haben soll, nicht blind an diesen Lokalsorten vorbeigehen. Ein sehr wesentlicher, mitbestimmender Faktor für den Verkaufswert einer Sorte ist deren Größe und Schön heit. Das große Publikum ist, wenngleich es mehr und mehr dazu erzogen worden ist, kein Kenner der guten Sor ten. Auf den Wochenmärkten kann man immer wieder be obachten, wie die Mehrzahl der Käuferinnen nach großen, schöngefärbten Früchten greift und daß Größe und Schön heit, nicht in erster Linie die Geschmacksgüte, den Markt preis bedingen. In diesem Sinne ist es oft ein Fehler, Sorten wie die Ananasrenette oder Cox' Orangenrenette zu bauen, trotzdem deren Güte in jeglicher Beziehung über jeden Zweifel erhaben ist und beide zu den feinsten Tafelsorten gehören, die wir bauen können. Aber sie sind nur klein früchtige Sorten, die. was die Orangenrenette angeht, noch nicht einmal besonders schöne Herbstfärbung aufweisen. Beide Sorten sind etwas für den Kenner, weniger aber für den allgemeinen Handel, der mit dem breiten Absatzgebiet des Handels von Haus zu Haus und der Wochenmärkte rechnen muß. Dabei ist wohl zu berücksichtigen, daß die Großstadt märkte oft recht verschiedene Geschmacksrichtungen auf weisen, Manche bevorzugen rein goldgelbe, andere rot bunte Sorten,* und es gibt Absatzgebiete — und sie sind in der Zunahme begriffen —, wo gelbfrüchtige Sorten stets höhere Preise erzielen, so daß sie. wie etwa Weißer Klar apfel, Goldgelbe Sommerrenette, Gelber Edelapfel, Ananas renette, Menks Küchenapfel, Gelber Bellefleur, Gelber Richard u. a., dem Züchter höheren Erlös abwerfen. Ein weiterer Umstand, der fast überall bei den Sorten wohl übersehen wird, ist das spezifische Gewicht der Sor ten, das ganz außerordentlich verschieden ist. Freilich ist es auch innerhalb der Sorten je nach Gunst oder Ungunst der Jahre, dem Hang der einzelnen Frucht und dem Stand des Baumes, kurz, nach dem Mostgewicht, wechselnd, doch sind die Schwankungen dieserhalb sehr gering. Dahingegen schwankt das Gewicht zwischen den einzelnen Sorten ganz außerordentlich, etwa zwischen 0,65 und 0,97. Es gibt also mit allen Uebergängen ganz leichte und schwere Sorten, deren erstere um ein volles Drittel leichter sind, so daß, um die praktische Nutzfolgerung zu ziehen, um ein volles Drittel mehr Fruchtmasse in den Korb gepackt werden muß, um das gleiche Gewicht und — den gleichen Verkaufspreis zu erzielen. Es ist bemerkenswert, daß gerade diese notorisch leichten Aepfel (ich nenne Kaiser Alexander, Lord Suffield, Menks Apfel, Schafsnase u, a.) im Rufe großer Fruchtbar keit stehen und demgemäß oft beim Anbau bevorzugt werden, während die geringe Ergiebigkeit beim Abwägen sie zu direkt undankbaren Sorten macht. Hierzu gesellt sich der Umstand, daß diese Sorten durchweg sehr locker im Fleisch sind. Das hat zunächst einmal den Uebelstand, daß sie viel stärker von der Obstmade heimgesucht werden, als die festen und schwerer wiegenden Sorten. Der Ausfall an Fallobst ist bei ihnen infolgedessen viel größer. Vornehmlich aber hat das lockere Fleisch den großen Nachteil, die Früchte transport empfindlich zu machen. Sie bekommen leicht Druckstellen, welche die Früchte unansehnlich machen, ihre Haltbarkeit vermindern, alles in allem ihren Verkaufswert vermindern. DerHandelaberbrauchttransportharte Sorten, welche einer kostspieligen Ver packung in den geringeren Aussortierun- g e n nicht bedürfen. Das ist nicht nur wichtig für Kernobst, sondern vor nehmlich auch für Kirschen. Von diesen sind die hartflei schigen, sog. Knorpelkirschen, viel transporthärter als die weichen Herzkirschen. Dafür haben freilich jene den nicht unbeträchtlichen Uebelstand, aufzureißen und am Baume zu faulen, wenn kurz vor der Fruchtreife Regenwetter ein tritt. Doch gibt es hier einen Ausweg, indem man dunkel früchtige Herzkirschen da bevorzugt, wo es sich um die Ernte besonders transportfester Kirschen für den Ferntrans port handelt. Sie bekommen zwar Druckflächen, die sich jedoch nicht, wie bei hellbunten, weißgelben und goldgelben Sorten, schmutzigbraun abzeichnen, selbst wenn diese, wie Dönnissens gelbe Knorpelkirsche, ausgesprochen festflei schige Sorten sind. Ein ebenfalls zumeist nicht beachteter Umstand ist das Sortierungsergebnis unserer im Anbau gebräuchlichen Sorten. Dem aufmerksamen Beurteiler fällt beim Aussor tieren der Früchte — eine Arbeit, die bei den heutigen An sprüchen an gutes Handelsobst notwendig ist und sich be zahlt macht —- auf, daß das Ergebnis je nach den Sorten recht verschieden ist. Gewöhnlich wird in Edelauslese, 1. Wahl, 2. Wahl und Ausschuß sortiert. Manche Sorten ergeben nun eine verhältnismäßig große Menge großer, andere wiederum viel mindere Ware. Ueber die finanzielle Bedeutung aber werden sich die wenigsten vor der Anpflan zung in vollem Umfange klar, und doch ergibt sich diese mühelos mit allen Nutzfolgerungen aus folgendem: Im Durchschnitt mehrerer Jahre ergab die bekannte Wintergoldparmäne etwa 17% Früchte der Edelauslese, 22% 1. Wahl, 38% 2. Wahl, 23% Ausschuß mit Durch schnittserlösen von 22, 18, 12 und 8 M. Der Gelbe Edel apfel ergab bei gleicher Preislage dagegen 37%, 42%, 16% und 5%. Demgemäß wurden von 50 kg Ware, wie sie vom Baume kommt, nach der Sortierung erzielt: Bei Winter goldparmäne: 3,74 + 3,96 4,56 + 1,84 = 14,10 M., beim Gelben Edelapfel dagegen 8,14 + 7,56 + 1,92 + 0,40 = 18,02 M. Also auf 50 kg rund 4 M. mehr. Der übliche Einwand ist, daß dafür, ganz allgemein ge nommen, die Goldparmäne fruchtbarer sei. Das ist aber ein Irrtum, der bedingt ist durch die unzweifelhaft größere Anzahl Früchte am Baum und durch die überreichen Ernten mancher Jahre, die dieser Sorte Eigentümlichkeit sind. In Wirklichkeit ist der Edelapfel mindestens ebenso fruchtbar wie jene. Er gleicht dem langsameren, aber unverdrossenen Arbeiter, der Jahr für Jahr seine — das ist freilich wahr — nie überreichen Ernten bringt, dafür aber durch seine Gleich mäßigkeit und Regelmäßigkeit trotzdem die höchsten Ge samtertragsmengen gewährt. Dazu! kommt der sehr wesent liche oben erwiesene Umstand, daß die Früchte zum aller- größten Teile vollkommen ausgebildet werden und hohen Verkaufswert besitzen. Wie beispielsweise die Renetten, be sonders die grauen Renetten (Graue französische, Canada-, Graue Herbstrenette u. a.), besonders schwerwiegende Aepfel sind, so sind gleich dem Gelben Edelapfel die Goldrenette von Blenheim, Ribston Pepping, Schöner von Boscoop, Landsberger Renette u. a. m. solche, die in obigem Sinne ein sehr günstiges Aussortierungsergebnis zeitigen und darum, neben ihren vielen sonstigen Tugenden, besonders wertvoll sind. Es soll endlich noch kurz von dem grundsätzlichen