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MGein-LMPltt TWeblaN Amtsblatt Sonntag, den 24. Juni 1900. 1. Beilage. Zrrrn Was Or. H. Meurer, Pros. Weimar, Juni IMO. d d Erschuf ein neues Auferstehen: Gerettet war der Freiheit Hort! Von Das d d d d In span'sche Stiefel ward geschnüret Des Denkens und des Glaubens Maaß; d d d d d d d d d d d d d d Wem dankt die Welt das neue Leben, Daß frei das Wort zum Herzen dringt? Ein Deutscher hats der Welt gegeben: Dir, Gutenberg, mein Lied erklingt! Es lag die Welt in dunklen Banden, Ein finst'rer Geist bezwang das Licht: Es wurde Nacht in allen Landen, Durch Lug und Trug! Denn Roma spricht. So lang noch deutsche Mäuuer leben, So lang ein deutscher Dichter singt, Wird uns dein hehrer Geist umschweben, Bis daß das letzte Lied verklingt. Dich preis' ich, Deutschlands großen Sprossen! Tn gabst „die schwarze Kunst", o Held, Tas sreie Wort in Erz gegossen, Daß es durchdring' die ganze Welt! Was große Geister einst erfanden, Es pflanzt sich fort zur Ewigkeit: Die Wahrheit, die sie einst erkannten, Sie tilget nicht der Lauf der Zeit. Toch wehe! wenn sich Geister regen, Vom Reich des bösen Feinds entstammt; In Fluch verkehren sie den Segen, Von blindem Haß und Neid entflammt. us Feuer ward der Geist geschaffen, Der auch das dickste Schwarz durchdringt; Ein Gott gab ihm des Denkens Waffen, Mit dem er auch das Schwerste zwingt. Freiheit ward kein Hauch verspüret: freie Wort mau fast vergaß. göttlich ist, kann nicht vergehen! werde Licht!" Dies Gotteswort Johannes Gutenberg. Zinn 500. Jahrestage seiner Geburt. Von Peter Evans. Äachdrnck verboten.) Ganz Deutschland, nein, ganz Europa, nein, die ganze Welt rüstet sich am heutigen Tage, um die fünfhundertjährige Jubelfeier des Geburtstages eines der bedeutendsten Erfinder aller Zeiten gebührend festlich zu begehen und da ziemt es sich für uns, daß auch wir unser Scherflein zur Ehrung des Mannes beitragen, dem wir Alle, nicht nur die Leute von der Presse allein, so viel, so unendlich viel verdanken. Wir erinnern uns heute des Geburtstages Johannes Gutenbergs. Der Geburtstag des Erfinders der Buchdrucker kunst, jener unbestritten wichtigsten Erfindung des Mittelalters, steht nicht fest, jedoch wird er in die letzten Jahre des vierzehnten Jahrhunderts gelegt. Ueber die Bedeutung der Buchdiuckerkunst an und für sich braucht an dieser Stelle nicht ge sprochen zu werden. Jeder Mensch ist sich heutzutage dieser Bedeutung vollkommen bewußt und niemand kann sich mehr eine Vorstellung von den Zeiten machen, wo Buch und Zeitung in der Weise nicht informierten über die wichtigsten Tagesereignisse wie heute. Das gedruckte Wort ist uns heute zu einem Lebensbedinf- niß geworden, das uns durch nichts in der Welt er setzt werden kann und gerade dieses gedruckte Wort hat hinwiederum äußerst segensreich auf die Schöpfung von tausend neuen großen Erfindungen entweder direkt oder indirekt gewirkt. Das gedruckte Wort, d. h. das schnellere Mittheilungsbedürfniß, hat grandiose Ver besserungen der Kraft- und Druckmaschinen gefördert, hat zur Erfindung des Telegraphen und des Tele phons beigetragen und so befruchtend auf tausendu ud abertausend Gebiete unseres Kulturlebens segensreich gewirkt. Die Erfindungen auf dem Gebiete des Buchdruck wesens vor Gutenberg, namentlich die der Chinesen, die eine primitive Buchdruckerkunst bereits 1000 n. Chr. erfunden haben wollen, waren so zweifelhafter Art, daß nur unserem Gutenberg die Palme einzig und allein gebührt. Gutenberg war von edler Abkunft nnd bekleidete eine sehr geachtete bürgerliche Stellung in seiner Ge- burtsstadt. Aus Mainz jedoch mußte er bürgerlicher Zwistigkeiten halber, mit einer Anzahl anderer ge achteter Bürger um das Jahr 1420 auswandern. Im Jahre 1424 finden wir ihn in Straßburg, wo er sich das Bürgerrecht erworben, und seine Zeit mit allerlei chemischen und physikalischen Experimenten zubrachte, was dazu führte, daß er1436 mit einem gewissen Andreas Dritzehn einen Kontrakt einging, nach welchem dieser sein Theilhaber werden sollte in dem Geschäfte, welches Beide und noch andere, die hinzutreten würden, machen wollten, um die Erfindung Gutenbergs praktisch zu verwerthen. Gutenbergs vollständiger Name lautet: „Johannes Gensfleisch der junge, genannt zum Gutenberg". Gutenberg stammte aus einer alten Mainzer Patrizier familie und genoß eine den damaligen Zeitverhältnissen angemessene gute Erziehungen. Seche Neigung zur Typographie mag wohl darauf zurückzusühren sein, daß seine Familie im Besitze des Müuzrecdtes war, dessen Ausübung dem jungen Johannes schon von Jugend auf besonders anziehend erschien. Es ist bekannt, wie ihm schon in jungen Jahren der Gedanke kam, die einzelnen und nur selten zu gebrauchenden Wort- und Satzplatten in ihre kleinsten Bestandtheile, d. h. in Buchstaben zu zerlegen, wie er diesen Gedanken ausführte und so der Erfinder der Buchdruckerkunst in ihrer heutigen Form wurde. Und doch waren alle die Hilfsmittel, mit denen unser Meister arbeitete, so unendlich mühsam hergestellt und so überaus primitiv, daß man sich kaum eine Vorstellung machen kann, wie Gutenberg mit diesem simplen Material seine herrliche Bibel, sein Katholikon und seinen Donatus drucken konnte. Drei Jahre arbeitete die Firma Gutenberg, Dritzehn L Co. auch ganz einmüthig und erfolgreich zusammen, als Dritzehn starb und sein Bruder gegen Gutenberg einen Prozeß anstcengte wegen Herausgabe von Geldern, die diesem von dem Verstorbenen leih weise ausgezahlt worden sein sollten. Bei Gelegen heit dieses Prozesses zeigte sich's, daß Gutenberg seinen Theilhabern neben anderer. Erfindungen und Künsten auch die Kunst Buchstaben zu „trucken" erklärt hatte und daß er schon im Jahre 1438 im Besitze einer Presse, beweglicher Lettern, Gießformen und anderer Druckererhilfsmittel gewesen war. Da er seinen Büchern, die er druckte, nie seinen Namen anpreßte, so ist es unmöglich festzustellen, ob und wieviel selbstständige Druckwerke er schon in Straßburg an- sertigte. Soviel sich im Laufe der Zeit und nach genauesten Forschungen bisher hat ermitteln lassen, scheint Guten berg zwischen 1439 und 1444 noch sicher in Straßburg selbst gewesen zu sein. Von diesem letzten Jahre an aber verliert man seine Spur. Ob er 1448 vielleicht in Mainz gewesen, kann bis jetzt nicht festgestelll werden, auch darüber ist man im Unklaren, ob er während der Zeit seine Erfindung vervollkommnet oder auf anderen Gebieten der Wissenschaft geforscht und experimentiert hat. Soviel steht aber fest, daß er im August des Jahres 1450 mit eiuem gewissen Johannes Faust oder Fust aus Mainz sich zusammen gethan, um die Druckerei erfolgreich sortsetzen zu können, da ihm die Geldmittel dazu so gut wie völlig mangelten und Fust sich bereit erklärt hatte, Gutenberg finanziell zu unter stützen. Fünf Jahre lang blühte das Geschäft Beider. Da aber gab es wieder einen Prozeß. Faust forderte Bezahlung der Gelder, die er Gutenberg vorgestreckt, und Gutenberg verlor den Prozeß. Akan verurtheilte ihn, den größten Theil seines Druckereimaterials an Faust auszuliefern und dieser setzte nun in Verbindung mit seinem Schwiegersöhne, Peter Schösser, das Geschäft des Druckens fort. Gutenberg aber nahm mit dem Rest des Materials, welches er aus dem Prozeß gerettet hatte, seinen Wohnsitz im Hause „Zum Gutenberg", welches seiner Mutter gehörte, und arbeitete hier nicht nur eifrig an der Vervollkommnung seiner Erfindung, sondern auch ums tägliche Brot, um nicht Hungers zu sterben. Er assozierte sich mit einem Doktor Namens Conrad Humery, der sich nach Gutenberg's Tode in den Be sitz seines gesamten Materials zu setzen wußte. Im Jahre 1465 gab Gutenberg seine Druckerei auf und trat in den Dienst des Kurfürsten Adolf von Nassau, dem er für geringe» Lohn seine Fertigkeiten zur Disposition stellte. Im Totenbuche der Domini kaner zu Mainz heißt es zu 2. Febr. 1468: „Herr Johannes zum Gensfleisch starb . . . ." Und damit endigte die Laufbahn des größesten aller deutschen Erfinder. Die Zahl und Art der Werke, die von seiner Presse herrühren, sind strittig und man ist noch heute darin nicht weiter, als vor hundert Jahren. Infolge dessen hat man ihm überhaupt die ganze Erfindung absprechen und Faust und Schösser diesen Ruhm andichten wollen. Man möchte ihn zu eiuem bloßen idealistisch-träumerischen Schwärmer und Experimentirer herabwürdigen. Dieser Versuch ist jedoch unmöglich, da in der Vorrede zu eiuer „Deutschen Uebersetzung des Livius", welche im Jahre 1505 in Meinz heraus kam, vom Sohue des alten Schösser, Johannes, eine Notiz sich findet, die da lautet: „Die wunderbare Kunst zu drucken ward erfunden zu Mainz Anno Domino 1450 durch den ingeniösen Johannes Guten berg und ward hiernach verbessert und der Nachwelten überliefert durch das Geld und die Arbeit des Joh. Faust und Petrus Schösser." Eins der Hauptwerke, welche uns die Erfindung Gutenbergs aus seiner Zeit überliefert, ist die groß artige 36 zeitige Bibel, welcher 1453—1455 die sogen. 42 zeitige Bibel nachfolgte. Beides sind unvergäng liche Denkmäler eines genialen Mannes und eiuer großartigen, in ihren kulturgeschichtlichen Folgen viel leicht größten Erfindung. Die 36 zeitige Bibel ist ein Kleinod der Universitätsbibliothek zu Jena, die 42 zeitige, auf Pergament gedruckt, befindet sich in Fulda. Das dritte größere Werk Gutenbergs war das sogen. „Kätholicon" des Johannes de Balbis von Genua, welches ebenso wie die beiden Bibeln als Fclinet herauskam. Während des Zusammenwirkens mit Faust erschien unter anderem auch die wohlbe kannte sogen. „Mazarin-Bibel" und der berühmte „Psalter", welch' letzterer aber schon im August 1457 etwa 18 Monate nach der Trennung von Gutenberg, von Faust und Schösser zusammen herausgegeben wurde. Offenbar hat Gutenberg auch bei diesem Werke das Meiste selbst geleistet; jene aber ernteten den pe kuniären Vortheil und auch den Ruhm davon. Als ob die Nachwelt gefühlt hat, daß man Gutenberg zu seinen Lebzeiten das himmelschreiendste Unrecht gethan, so hat sie ihn gefeiert, um das gut zu machen, was die Mitwelt an ihm verschuldete. Im Jahre 1540, ein Jahrhundert nach der Erfindung der Buchdruckerlunst, wurde das erste Centenarium zu Wittenberg abgehalten. Dem Beispiel folgten Straß burg, Breslau und Jena und seitdem mehrten sich die Jubiläen zu Ehren Gutenbergs. Im Jahre 1837 wurde ihm in Mainz eine von Thorwaldsen gefertigte Statue aus Bronze enthüllt und 1840 ehrte Straß burg seinen großen Bürger auf gleiche Weise. Alles das und auch die heutige Jubelfeier können das Geschehene nie ungeschehen machen. Unter allen deutschen Erfindern ist es Gutenberg, dem Erfinder der Buchdruckerkunst, am schlechtesten ergangen. Mag er auch an vielem Unglück, das ihn traf, durch seine allzugroße Vertrauensseligkeck und seine Unbeholfenheit selbst schuldig gewesen sein, genug, sein Leben ist fast typisch für das der meisten deutschen Erfinder. Die Bedeutung Gutenbergs und seiner Erfindung für den Culturfortschritt der gesamten abendländischen Welt wird auch von allen Nationen unbedingt aner kannt. Die Würdigung des großen Meisters während der Festtage in Mainz ist also entschieden eine ver diente, der sich jeder, auch nur ein klein wenig auf