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Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 24.06.1900
- Erscheinungsdatum
- 1900-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1841109282-190006242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1841109282-19000624
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1841109282-19000624
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-06
- Tag 1900-06-24
-
Monat
1900-06
-
Jahr
1900
- Titel
- Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt : 24.06.1900
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Bildung Anspruch machende Mensch anschlußen muß. Der Lorbeerkranz, den ihm Deutschland in diesen Tagen windet, ist eine wohlverdiente Ehrung und ein Juvelgruß zugleich für das halbtausendjährige Be stehen jener Kunst, deren Erfinder war: Johannes Gutenberg! * * * Gutenbergs letzte Nachkommen. Unter den Gästen, die man Ende dieses Monats in Mainz zur großen Gutenberg.Feier erwartet, werden sich auch die beiden letzten männlichen Nachkommen aus Guten bergs Geschlecht befinden. Der Oheim des kinderlos gestorbenen Erfinders, Ortlieb Gensfleisch, verheirathete nämlich seine Tochter Hildegard, also Gutenbergs Cou sine, an den Mainzer weltlichen Richter Johann von Molsberg (1424—1465). Aus dieser Verbindung stammt in urkundlich feststehender Folge das jetzt noch lebende Brüderpaar Baron Paul Adolf von Mols berg auf Langenau bei Mainz, einer der bedeutendsten Obstzüchter Deutschlands, und Freiherr Heinrich Otto von Molsberg, General der Artillerie z. D. und General-Adjutant des Königs von Württemberg in Stuttgart. Beide stehen im Herbste des Lebens, und mit ihnen schließt, da sie keine Söhne hinterlassen, die bis 1277 nachweisbare Ahnenreihe dieses mit Guten berg blutsverwandten. Patriziergeschlechts, wohl des einzigen aus Gutenbergs Verwandtenkreis, von dem heute noch Nachkommen existieren. Zum Johannisfest. Wenn die großen christlichen Feiertage vorüber sind und auch das Trinitatisfest, die Zusammenfassung der drei christlichen Hauptfeste, gefeiert worden ist, dann beginnt in der Kirche eine Zeit, die man die festlose nennt. Das Kirchenjahr hat sein Prachtgewand und Hochzeitskleid abgelegt und wandelt nur noch im Sonntagskleid umher. Aber auch das Sonntagskleid ist ein Feierkleid, und ohne christliche Feiertage geht es auch in der festlosen Hälfte nicht ab, wenn sie auch stiller und ohne viel Aussehen verlaufen. Der nächste derartige Feiertag ist der Johannistag heute. Dem Volksbewußtsein ist seine Bedeutung mehr und mehr abhanden gekommen, er ist ihm zu einem Kalendertag geworden, zu einem Termin für geschäft liche Interessen. Indes hat die christliche Volkssitte, die zäher ist und sich nicht so leicht verdrängen läßt, dafür Sorge getragen, daß der Festtag nicht ganz in Vergessenheit geräth. Wer geht nicht gern am Johannistag oder auch schon am Abend vorher auf dem Gottesacker und ziert die lieben Gräber mit Blumen aller Art, damit sie dort noch ein letztes Mal ihre Pracht entfalten, ehe sie in den heimischen Gärten verblühen? Denn der Johannistag ist zugleich der Tag der Sonnenwende, der Tag, an dem sich Früh ling und Sommer die Hände reichen, da die Sonne am höchsten steht und uns am längsten ihr Licht spendet. Von da an werden die Tage unmerk lich kürzer. Bon Alters her hat man in diesem Naturvorgang ein Sinnbild der Worte Johannis des Täufers ge funden: Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen. Dem Geburtstag des Täufers, dem 24. Juni, von dem an die Tage abnehmen, entspricht der Geburtstag des Herrn, der 24. Dezember, von dem an sie wieder zunehmen. Wenn Jesu Stern aufgeht, geht der Stern seines Vorläufers unter. Wenn das Heil über uns aufgeht, hat das Gesetz seine Macht über uns ver loren. Wer in der Gnade steht, ist nicht mehr ein Knecht, sondern ein Herr des Gesetzes, wird nicht mehr verklagt vom Gesetz und thut nicht mehr aus Zwang, sondern aus freiem, inneren Herzenstrieb des Gesetzes Werke. Trotzdem soll uns doch der alt- testamentliche Gesetzes- und Bußprediger, Johannes der Täufer, unvergessen bleiben. Denn so oft wir aus der Gnade fallen, verklagt uns doch wieder das Gesetz, und nur mittelst ausrichtiger, ungeheuchelter Johannesbuße vermögen wir in den Stand der Gnade zurückzukehren und darin zu bleiben. Die stille Feier aber auf den Gottesäckern mit dem Johannesschmuck aus den Gräbern erinnert uns zugleich an unsre eigne Gebrechlichkeit und Hinfällig keit. Denn alles Fleisch ist wie Gras und alle Herr lichkeit-des Menschen wie des Grases Blume. Auch da tröstet uns das Johanneswort: Ich muß ab nehmen, Er aber muß wachsen. Mag auch der äußer liche Mensch verwesen, wenn nur der innerliche Mensch von Tag zu Tag erneuert wird durch den, der alles neu macht und auch unsre sterbliche Leiber neu machen wird, Christum Jesum. Am jüngsten Tage, wenn Christus wiederkommen wird, werden wir mit allen, die getauft sind auf seinen Namen und Glauben ge- >alten haben, auferstehen aus den Gräbern und vec- lärt werden nach der Aehnlichkeit seines verklärten LeibeS. Dann wird's eine neue Wanderung geben auf den Gottesäckern, aber nicht mehr von da zurück in unsere irdischen Häuser von Holz und Stein, sondern in das Haus von Gott gebaut, das droben ist im Himmel. Politische Wochenschau. Die Zeit der politischen Sommerstille, in der die äure Gurke blüht und die berühmte Seeschlange sich an allen Küsten zeigt, scheint uns in diesem Jahre nicht be- chieden zu sein. Zwar erstellt sich der Parlamentarismus der Ferienmuße und dem deutschen Reichstag ist auch der preußische Land'ag in die Ferien gefolgt, nachdem er nicht gerade ein besonders stolzes Tagewerk vollbracht und ge rade diejenige Aufgabe, welche als die dringlichste in Preußen anerkannt werden muß, nicht zu lösen vermocht hat: die Canalvorlage. So bleibt der Mittellandcanal als das Hauptstück der kommende» Session zurück, aber wer wollte angesichts der politischen Situation in Preußen schon heute mit Sicherheit die Frage beantworten, ob sich in der nächsten Session erfüllen wird: Gebaut wird er doch! Ist auch auf parlamentarischem Gebiet endlich die langersehnte Sommerpause eingetreten, so geht es dafür desto lebhafter auf dem Gebiet der hohen Politik zu Während der Glaube, daß der südafrikanische Krieg eine internationale Action entfesseln könnte, sich, was den vor sichtigen Beurtheiler freilich nicht überraschen konnte, als eine Täuschung erwiesen hat, ist in China, welches sich immer mehr als eine Art Balkan Asiens, als das Pulver faß, welches nur des zündenden Funkens bedarf, entwickelt, ganz urplötzlich ein Konflikt von ungeheurer Tragweite erstanden, der sämmtliche Cabinette in Athem hält und zu einer internationalen Action von weitgehendster Bedeut ung geführt hat. „Man fängt mit Einem heimlich an, dann kommen ihrer Mehre dran!" Dies Göthesche Wort bewahrheitete sich auch hier. Mit einem Aufstand der Boxer-Sekte, der zuerst rein lokaler Natur zu sein schien, begann die chine sische Bewegung, zu deren Unterdrückung die bezopften Diplomaten im Tsungli-Aamen sich feierlich verpflichtet hatten, nachdem die Vertreter der Mächte in Peking ein kräftig Wörtlein mit ihnen geredet hatten. Aber es stellte sich nur zu bald heraus, daß es sich hier um eine tief gehende und weitverzweigte Bewegung handelte, die da durch zu einer schweren Gefahr für Europa wurde, daß das chinesische Militär und die chinesische Regierung nichts thaten, um der Bewegung entgegenzutreten, sondern mehr oder minder osten gemeinsame Sache mit den Boxern machten. Leider erst zu spät erkannten die Mächte, wie ge fährlich die Situation in China sich gestaltet hatte, und es zeigte sich, daß die militärischen Hilfsmittel, über welche die Mächte in China verfügen, in keiner Weise ausreichen, um durch eine energische Action die aufrüh rerischen Chinesen zur Raison zu bringen. Immerhin wurde diesen durch die Erstürmung der Taku Forts ein Vorgeschmack davon beigebracht, was sie bei einem fort gesetzten Widerstand gegen die Mächte zu erwarten haben. Und da gleichzeitig alle verfügbaren Streitkräfte zusam mengerafft wurden, um Leben und Eigenthum der Euro- päer in China nach Möglichkeit zu schützen, und da alle Mächte — nicht in letzter Reihe Deutschland — Anstalten treffen, ihre Streitkräfte in China mit größter Schnellig keit zu vermehren, so gewinnt die Hoffnung immer mehr Boden, daß die führenden Männer in China einsehen werden, ein wie heikel Ding die Fortsetzung des Wider standes gegen die Mächte wäre. Unter diesen führenden „Männern" spielt die erste Nolle freilich eine Vertreterin des „zarteren" Geschlechts, das hier in recht unzarter Form auftritt. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die rabiate und kriegslustige Kaiserin-Wittwe in erster Reihe für die Erhebung gegen die Europäer verantwort lich zu machen ist, und dauernde Ruhe ist in China nicht zu erhoffen, so lange nicht dem Regiment dieser resoluten Dame ein Ende gemacht wird. Eine schnelle Erledigung der chinesischen Wirren hat freilich zur Voraussetzung, daß alle betheiligten Mächte von jenem Solidaritätsgefühl erfüllt sind, wie es angesichts der gemeinsamen bedrohten Interessen zu erwarten sein müßte. Man wird auch hoffen dürfen, daß diese Einigkeit wenigstens so lange vorhält, bis die dringende Gefahr in China beseitigt ist. Ist das geschehen, dann freilich wird man sich darauf gefaßt machen müssen, daß die chinesische Frage noch reich lichen Stoff zu einer internationalen Eifersuchts- und Ehebruchstragödie bieten wird. Verfolgt man doch jetzt schon in England mit tiefer Trauer die führende Rolle, welche den Russen bei der Entwicklung der Dinge in China zufällt. Und an dieser ausschlag gebenden Position Rußlands in China wird doch der ganz Plötzlich erfolgte Tod des russifchen Ministers Murawjew nichts ändern, denn die russische Politik hängt nicht von einem Manne, auch nicht einmal vo.n Zaren ab. Deshalb liegt auch sonst kein Anlaß zu der Annahme vor, daß da« Ableben Murawjews an der bisherigen Richtung der russischen Politik etwas ändern könnte. Angesichts der ungeheuren Spannung, mit der alle Wett den Ereignissen in China folgt, deren Trag- weite heute noch garnicht übersehen werden kann, ist daSJnteresse an den Vorgängen auf dem südafrikanischen Kriegsschauplatz naturgemäß etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Im übrigen geht es aber auf diesem Kriegsschauplatz noch immer recht lebhaft zu und es zeigt sich immer mehr, daß die englischen Behaupt ungen von der völligen Muthlosigkeit der Buren und dem nahe bevorstehenden Ende des Krieges nichts als hübsch ersonnene Märchen waren. Ohne Zweifel wird der von den Buren mit mancherlei namhaften Er folgen betriebene Guerilla-Krieg den Engländern noch recht viel und recht lange zu schaffen machen. Und die Frage, wenn die so oft angekündigte Pazifizirung Südafrikas eintreten wird, wird auch der leichtherzigste Prophet in England nicht mehr mit ruhigem Gewissen zu beantworten wagen. Zum Sächsischen. — (Allgemeine Knappschafts-Pensionskasse für das Königreich Sachsen.) Der Vorstand hielt am 16. d. M. in Freiberg eine Sitzung ab. Es wurde der zeitherige zweite stellvertretende Vorsitzende Ober direktor Fischer in Freiberg als erster und Berg direktor Friedemann in Oelsnitz i. E. als zweiter stellvertretender Vorsitzender gewählt. Ein weiterer Punkt der Tagesordnung betraf die Unfallrenten- Empfänger. Man beschloß, die Unfallrenten-Empfänger mit 50 und weniger Procent der Vollrente aufzu fordern, ihre Erwerbsunfähigkeit nachzuweisen, wenn sie noch Ansprüche an die Allgemeine Knappschafts- Pensionskasse zu haben glauben. Ferner nahm man Kenntniß von dem Stande der Verhandlungen, welche mit außersächsischen Knappschaftrkassen wegen Ein gehung eines Gegenseitigkeitsverhältnisses für die Frei zügigkeit der beiderseitigen Mitglieder angeknüpft worden sind. Die dem Vorstande vorgelegte Jahres- rechnuug auf 1899 wurde dem Revisionsausschusse zur Prüfung überwiesen. Wegen Unterbringung von Kassenmitgliedern in der Heilanstalt Albertsberg bei Reiboldsgrün beschloß man, mit dem Verein zur Be gründung und Unterhaltung von Volksheilstätten für Lungenkranke im Königreich Sachsen wegen Sicherung des Vorrechts auf einige Betten Vereinbarung zu treffen. Des weiteren wurde zu Gunsten der Kassen mitglieder beschlossen, daß bei Neufeststellungen von Witwen- und Waisengeldern als Höchstbetrag, welchen letztere zusammen nach H 32 Abs. 2 des Statuts nicht übersteigen dürfen, stets die nach dem neuen Kassen statut neu berechnete Invalidenrente init Reichszuschuß zu Grunde gelegt werden soll, insbesondere auch dann, wenn der verstorbene Ehemann oder Vater Rente nach dem bisher giltigen Statut bezogen hat. Ferner er klärte sich der Vorstand mit der hypothekarischen Be leihung kleiner, für nur wenige Familien berechneter Arbeiterhäuser zu einem mäßigen Zinsfüße unter ge wissen Voraussetzungen und bei mündelmäßiger Sicherheit des Darlehns einverstanden. Ueberdies wurden in der Sitzung noch einige Unterstützungs gesuche genehmigt und andere verschiedene Angelegen heiten von nicht allgemeinem Interesse berathen. — Etwas vom Thaler. Die kürzlich verabschiedete Novelle zum Münzgesetz läßt nicht allein die goldenen 5-Markstücke und die 20-Pfennigstncke aus Silber und Nickel verschwinden, sondern bereitet auch dem lieben Thaler ein baldiges Grab. In wem en Dezennien wird der Thaler ganz dem Verkehr entzogen und dann nur noch in Münzsammlungen zu finden sein. Daß er trotzdem im Volksmunde noch lange fortleben und namentlich in Norddeutschland noch oft zur Bestimmung des Werthes dienen wird, ist wohl sicher vorauszusehen und bei der Bedeutung, die der Thaler bei uns feit Jahrhunderten gehabt hat, auch nicht zu verwundern. Sein Ursprung ist, wie der Zeitschrift „Die Sparkasse" zu entnehmen, auf Erzherzog Sigismund von Tirol zurückzusühren, der in den Jahren 1484 bis 1486 anfing Silbermünzen zu prägen, von denen jedes Stück nach dem damaligen Münzgewicht (bei Silber: die Mark zu 16 Lot) 2 Lot, etwa 32 Gramm, wog und den Werth eines rheinischen Goldguldens hatte. Diese großen Silberstücke erregten zur Zeil, wo man in Deutschland größere Silbecwünzen als den Groschen überhaupt nicht kannte, zunächst großes Aufsehen. Nichtsdestoweniger fand das neue Geldstück bald Nach ahmer, und zwar hauptsächlich infolge des Umstandes, daß sich die Silbergewinnung damals gerade in einer Zeit des Aufschwunges befand und alle Gruben eine den Bedarf bedeutend übersteigende Ausbeute lieferten. In Anbetracht seines Werthes nannte man die Münze „Guldengroschen" oder „Guldinec". Als später (1519) vie Grafen Schick die Ausbeute ihrer auf der böhmischen Seite des Erzgebirges gelegenen Silbergruben in etwas geringhaltigeren Stücken ausprägten und dieser Münz- fuß bald der allgemeine wurde, nannte man die nach diesem Münzfuß geprägten Guldiner „JoachimSthaler" nach JoachimSthal, der gräflich Schlickschen Münzstätte: daraus wurde später, abgekürzt, „Thaler". Es würde zu weit führen, auf die mancherlei Wandlungen, welche der Thaler im Laufe der Jahrhunderte durchgemacht hat, näher einzugehen. Hervorgehoben sei nur, daß der Thaler, wie wir ihn in unserer Zeit überliefert erhalten haben, von Friedrich II., König von Preußen, herrührt, der bald nach seinem Regiemngsantritt einen vollständig neuen Münzfuß für sein Land einführte. Lange Jahre stand Preußen im Münzwesen allein. Erst 1834 fand der preußische Thalermünzfuß in Hannover und Braunschweig Eingang. Dann folgte 1838 die Dresdner Münzkonvention, die ihm in ganz Norddeutschland, mit Ausnahme der Hansastädte Ein gang verschaffte, und endlich 1857 der Wiener Münz vertrag, der den preußischen Thaler mit einer ganz geringen Abweichung zur Vereinsmünze, daher „Bereins- thaler" erhob. Wie dieser Thaler den Uebergang zu unserer jetzigen Reichswährung vermittelt hat, ist den Lesern bekannt. — Chemnitz. Die Bauthätigkeit in unserer Stadt ist im Verhältniß zu dem Vorjahre in diesem Jahre s ehr flau, so daß wohl einige Paläste mit theueren herr schaftlichen Wohnungen errichtet wurden, aber keine Häuser mit gesunden Arbeiterwohnungen. Der Wohnungsmangel ist so stark, daß ganz anständige Familien im städtischen Versor gungshause untergebracht werden mußten, weil ihnen gekündigt worden war wegen zu großer Kinderzahl und keine andere Wohnung bekommen konnten. Der Grund dieses Uebels scheint in Mangel an Geld für Bauzwecke zu liegen. Baugenehmigungen waren in diesem Jahre bis Ende voriger Woche in unserer Stadtertheiltworden: 228 für Neubauten, 76 für Höher- und Erweiterungs bauten, 8 für Dampfkesselanlagen rc. Abgetragen wurden 29 Gebäude, und zwar 15 Vorder-und 14 Nebengebäude. — Geithain, 20. Juni. Zwischen Lausigk und Hopfgarten war am Montag Abend das ca. drei Jahre alte Kind eines Bahnwärters von der Maschine eines Güterzuges erfaßt und von einem Bahnwärterhaus bis zum nächsten mitgeschleift worden. Das Kind hatte sich an einer eisernen Kette und dem Trittbrett der Maschine festgehalten und wurde erst von dem Bahnwärter des letzte» Wärterhauses entdeckt, der sofort das Signal zum Halten gab. Bei dem Kinde, das in ärztliche Untersuchung gegeben wurde, konnte zunächst nur eine große Kopf brausche sestgestellt werden. — Frankenberger Heimathsfest. Mit Ein- müthigkeit haben Stadtvertretung und Bürgerschaft von Frankenberg i. Sa. beschlossen, in den Tagen vom 7. bis 9. Juli ein Heimatsfest abzuhalten, wie es vor 2 Jahren unter allgemeinem Beifall und nachhaltiger Wirkung in Roßwein gefeiert worden ist. Man will alle früheren Frankenberger in den Mauern ihrer Heimat, die im letzten Jahrzehnt ein fo neues und schmuckes Gewand angelegt, begrüßen und ihnen mit herzlicher und aufrichtiger Gastfreundschaft frohe, an regende und festliche Stunden bereiten. Die Heimaths- liebe soll ein Fest feiern, sie soll wie eine Flamme hell emporlodern und in allen Festgenoffen jene guten und edlen Empfindungen wecken und beleben, die in der Heimathsl'ebe wurzeln, Vaterlandsliebe und Treue gegen sich selbst, wie gegen andere. Die Erinnerung aber an jene, wieder mit alten Freunden gemeinsam verlebten Stunden soll dann diejenigen, die in der Fremde eine Stätte gefunden haben, mit hinausbe gleiten in die Welt und ihnen zum Talisman werden, der sie die Widerwärtigkeiten, wie sie die Fremde be reitet, leichter ertragen läßt. Darum werden Alle, die Frankenberg ihre Heimath nennen können — sei es nach Geburt oder Schul- und Berufsbildung — gern nach der freundlichen Zschopaustadt kommen. Mögen sie nun alte Freunde und Schulkameraden begrüßen, mögen sie liebe Verwandte in ihre Arme schließen, mögen sie selbst nur ein teures Grab zu schmücken haben, man wird sie willkommen heißen und das Herz wird ihnen in der Heimath fester, froher und leichter werden! — Welchem Frankenberger das Fest programm mit Anmeldeschein noch nicht zur Hand kam, der wolle sich solches durch Postkarte vom „Stadt- rath zu Frankenberg i. S." ausbitten. — Kleineutersdorf, 18 Juni. Wie bösartig jetzt in der Schwärmzeit Bienen werden können, wurde vergangene Woche beim Imker Fr. Danz wahrgenommen. In dessen Garten, in unmittelbare Nahe der dort be- Seine Schwester. Roman von Fanny Slöckerl. II. Forrseyung Nachdruck verboten.) „Früh aufstehen, nein, das habe ich nie gekonnt, und ich habe auch immer gehört, daß nervöse Men schen viel Schlaf brauchen!" „Dann fuche zeitig Dein Lager auf, theuerste Cousine." „Fred hat ganz recht, nahm der Amtsrath jetzt das Wort, „Du schläfst viel zu lange in den Tag hinein, nimm Dir an Melitta ein Beispiel, die steht mit der Sonne aus, klagt aber auch nie über Nerven." „Die Menschen sind eben aus verschiedenem Stoff; wirklich vornehme Damen haben meistens mit ihren Nerven zu thun," gab Flora schnippisch zur Antwort. In Martin Hardens Augen flammte es düster auf, was sollte das heißen, wollte sie damit sagen, daß Melitta nicht zu den wirklich vornehmen Damen gehöre? „Ich kenne ein paar Damen, wirklich vornehme Naturen," begann er mit einem warmen Blick auf Melitta, „von Nervosität habe ich aber noch nie etwas bei ihnen gemerkt, am meisten nervös sind meines Er achtens Schneiderinnen, Weißnäherinnen, arme Ge schöpfe, die nichts für ihre Gesundheit thun können. Aber vornehme, unabhängige Damen besonders, wo eS jetzt Mode allen möglichen Sport zu treiben, Schwimmen, Reiten, Radeln, das ist doch alles ner venstärkend!" „Ja, aber bedenken Sie, was sich solche vor nehmen Damen in der Hochsaison im Winter zu- muthen!" sagte der Amtsrath, „ganze Nächte durch tanzen, wie es meine liebe Tochter auch gethan hat, da muß die Gesundeste nervös werden." „Sie muß doch ihre Jugend genießen, soll sie denn gar nichts vom Leben haben," versetzte seine Gattin in ziemlich gereiztem Tone. „Und was ist denn Ihr Jugendgenuß, Fräulein Melitta?" fragte da Martin Harden, unbekümmert um die fehr erstaunten Blicke der Frau Amtsräthin, die zu sagen schienen, wie kann man zu solch armem Mäd chen von Jugendgenuß reden? „O, ich meine, jung fein ist schon an und für sich so schön, daß man nichts weiter begehrt," versetzte Melitta. „Du bist eben eine bescheidene Seele," sagte Fred. Deinetwegen muß sie es fein! schwebte es auf Martin Hardens Lippen. „Die Jugend muß genossen werden!" erklärte da Carla Axhausen, „nur wenn man sie mit vollen Zügen genossen hat, läßt sich das Alter einigermaßen ertragen. „Das meine ich auch," rief Fred ganz begeistert. „Sich Hineinstürzen in das volle, reiche Leben, wenn das Blut noch mit voller Jugendkraft in den Adern pulsirt, das nenne ich leben!" „Dazu gehört aber Geld," erklärte Flora be dächtig. „Allerdings, und bin ich erst fo weit, Geld zu verdienen, dann ist keine Zeit mehr zum Genießen." „Du kannst ja eine reiche Frau nehmen," der vielverheißende Blick, mit welchem Flora bei diesen Worten zu ihrem Vetter aufsah, verursachte diesem ein förmliches Unbehagen. Was wollte sie damit sagen, wollte sie ihm den schnöden Mammon in den Schooß werfen, und dann zusammen mit ihm die goldenen Früchte von desLebens reichem Baum brechen. Es wallte trotzig in ihm auf, dieses blasse, kränk liche Geschöpf feine Gattin, nein, nie und immer, solch ein Opfer der Dankbarkeit konnte Niemand von ihm verlangen, auch die Verwandten nicht, mit ihrem knapp genug bemessenen Zuschuß, jede Extraausgabe verbot sich ihm von selbst. Wie gern hätte er sich hier noch einige Tage aufgehalten, die Bekanntschaft mit Fräulein Carla noch mehr cultivirt, aber das war für ihn, den armen Studenten, viel zu kostspielig. „Du kommst doch mit uns nach F. und logirst bei uns?" fragte ihn Flora jetzt voll Liebenswürdigkeit. „Ja, ich weiß nicht, ob das geht, meine Mutter erwartet mich morgen zurück," versetzte er. „O, ein paar Tage mußt Du schon bleiben, wir depeschiren von hier aus an Tante. Und Sie, Herr Forstkandidat, werden Sie uns auch das Vergnügen machen?" wandte sich Flora jetzt an Martin Harden. Mit Melitta unter einem Dach! welch verlockende Aussicht, er schwankte einen Moment, sollte er auch einmal leichtherzig sein, nach den vollen Rosenkränzen des Lebens greifen, Fred wird es natürlich thun, die Einladung annehmen und sich köstlich amüsiren, aber er! nein, er konnte feinem unabhängigen Charakter nicht untreu werden, konnte unmöglich von ihm frem den und theilweise unsympathischen Menschen Gast freundschaft annehmen. So lehnte er denn ab, der Zweck seiner Reise sei, die Forstkulturen der Insel hier kennen zu lernen, sein Blick haftete bei diesen Worten auf Melitta, war sie enttäuscht, daß er die Einladung nicht annahm? Es schien nicht so, es war sogar wie ein leises, befreiendes Aufathmen, was sich da über ihre Lippen stahl. Es war besser, Martin Harden sah es nicht, was für eine Stellung sie in dem Hause ihrer Verwandten einnahm, sagte sie sich, sah nicht, wie groß das Opfer war, das sie dem Bruder brachtet „Und mich lädt Niemand ein!" rief Carla jetzt, „und ich habe doch ein folches Interesse sür die Landß wirthschaft, ganz besonders für Pferde! Sie haben, doch Reitpferde, Herr Amtsrath?" Ihre strahlenden Augen sahen den alten Herrn herausfordernd an. „Für Damen leider nicht," versetzte dieser etwas verlegen. Gott im Himmel, was sollte wohl dieses Irrlicht in seinem Hause! Der Frau Amtsräthin schienen ähnliche Gedanken durch den Sinn zu gehen. Was in aller Welt war nur in ihr sonst so be dächtiges Kind gefahren, daß es überhaupt solche Ein ladungen ergehen ließ, sie war es im Stande, daS Fräulein aus der Residenz auch noch einzuladen. Schließlich hatten sie es ja dazu, Gäste bei sich
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