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Nr. 6. Freitag, den 10. Februar 1911. XIII. Jahrgang. DerJ/an deisgärfner Abonnementspreis Inserate Für Deutschland, Oesterreich L. 1 »J ,, 30 Pfennige für die vier- undluxemburg Mi- ährlich n^naelszeitung für den deutschen Gartenbau gespalteneNonpareinezeile, r ' ' auf Umschlag 40 Pfennige. ; Ausgabe jeden Freitag. Im Reklameteil M. L— für Bestellungen Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig=Gohlis die zweigespaltene 105m nimmt jede Postanstalt entgegen. breite Petitzeile. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Gärtnerei und Reichsversicherungs-Ordnung. Die Unfallversicherung der Gärtnereien der Reichsversicherungs-Ordnung zweiter Lesung. Ist ein Handelsgärtner Kaufmann? Sind auch Nicht-Kaufleute zur Mängelrüge ver pflichtet ? Das, Städtische Arbeitsamt Stuttgart. Der deutsche Gartenbauhandel vom Januar bis Dezember 1910. Tagesordnung für die 27. ordentliche Hauptversammlung des Verbandes der Handels gärtner Deutschlands in Berlin. Die Versammlung der Verbände, Vereine und Gruppen des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands zu Dresden. II. Was haben die Handelsgärtner zum Verbandstage für Wünsche. Volkswirtschaft. — Unterrichtswesen. — Rechtspflege. — Handel und Verkehr. — Perso nalien. — Vereine u. Versammlungen. — Ausstellungen. — Kultur. — Neu heiten. — Fragekasten. — Handelsnachrichten. Gärtnerei und Reichsversicherungs-Ordnung. In der „Norddeutschen allgem. Zeitung“ erschien kürzlich fol gender in Fachkreisen beachtenswerter Artikel, bei welchem wir einige Punkte hervorgehoben haben: In den letzten Jahren werden in Gärtnerkreisen lebhaft Klagen geführt über die hohen Beiträge zur Landwirtschaftlichen Berufs genossenschaft. Die Berechtigung dieser Klagen mag aus folgenden Zahlen ersichtlich sein. Ein Gärtnereibesitzer in Westfalen, der ein Hektar Land zu Gärtnereizwecken bearbeitet, beschäftigte im Jahre 1908 drei Gehilfen, diese wurden ausserdem auch an 100 Tagen im Nebenbetriebe (Instandhalten fremder Gartenanlagen und Land- schaftsgärtnerei) beschäftigt. An Beiträgen zur Landwirtsch. Berufs genossenschaft waren zu zahlen: Aus Grundbesitz Mk. 0,83 Für Nebenbetriebe (Landschaftsgärtnerei) „ 12,38 Zuschläge für Gärtnergehilfen, als Facharbeiter . „ 32,25 In Summa also Mk. 45,46 Rechnet man diesen Betrieb als einen mittleren, dann haben die 1100 Gärtnereien Westfalens 48 600 Mk. an Beiträgen zur Land wirtschaftlichen Berufsgenossenschaft aufzubringen. An Renten und Unfallentschädigungen für Unfälle in Gärtnereien und den Neben betrieben zahlte die Berufsgenossenschaft im Jahre 1908 Mk. 1225,81. Diese Zahlen reden deutlich! An Unfällen wurden im Jahre 1908 bei der westf. Landwirtsch. Berufsgenossenschaft gemeldet: Aus 249 703 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben 2357 Unfälle Aus 1100 Gärtnereibetrieben . . , . . 5 Unfälle Aus 629 Nebenbetrieben (Landschafts gärtnereien) lünfall Es entfallen daher auf 629 gärtnerische Nebenbetriebe (Landschafts gärtnereien), auf 220 Gärtnereibetriebe und auf 106 landschafts- gärtnerliche Betriebe je ein Unfall. Demnach scheint die Landschafts gärtnerei in ihrer Gefahr bedeutend überschätzt zu sein. Von den 1100 in Westfalen bestehenden Gärtnereien haben mehr als die Hälfte (629) als Nebenbetrieb Landschaftsgärtnerei — und diese müssen die erhöhten Beiträge zahlen. Nicht minder drückend werden von den Gärtnereibesitzern die Zuschläge für ihre Gehilfen als Facharbeiter empfunden. In anerkennenswerter Weise hat die westfälische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft vom Jahre 1909 diese Beiträge nicht mehr von sämtlichen in der Gärtnerei beschäftigten Gehilfen erhoben, sondern nur von solchen, welche sich in leitender oder beaufsich tigender Stellung befinden (Obergehilfen). Auch die Klagen über ungleichmässige Veranlagung der gärtnerischen Betriebe zu ■ den Berufsgenossenschaftsbeiträgen haben ihre Berechtigung. Sie mögen begründet sein in der unklaren Fassung des bisher darüber bestehenden Gesetzes, das infolgedessen die verschiedensten Auffassungen zulässt. Leider scheint auch die gegenwärtig den Reichstag beschäftigende neue Reichsversicherungsordnung hier keinen Wandel schaffen zu wollen. Der die Angehörigen der Gärtnerei am meisten interessierende Paragraph 918 der R. V. 0. lässt besonders in seinen als „Erläuterung dienen sollenden Zusätzen“ an Klarheit viel zu wünschen übrig. Diese Erläuterungen wider sprechen sich teilweise sogar. Der klaren Fassung des Gesetzes würde es dienlicher sein, wenn diese Erläuterungen überhaupt nicht gegeben wären. Warum schafft man in dem Gesetz zwei Kategorien von Ver sicherten? Warum soll die Festsetzung der Entschädigungen mit zweierlei Mass gemessen werden? Würde es nicht der Gerechtig keit mehr entsprechen, wenn „jeder“ Versicherte bei einem eventl. Unfall eine seinem bisherigen Verdienst entsprechende Entschädigung oder Rente zu beanspruchen hätte und würde es nicht einfacher sein, die Beiträge analog dem wirklichen Jahresverdienst des Ver sicherten und der Gefahr des Berufes entsprechend zu veranlagen ? Die Unfallstatistik der letzten zehn Jahre würde die besten Anhalts punkte für die Berechnung der Beiträge und auch für die Beweise der erhöhten oder verminderten Gefahr geben. Die Forderung der deutschen Gärtner, für die Gärtnerei eine besondere Ge fahrenklasse einzurichten, hat also nach den oben genannten Zahlen seine vollständige Berechtigung. Eine Erwiderung erschien in Nr. 19 der „Norddeutschen All gemeinen Zeitung“ vom 22. Januar, diese lautet: Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung brachte in ihrer Nr. 6 einen Artikel aus West falen, in welchem die Gärtner über hohe Beiträge zur land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Klage führen. — Der am 15. d. M. in Hamm tagende „Verband der westfälischen Handels gärtner“ beschäftigte sich auch mit dieser Frage; die in diesem Artikel geführten Klagen wurden als berechtigt anerkannt und der Inhalt des Artikels gutgeheissen. Besonders war es der Ausdruck „Facharbeiter“, welcher hier einer Kritik unterzogen wurde; es wurde dabei betont, dass der Ausdruck „Facharbeiter“ fast von jeder Behörde anders gedeutet würde, und dass hierin der Grund der vielen Klagen über die verschiedenartige Veranlagung der Gärtner zu den Beiträgen der Berufsgenossenschaft zu suchen sei. Es be steht ein Unterschied zwischen einem Facharbeiter im Sinne des Wortes und zwischen einem Facharbeiter im Sinne des Unfallver sicherungsgesetzes. Wenn man von dem Gelegenheitsarbeiter im landwirtschaftlichen Betriebe absieht, so kann man wohl jede im landwirtschaftlichen Betrieb beschäftgte Person als Facharbeiter resp. Facharbeiterin ansehen, denn auch diese müssen zur Ausführung ihrer Arbeiten eine bestimmte Fertigkeit besitzen, die ohne weiteres nicht jedem eigen ist. Also im Sinne des Wortes ist jede tätige Person in einem bestimmten Fach tätig, also Facharbeiter oder Facharbeiterin, auch der Ackerknecht und die Viehmagd können als Facharbeiter angesehen werden. Etwas anderes bedeutet aber das Wort „Facharbeiter“ im Sinne des Unfallversicherungsgesetzes. Hier ist nur ein bestimmter Personenkreis als Facharbeiter bezeichnet, und von diesen auch wiederum ein Teil: Nur dann, wenn diese in einem landwirtschaftlichen Betriebe dauernd beschäftigt sind, wie z. B. die Stellmacher, die Schmiede, die Maurer, die Zimmerer, die ausserhalb eines landwirtschaftlichen Betriebes zu den erhöhten Bei trägen nicht herangezogen werden. Im Gärtnereibetriebe sind aber alle Gehilfen als Facharbeiter angesehen, und für alle sind die er höhten Beiträge zu entrichten, während im landwirtschaftlichem Be triebe in den seltensten Fällen die für Facharbeiter zu zahlenden Beträge zu entrichten sind. Hierin liegt der Grund der berechtigten Klage, welche auch, wenn die dem Reichstage jetzt vorliegende Reichsversicherungsordnung das Wort „Facharbeiter“ in dem jetzigen Sinne beibehalten will, so bald nicht verstummen wird.