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Nr. 25. Freitag, den 23. Juni 1911. XIII. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis Für Deutschland, Oesterreich md Luxemburg M. 5.— jährl., ür das Ausland M .8.— jährl. Ausgabe jeden Freitag. Bestellungen nimmt jede Postanstalt entgegen. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. Inserate 80 Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille-Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Wummer: Die neue Reichsversicherungsordnung 1. Der Stand der Reblauskrankhelten im Deutschen Reiche. Ausgewählte Schmuckstauden für ßarten und Park 3. Perrennierende Rittersporn- Arten und Hybriden I. Volkswirtschaft — Rechtspflege — Handel und Verkehr — Ausstellungen — Kultur — Nettheiten — Rftanzenkrankheiten and Schädlinge — Fragekasten für Rechtssachen usw. Die neue Reichsversicherungsordnung, i. Am 30. Mai hat der Reichstag in 3. Lesung die Reichs- v e r s i c h e r u n g s o r d n u n g mit 232 gegen 58 Stimmen an genommen. Dagegen Raben natürlich die Sozialdemokraten gestimmt, während sich die Polen der Stimme enthielten. Am 1. Januar 1912 soll das neue Gesetz in Kraft treten, während dem Einführungsgesetz sofortige Rechtskraft verliehen wor den ist. Was die besonderen Interessen der Gärtner anbelangt, so ist in letzter Lesung irgend eine Aenderung nicht ein getreten und man 'kann wohl sagen, daß die Eigenart der Gärtnerei- infolge des tatkräftigen Eintretens von Franz Behrens eine entsprechende Berücksichtigung erfahren hat. Ist es doch auch noch gelungen, in letzter Lesung die Bei- 1 r a g s a b s t u f u n g nach der Unfallgefahr bei der Unfall versicherung herbeizuführen'. Das besondere Interesse der Gärtner erstreckt sich namentlich auf das zweite und dritte Buch, welches die Kranken- und Unfallversicherung behandelt. Was die Krankenversicherung anbelangt, so kommt bei ihr wieder die „Rechtsfrage“ in der Gärtnerei in Betracht. Im Rahmen der Reichsversicherungsordnung hat dieselbe natür lich keine Erledigung finden können, und es wird auch in Zukunft nichttan Streitigkeiten über die Krankenversicherungs pflicht fehlen. Bei der Unfallversicherung interessieren namentlich die Beziehungen der Gärtnerei zur Landwirtschaft. Wir haben uns bereits früher mit den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, soweit sie die Gärtnerei betreffen, beschäftigt, wollen jedoch jetzt, wo der Entwurf Gesetzeskraft erlangt hat, nochmals darauf zurückkommen. Der Gesetz geber hat die Krankenversicherung nunmehr auch auf alle in der Landwirtschaft beschäftigten Per sonen, sowie auf das Gesinde ausgedehnt. Soweit also Gärtnereien in Frage kommen, welche einen landwirtschaft lichen Charakter tragen, sind die in ihnen angestellten Personen jetzt ohne weiteres der Versicherungspflicht unter worfen. Sie erstreckt sich also auch auf die Privat-, Guts- und Schloßgärtner. Auch Obergärtner, Betriebs beamte und andere Angestellte in „gehobener“ Stellung unter liegen der Versicherungspflicht, wenn ihr Jahresarbeitsverdienst 2000 Mark nicht übersteigt. Selbstverständlich sind weiterhin auch die in gewerblichen Gärtnereien beschäftigten Personen der Versicherungspflicht unterworfen. Die beiden für die Krankenversicherung in Betracht kom menden großen Organisationen sind die allgemeinen Ortskrankenkasse n und die Landkrankenkassen, die zwar mit einander nicht in Berührung stehen, aber doch meist nebeneinander existieren werden. Nun sollen die in der Landwirtschaft beschäftigten Personen, ebenso wie die Dienst boten zu den Landkrankenkassen gehören. Bei den Gärtnern wäre nun hier wieder der Streit zu schlichten gewesen, ob ein Angestellter einem gewerblichen oder landwirtschaftlichen Be triebe angehört. Um dies zu vermeiden, ist in § 245 in Absatz 2 eine Bestimmung getroffen worden, nach welcher die in der Gärtnerei, im Friedhofsbetrieb, in Park- und Gartenpflege Be schäftigten nur dann als Mitglieder von Landkrankenkassen anzusehen sind, wenn sie in Teilen landwirtschaftlicher Betriebe tätig sind. Sonst sind sie alle Mitglieder der allgemeinen Orts krankenkasse. Dahin gehören also auch die Privat-, Schloß- und Herrschaftsgärtner, und nur die Gutsgärtner würden den Landkrankenkassen Vorbehalten sein, da sie von dem Betriebe der Landwirtschaft nicht zu trennen sind. Mit dieser Lösung können die Gärtner im großen ganzen sehr wohl zufrieden sein, denn sie gehören nunmehr der Kassen art an, die nach, der Verfassung der Versicherungsordnung die volle Selbstverwaltung besitzt, während diese hei den Land krankenkassen nicht in dem Umfange gewährleistet ist. Die Landkrankenkassen sind mehr auf die Verhältnisse der Land bevölkerung und Dienstboten zugeschnitten, während bei den Ortskrankenkassen Rücksicht auf die gewerblichen Ver hältnisse genommen worden ist. Daraus erwachsen auch für die Gärtner Vorteile, und zwar namentlich bei der Bemessung der Leistungen, wie Franz Behrens in einem Artikel, dem wir hier in der Hauptsache folgen, sehr richtig hervorgehoben hat. Bei den Ortskrankenkassen wird nämlich dem Grundlohn, welcher für die Leistungen der Kassen maßgebend ist, das „durchschnittliche Tagesentgelt“ oder der „wirkliche Arbeits verdienst“, bis zu 5 bezw. 6 Mark, zugrunde gelegt, während bei den Landkrankenkassen, die Satzung den „Ortslohn“ als Grundlohn bestimmen kann, der natürlich in den verschie denen Orten vielfach von einander abweichen wird. Das Krankengeld soll aber die Höhe des halben Grundlohnes aus machen. Besteht eine Ortskrankenkasse nicht, so müssen, außer den Gutsgärtnern, auch alle übrigen Gärtnereiangestellten den Landkrankenkassen angehören. Um ihnen jedoch für diesen Fall die Vorteile zu sichern, die sie als Mitglieder einer Orts krankenkasse haben würden, wurde in § 196 Absatz 2 folgende Bestimmung getroffen: „Dabei ist der Grundlohn jedoch für Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung sowie für Fach arbeiter nach § 195 festzusetzen. Das gleiche gilt in Bezirken ohne allgemeine Ortskrankenkassen für diejenigen Versicherten, die einer solchen nach der Art ihrer Beschäftigung anzugehören hätten.“ Die Gehilfen in Gärtnereien sind aber nach einer Vorschrift des Entwurfes in § 918 als „Facharbeiter“ anzusehen. Ist dies doch eine der bedeutsamsten Errungen schaften, welche die gärtnerischen Arbeitnehmer sich erkämpft haben. Sie werden also die Vorteile der Ortskrankenkassen auch dann genießen, wenn sie einer Landkrankenkasse zuerteilt werden. Die dritte Gruppe von Krankenkassen sind die sogenannten Ersatzkassen, eingeschriebene freie Hilfs kassen, welche dieselben Leistungen gewähren, wie die staat liche Krankenversicherung. Das Gesetz bestimmt, daß die Angehörigen solcher Hilfskassen von der Zugehörigkeit zu Landkrankeukassen nicht befreit sein sollen. Wer also einer solchen Ersatzkasse angehört, die im Geltungsbereich einer Landkrankenkasse liegt, muß auch dieser letzteren noch ange hören. Damit wäre die „K ran kenk ässe für deutsche Gärtner“ in Hamburg in Frage gestellt gewesen, denn es würden ihr wohl alle diejenigen Mitglieder entzogen worden