Volltext Seite (XML)
Nr. 19. Freitag, den 12. Mai 1911. XIII. Jahrgang. Der Handelsgärtner Abonnementspreis Für Deutschland, Oesterreich und Luxemburg M. 5.— jährl., für das Ausland M. 8.— jährl. Ausgabe jeden Freitag. Bestellungen nimmt jede Postanstalt entgegen. Handelszeitung für den deutschen Gartenbau Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. Inserate 30 Pfennige für die vier gespaltene Nonpareille - Zeile, auf dem Umschlag 40 Pfennige, im Reklameteil M. 1.— für die zweigespaltene 105 mm breite Petit-Zeile. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: dartenbau auf Moorboden II (Schluß). Das Recht zur Fortführung der alten Firma bedarf nicht der schriftlichen Übertragung. Die Hauptversammlung des Kreisverbandes pfälzischer Obstbauvereine. Der deutsche Gartenbauhandel im I. Quartal 1911. Volkswirtschaft — Rechtspflege — Handel und Verkehr — Zollwesen — Neu heiten — Pflanzenkrankheiten und Schädlinge — Fragekasten für Rechtssachen usw. Gartenbau auf Moorboden. n. (Schluß.) Auch der Worpsweder Malerkolonie stattete Echtermeyer einen Besuch ab. Dann wandte er sich nach Oldenburg, um das Nordmoslesfehn einer Betrachtung zu unterziehen. Hier fand er auf Moor die prächtigsten Rhododendron-Kul- turen, von solcher Ueppigkeit und Schönheit, wie sie ihm zuvor nie vorgekommen waren. Das dortige abgetorfte Hoch moor in der Nähe des Hunte-Ems-Kanals ist nicht verändert. „Die angepflanzten Rhododendron“, sagt Echtermeyer, „haben sich zahlreich ausgesät, so daß förmliche Buschpflanzungen entstanden sind. Die Tausende von Sämlingspflanzen sprechen zu uns und weisen uns auf einen klaren Weg.“ Unbefriedi gend blieben dagegen die angestellten Versuche mit Obstge hölzen. Es folgte sodann eine Besichtigung der gewaltigen fiska lischen Moorflächen „Königsmoor“, „Auricher Wiesmoor“ und „Marcardsmoor" von Leer aus. Handelsgärtner Neu meyer war hier der Führer. Derselbe hat selbst Moorbeet kulturen nach holländischem Kulturverfahren angelegt und auf dem ehemaligen Oedeland werden heute Rhododendron, Aza leen, Kalmien, Buxus, Taxus, Koniferen und andere Moorbeet pflanzen gezogen, die den aus Holland eingeführten in nichts nachstehen. Steinmeyer hat das holländische Verfahren, weil es zu kostspielig erschien, aufgegeben. Er läßt heute das Moorgrünland tief umstürzen und eine dünne Erd- oder Sandschicht drüber bringen. Diese Arbeit wird im Winter in der arbeitslosen Zeit vorgenommen. Die Düngung erfolgt gleichfalls im Winter. Es wird ausschließlich Kunstdünger (Kalk, Thomasmehl, Kali) verwendet. Die so behandelte Fläche steht nun im Frühjahr zur Bepflanzung als gebrauchsfähiges Land zur Verfügung. Auf diesem Boden gedeihen auch Obstbäume vortreff lich. Man hat gute Erfahrungen mit dem Anbau von Birnen und Steinobst gemacht. (Williams’ Christbirne, Duchesse d’Angouleme, doppelte Philippsbirne, von Tongre, holländische Zuckerbirne, Clapps Liebling usw.). Baumschulenbesitzer Kommerzienrat Hesse in Weener äußerte sich dahin, daß man in Deutschland die Moore, nament lich die Niederungsmoore, ebensogut ausnutzen können wie in Holland. Auch könne man durch Auffahren von Moorboden den sterilsten Sandboden und den undurchlässigsten und un fruchtbarsten Ton zu dem • allerfruchtbarsten Humusboden machen. „In unseren Mooren“, sagte er“, ist ein so reicher Schatz für Deutschlands Wohl aufgespeichert, daß man nicht zögern sollte, diesen Schatz zu heben.“ Das „gelobte Land“ der Moorkulturen ist bis jetzt Hol land geblieben, dem sich Echtermeyer zuwandte, nachdem er die Hauptkulturen Deutschlands gesehen hatte. Er begann seine Studien in Sappemeer in der Baumschule der Firma Vankalkan, derenMoorland bereits vor 200 Jahren abgetorft worden ist. Er fand hier einen praktischen Handkultivator zur Leitung und Reinhaltung des Bodens vor, den er sofort in Dahlem eingeführt hat und der vom Schlossermeister Schuster in Potsdam bezogen werden kann. (Preis 30 M.) In Groningen schloß sich Baumschulenbesitzer H. Taconis, Mitinhaber der Firma Wijbren Krijns & Co. aus Joure an, der den Verfasser in die besten holländischen Hoch- und Niederungsmoore einführte. Das Hochmoor liegt in drei grö ßeren Komplexen, dem Groningen-Drenter, dem Overijseler und dem Nordbrabant - Limburger Gebiet. Niederungsmoore treten überall auf. Echtermeyer lobt die holländische Be triebsamkeit, mit welcher die holländischen Moore ausgenutzt und zu Quellen des Reichtums gemacht werden. In Aalsmeer besichtigte er die Kulturen der Firma de Vries, welche zum Treiben große Mengen Flieder, Maiblumen, Rhododendron heranzieht. Von Paeonien, Koniferen und anderen immergrünen Gehölzen waren vortreffliche Bestände vorhanden. In Bos- koop, wo gegenwärtig 300 Firmen vorhanden sind, darunter 50, die nach Deutschland exportieren, waren es die Baum schulkulturen, welche in erster Linie zur Bewunderung zwingen. Großes Interesse beanspruchte auch die Weintreiberei der Firma van der Berg in Naaldwijk. Nicht weniger als 65 Häuser sind mit Reben, überwiegend mit der Sorte Gros Col man, bepflanzt, von denen das größte Haus eine Länge von 160 m, bei einer Breite von 7,50 m aufweist. Die meisten Trauben gehen nach England. Echtermeyer hat auf Grund seiner in Deutschland und Holland gewonnenen Erfahrungen ein Verzeichnis der für Moorkulturen in Frage kommenden Obst- und Gemüsearten aufgestellt, das unsere Leser in dem Werkchen selbst einsehen mögen. Er macht schließlich auf Grund seiner Studien für Deutschland folgende beherzigens werte Vorschläge: 1. Es sind gärtnerische Versuchsstationen auf Moor einzurichten, die sich auch an bestehende landwirt schaftliche Versuchsstationen anlehnen können, aber von tüchtigen Gärtnern bedient werden müssen. 2. Es sollen ausreichende Staatsstipendien auch für den tüchtigen, jungen Gärtner bereit gehalten werden zu Studien über die Moorkulturen. Auch die Spezialvereine sollen die Gärtner zur Mitarbeiterschaft heranziehen. 3. Die Versuche sollen auf abgetorften und nicht abge- torften Hoch- und Niederungsmoor, auf besandeten und nicht besandeten Flächen, auf gedüngten und nicht ge düngten Ländereien mit Obstgehölzen, Gemüse, Koni feren und anderen immergrüne Pflanzen und Laubgehölzen vorgenommen werden. Große Aufmerk samkeiten hätten ferner die Versuche mit Schutzpflan zungen besonders im Osten unseres Vaterlandes zu erfahren. 4. Die gärtnerischen Versuchsstationen sollen zuerst angelegt werden; auf dem Reitmoor am Kaiser Wil helm-Kanal, dem Auricher Wiesmoor, im Kreise Tel tow und Brandenburg, dem Moorbruch der Oberförsterec Schnecken in Ostpreußen, sowie im Anschluß an diei landwirtschaftliche Moorversuchsstation Neu-Hammer stein in Preußen.