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Nr. 13. Freitag, den 31. März 1911. XIII. Jahrgang. Der Handelsgärtner ÄÄ Handelszeitung für den deutschen Gartenbau und Luxemburg M. 5.— jähri; " gespaltene Nonpareille - Zeile für das Ausland M. 8. jähri. auf dem Umschlag 40 Pfennige, Ausgabe jeden Freitag. im Reklameteil M. 1.— für Bestellungen nimmt Herausgegeben von Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. die zweigespaltene 105 mm | jede Postanstalt entgegen. ° 8 ” I breite Petit-Zeile. Beachtenswerte Artikel in vorliegender Nummer: Die Lehrlingsfrage und der Deutsche Gärtnerverband. Haftet der Angestellte für Beschädigungen? Wandlung und Schadenersatzanspruch beim Kaufe keimenfähigen Rübensamens. Die wintergrünen Leucothoe-Arten. Die Bedeutung des neuen Dingemittels Kalisilikat Marke „Eifellith“. Situationsbericht über den Stand und die Ernte von Konservengemüse in Braun schweig und Umgebung. Volkswirtschaft — Rechtspflege — Lohnbewegung — Handel und Verkehr — Zollwesen — Kultur — Fragekasten für Rechtssachen usw. Die Lehrlingsfrage und der Deutsche Gärtner-Verband. Die nahende Frühlingszeit hat den Deutschen nationalen Gärtnerverband bewogen, seine „Deutsche Gärtner-Zeitung“ in der ersten Märzwoche zu einer „Jugendnummer" zu ge stalten, in welcher auch das gärtnerische Lehrlingswesen be handelt wird. Es ist ganz interessant, einmal zu sehen, wie in diesem Lager die Lehrlingsfrage aufgefäßt wird. Die maß losen Uebertreibungen und Fälschungen der Tatsachen, mit denen Albrecht in der „Allgemeinen Deutschen Gärtnerzeitung, auch in der Lehrlingsfrage angezogen ist, sind ja zur Genüge bekannt und bedürfen keiner Zurückweisung mehr. Je mehr die Helden dieses Blattes auf den „Handelsgärtner“ schimpfen, desto mehr fühlen wir, daß wir immer im Hechte sind und werden auch weiterhin unser Ziel in dieser Richtung verfolgen. Zunächst wird es im Organ des „Deutschen Gärtnerver- ■ bandes“ beklagt, daß das gärtnerische Lehrlingswesen nicht einheitlich geregelt und daß die Rechte des Lehrlinghaltens, nicht von der Befähigung des Lehrherrn, einen Lehrling aus zubilden, abhängig gemacht sei. Es liegt aber auf der Hand, daß nicht von Fall zu Fall ein Befähigungsnachweis ge fordert werden kann. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, daß in gärtnerischen Betrieben gewerblichen Charakters die Vorschriften der Gewerbeordnung gelten, welche die Ausbeutung der Lehrlinge (Verhältnis der Lehrlinge zur Gehilfenzahl) und gegen das Halten von Lehrlingen seitens nicht makelloser Gärtner geeignete Vorschriften enthält. Das Eindringen kör perlich zurückgebliebener Knaben in die gärtnerische Lehre aber hat zweifellos nachgelassen, nachdem die Arbeitgeber in den letzten Jahren energisch gegen die Annahme geistig und körperlich minderwertiger Arbeitskräfte Front gemacht haben und auch wir im „Handelsgärtner“ durch aufklärende Artikel und versandte Flugblätter diesen Uebelstand, nachdrücklich be kämpft haben. Freilich in landwirtschaftlichen Betrieben sind keine gesetzlichen Handhaben, wie die erwähnten gegeben, da hier das i bürgerliche Recht maßgebend ist, welches gerade den Dienst vertrag sehr dürftig geregelt hat. Indessen findet auch nach diesem Recht der Lehrling, der vernachlässigt wird, dessen Ausbildung leidet, seinen Schutz, denn die Vorschriften über die Fürsorgepflicht sind auch auf die Lehrverhältnisse anzu- ; wenden. Sonach vermögen wir es nicht ohne weiters zu unter schreiben, wenn es in dem fraglichen Artikel heißt: „In unserem Berufe, dem so viel gerühmten und geliebten Gärtnerberufe, herrscht hingegen in dieser Beziehung ein Chaos von Miß ständen, ungesündesten Verhältnissen und zügelloser „Stifte kultus“, wie sich einst ein mit Witz begabter bedeutender Fachmann äußerte, die ihre Ursache leider so vielen, eigenartig gepflegten, überspannten Hoffnungen und Anschauungen ver dankt, nicht zuletzt aber auch dem energielosen, untätig zuschauenden Arbeitnehmer unseres Berufes und der Gewissens schwäche eines großen Teiles unserer Lehrlingsprinzipale“. Wir geben ohne weiters zu, daß noch Mißstände ver kommen und daß das Los der Lehrlinge in manchen Gärtnereien nicht gerade ein glückliches ist, aber im großen ganzen sind doch die Zustände in den deutschen Gärtnereien weit besser geworden und sie werden sich noch mehr bessern lassen, wenn erst die Gesamtlage der Gärtnereien in Deutschland auf ein höheres Niveau gestellt ist. Das würde auch auf die Lehr lingshaltung einen wesentlichen Einfluss ausüben: Daß heute in manchen Betrieben der Lehrling noch der „Junge für Alles“ ist, könnte nur ein Blinder bestreiten, aber das sind häufig auch Lehrlinge, die sich unanstellig, unwissend und ohne Vor wärtsstreben erweisen und nur langsam zu besseren Arbeiten herangezogen und verwendet werden können. Ein tüchtiger junger Mann sorgt schon selbst, daß er vorwärts kommt und Eltern oder Vormund können eine ordnungsgemäße Lehrtätigkeit für ihn beim Arbeitgeber fordern. Es ist ferner nicht richtig, daß es heute dem gärtnerischen Lehrherrn nur auf die „billige rohe Arbeitskraft“ ankomme. Im Gegenteil, wir sehnen uns in den gärtnerischen Betrieben nach jungen intelligenten, wissensdurstigen Leuten, die Freude am Gärtnerberufe haben. Daran ist aber Mangel und die zu geführten Lehrlinge, denen man ihre geistige Befähigung nicht an der Nase ansieht, zeigen sich leider oft hinterher den ge steigerten Anforderungen unserer Zeit nicht gewachsen und müssen zur Erlangung größerer Sicherheit in den Grundar beiten in einer allerdings weniger angenehmen Tätigkeit be schäftigt werden. „Die Tragödie, welche die „Deutsche Gärtner-Zeitung“ von den intelligenten jungen Leuten entrollt, die mit Lust und Liebe zur Gärtnerei kommen und ihr enttäuscht wieder den Rücken kehren, hört sich so ergreifend an. Man fühlt Mitleid mit den armen intelligenten jungen Leuten, die in der Lehre verkümmern, selbst an ihren Fähigkeiten verzweifeln, ihr Selbstbewußtsein verlieren und geistig zum Krüppel werden. Aber diese „Opfer“ des gärtnerischen Berufes tragen in vielen Fällen selbst die Schuld. Die intelligenten Lehrlinge kommen schon vorwärts und werden auch intelligente Gehilfen. Sind sie in einer Lehre, wo sie nicht die nötige Unterweisung finden, so werden sie selbst bald genug sich um eine andere Lehre bemühen oder sollten ihre gesetzlichen Vertreter bitten, auf die eine oder andere Weise Wandel zu schaffen. Ohne weiteres geben wir zu, daß die Lehrlingszüch terei auf den Gütern auch noch in manchen Handelsbetrieben noch ein großer Uebelstand ist. Diese „Lehrlingsgroßkulturen", die besonders in den ostelbischen Gütern zuhause sind, bilden einen wunden Punkt in der Gärtnerei und wir werden in einem zweiten Artikel auf sie besonders eingehen. Die nahende Osterzeit rechtfertigt es ja, sich jetzt mit der Frage des Lehr lingswesens in unserem Berufe wieder zu beschäftigen.