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Ho. 44. Steglitz-Berlin, den 29. Oktober 1904. XIX. Jahrgang. Eigentum des Verbandes der bandelsgärtner Deutschlands. Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Huslandes. Das „Bandeisblatt für den deutschen Gartenbau usw.“ erscheint am Sonnabend jeder Woche. Rbonnementspreis für Dicht-Uerbandsmitglieder in Deutschland und Oesterreich-Ungarn pro Jahrgang 8 Mk. 50 Pf., für das übrige Husland 10 Nh., für Uerbands-Mitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Bandelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregister des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig. Gegen den Kost- und Logis-Zwang. Ueber dieses Thema schreibt die Allg. Deutsche Gärtner- : Zeitung, das Organ des Allg. Deutschen Gärtner-Vereins: „Zur Bekämpfung des Kost- und Logiszwanges beim Arbeitgeber hatten sich in einer am 12. Oktober 1903 in Berlin stattgefundenen Sitzung eine Reihe von Verbands vorständen (darunter hat auch der Vorstand des A. D. G.-V. seine Zustimmung gegeben) dahin geeinigt, eine Zentralstelle einzusetzen, deren Aufgabe es sein sollte, Material über diese Missstände zu sammeln und unter Hinzuziehung juristischer und parlamentarischer Sachverständiger die geeigneten Schritte zur Bekämpfung dieses Missstandes zu beraten. In weiterer schriftlicher Verständigung entschieden sich diese Vorstände dann dahin, dass als diese Zentralstelle eine in Berlin ein zusetzende Kommission, der von jedem beteiligten Verband ein Vertreter angehört, fungieren soll. In ihrer ersten Sitzung am 6. Oktober beriet die Kom mission ihr Arbeitsprogramm, sowie die ersten Schritte zu dessen Durchführung und die Frage der Kostendeckung. Das Ergebnis dieser Erörterungen war die einstimmige An sicht, dass der Kost- und Logiszwang beim Arbeitgeber nicht blos wegen der mit demselben verbundenen hygienischen, sittlichen (!) und wirtschaftlichen Nachteile zu bekämpfen sei, sondern schon aus allgemein gewerkschaftlichen Gründen als ein den modernen Kulturanschauungen und der wirtschaft lichen Freiheit der Arbeiter feindliches System. Es müsse deshalb den Gewerkschaften dringend empfohlen werden, in ihrer Agitatiton gegen das Kost- und Logissystem nicht zu erlahmen und keinen Vortrag allgemein gewerkschaftlicher I Natur vorübergehen zu lassen, ohne die Arbeiter über die Kulturfeindlichkeit des ersteren aufzuklären. Die Kommission soll ihre nächste Aufgabe darin erblicken, das bereits vor handene Material über den Kost- und Logiszwang in beruf lichen Erhebungen und in der Literatur, sowie alle bestehen den Gesetze, Verordnungen und örtlichen Reglements, die auf die Gewährung von Kost und Wohnung Bezug haben, zu sammeln, sichten und auf seine agitatorische und ju ristische Verwertbarkeit zu prüfen. Insoweit dieses nicht ausreicht, soll sie weitere Erhebungen mit Hilfe der be teiligten Organisationen veranlassen und das aus allen diesem gewonnene Material zur Einwirkung auf die Gesetzgebung benutzen. Ferner soll es ihre Aufgabe sein, das erzielte Material zusammenzustellen und agitatorisch zur Verbreitung in der Presse und Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu bearbeiten. Die Gewerkschaftskartelle sind zur Mitarbeit nach Möglichkeit heran zuziehen, namentlich zur Information der Kommission über örtliche Reglements betr. Wohnung:- und Schlafstellenwesen. Auch die Behandlung der ganzen Angelegenheit auf dem nächsten Gewerkschaftskongress wurde in Erwägung gezogen. Zur besseren Regelung des Arbeits feldes wurde ein engerer Ausschuss von 5 Personen eii - gesetzt." Abschaffung des Kost- und Logiswesens ist von jeher eine Forderung des Allg. D. G.-V. gewesen, sie wird es jetzt, wo der Verein im Fahrwasser der Gewerkschaften segelt, noch mehr sein. Wie wir über die Frage denken, haben wir zu verschiedenen Malen ausgeführt, wir sind der Ansicht, dass eine allgemeine Aufhebung des Kost- und Logiswesens in der Gärtnerei ganz zweifellos an den Ver hältnissen scheitern wird. Wir gehen noch weiter und be haupten, dass in vielen tausenden von Fällen von einem an geblichen „Missstand“ hier nicht die Rede sein kann, ja, dass die Aufhebung des Kost- und Logiswesens ein direkter Nachteil und Schaden für viele Arbeitnehmer wäre, über diese Tatsachen kommt man mit Phrasen von „modernen Kultur- anschauungen", „kulturfeindlichem System“ usw. nicht hin weg. Einzig und allein der erstrebte Einfluss auf die Arbeit nehmer ist die Triebfeder der Agitation der Gewerkschaften gegen das Kost- und Logiswesen, je mehr auch äusserlich der Arbeitnehmer vom Hause und aus dem Familienkreise des Arbeitgebers losgelöst wird, desto leichter wird er agi tatorischen Einflüssen zugänglich. Und weiter hat es keinen