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Mit besonderer BerüeksiebtlSung äer Antbroxologie unl! EtbnotoZle. Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von Di. Richard Kiepert. Htnniri Jährlich 2 Bände ü 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstallen 1 o 7 >7 O tUItsU)lvrlH zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. Io t t Eine Reise in Griechenland. (Nach dem Französischen des Hrn. Henri Belle.) IV. Von Theben ilbcr Tanagra nach Challis und Achmed-Aga auf Euböa. Die paar hundert Häuser von Theben (Fiwa im Volks munde genannt), welches im Jahre 1870 eine Bevölkerung von 3050 Seelen zählte, stehen auf ciuer kleine» Hochebene von circa SO Meter Höhe, welche nur nach Süden mit den nächstliegenden Erderhebungen zusammcnhängt und der anti ken Stadtburg Kadmeia entspricht, deren Ringmauer stellen weise noch deutlich erkennbar ist. Nur eine baufällige aus dem Mittelalter stammende türkische Wasserleitung, welche eine nahe Quelle in die Stadt führt, überbrückt die Thal- senkung. Der Ort besteht fast nur aus einer einzigen ziemlich breiten Straße, welche mit kleinen, schmalen, meist einstöckigen Häusern besetzt ist. Zu ebener Erde liegen Kauf läden, gegen die Witterung durch große Schutzdächer aus Brettern, die auf roh behauenen Pfosten ruhen, gedeckt. Diese Wetterschirme ziehen sich ohne Unterbrechung durch die ganze Straße und bilden so eine Art Gallerie, unter welcher an den hier häufigen Regentagen die Einwohner spazieren gehen. Unter den Häusern befanden sich damals noch viele, welche zwei Jahre zuvor infolge eines Erdbebens zum Theil ein gestürzt waren und Spalten und Risse zeigten. In den Straßen wogte es von Landleuten aus der Nach barschaft auf und ab, da es der Vorabend eines der 180 Feiertage war, welche der orthodoxe Kalender vorschreibt; im überfüllten Kani hätte cs deshalb eine schlechte Nacht gegeben, aber der Vermittelung des Demarchen (Bürger meister) verdankte der Reisende ein Nachtlager bei einem Bürger der Stadt. Die ganze Nacht hindurch heulte ein wüthender Sturm durch die Straßen und entlockte den Hun derten von Lämmern, die dort angebunden waren, jämmer liche Töne, denen die Schafherden der Bürger Antwort ga ben. Eine der großen vier Fastenzeiten war gerade zu Ende gegangen, und nun rüsteten sich die Thcbaner, der vierzig tägigen Ernährung mit salzigen Oliven, Caviar und geschmack losem Grünkram müde, ein schwelgerisches Pallikarcnfest zu feiern. Jede Familie kauft zu diesem Behufe ein Lamm, welches, wenn das Hans dazu nicht ausreicht, auf dem Hofe oder der Straße geschlachtet und gebraten wird. Dieser starken Nachfrage zu genügen, waren schon vor mehreren Tagen die wlachischen Hirten vom Helikon und Parues hinabgestiegen und hatten mehr als tausend Opferlämmer herbeigetrieben, unter denen von Tagesanbruch an die edlen Thcbaner ihre Auswahl trafen. Schon um 4 Uhr Morgens zeigten Flintenschüsse und lautes Getümmel den Beginn des Festes an. Denn wie für die Beduinen, die Neger und zahl reiche andere civilisirte und uncivilisirte Völker, so bezeichnet auch für die Griechen die höchste Lust der Knall des Pul vers; weder Taufe, noch Hochzeit, noch Begräbniß findet statt, ohne daß die Gewehre ihr Wort darein reden, und selbst bei der Aufstellung eines politischen Candidaten oder der Proclamirung eines Abgeordneten wird geschossen, nicht ohne daß dabei geplante oder unabsichtliche Tvdtungen statt finden. Bald drängte sich in der Hauptstraße die malerische Menge der Bewohner Thebens und seiner Umgebungen, jeder eine brennende Kerze in der Hand; voran die Geistlichkeit, deren näselnde Gesänge die gedämpften, summenden Litaneien Globus XXXI. Nr. S. 11