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jüngster Zeit ertönen von neuem eindringlicher und öfter die X Klagerufe über den Verfall unserer Musik. Auffallend ist es, das; unter den Männern, welche Klagelieder anstimmen, gerade solche sich befinden, deren Werke einst dem Publikum Schauder einflößten. Mag sein, daß in diesen Leuten selbst größere Veränderungen vor sich gegangen sind, daß sie, die früher revolutionären Ideen gehuldigt haben, nun reaktionärer gesinnt sind. Die Kunst wird wohl aber auch wieder ein mal eine Richtung eingeschlagen haben, welche zu ernsteren Bedenken Anlaß gibt, die nicht mehr einen Fortschritt bedeutet, sondern einem Ver fall entgegenführt. Der größere Teil des Publikums nimmt an den inneren Wand lungen in der Kunst zunächst so gut wie gar keinen Anteil. Der nor male Konzertbesucher, der Schwärmer für Hausmusik ist klassisch gesinnt, weil die bewährten Klangverbindungen, die Regelmäßigkeit im Aufbau der Formen der Tonstücke älterer Zeit sein inneres Gleichgewicht nicht stören und weil die Unterhaltung über die bekannten Meisterwerke sich leicht mit den üblichen Redensarten des gesitteten Salontones führen läßt. Bei einem Gespräch über Musik mit dem Normalmenschen wird man einen wärmeren Ton in der Unterhaltung nur dann vernehmen, wenn man Themata wie „Der lustige Ehemann" oder „Die lustige Witwe" be rührt. Für hochmoderne Gerichte ist höchstens, wenn sie mit blutiger Sauce auf silbernen Schüsseln serviert werden, Interesse vorhanden. Sonst wird der klassisch angehauchte Musikenthusiast Alles, was neu und eigenartig ist, verwerfen. Er würde sich sicher den Klängen der Wagnerschen Musik gegenüber, falls sie heute vollständig neu erständen, ebenso feindselig verhalten, wie einst Otto Zahn, der beispielsweise bei der Stelle Lohengrins: „Athmest du nicht mit mir die süßen Düfte" nichts anderes empfinden konnte, als „daß man durch einen süßlichen Schwulst haarsträubender Harmonien hindurchgepeinigt wird, so widernatürlich und unwahr, als die romantische Rhetorik der TeUesworte."