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Ja, die meisten schwärmen eben für klassische Musik aus Bequem lichkeit, denn es kostet wahrhaftig Mühe, sich an die „haarsträubenden Harmonien" neuer Tonstücke zu gewöhnen. Wenn es nun doch einem kleinen Teile gelingt, sich rasch in die Moderne einzuleben, sich selbst für sie zu begeistern, so hat das seine eigene Bewandtnis. Halb zog sie ihn, halb sank er hin, da war's um ihn geschehen! Von innen drängt die Neugier das eigenartig fremde Kunstwerk kennen zu lernen, von außen locken die Rufe eines musika lischen aZent provoLateur. Oder bezeichnen wir die Lockrufe dieser Leute, welche ihrer Partei auf jede Art fanatische Anhänger zuführen möchten, lieber als Kriegsgeheul. Die musikalischen Aufrührer lieben es nämlich gar nicht, im stillen zu arbeiten. Mit lautem Hurra ziehen sie einher, suchen alles mitzureißen, alles unter ihre Gewalt zu bekommen, Sonderlinge sind es, denen nur beim Anhören von Absonderlichkeiten wohl wird. Gar manchem haben verdrehte Vorbilder den Kopf der art verwirrt, daß er nicht mehr klar zu urteilen imstande ist. Leider befinden sich unter diesen musikalischen Anarchisten, deren Hauptschwärmereien die Orchesterinstrumente explosiver Natur: die Schlag instrumente sind, gar viele Dilettanten, mindestens solche, die nicht selb ständig in der Musik sein können. Da sie aus sich selbst heraus nichts tüchtiges fertig bringen und sich auch nicht durch vernünftige Arbeiten vor Extravaganzen schützen, so klammern sie sich an fremde Werke an, suchen dieselben vorwärts zu drängen oder lassen sich von ihnen ziehen. Mit regulären, normalen Kompositionen läßt sich nun zu diesem Zweck nichts anfangen. Was soll da ein in sich versunkenes tiefernstes Musikstück? Hier wird sich nur ein Schaustück als zweckdienlich erweisen. In unsrer Zeit der Geschäftsreklame gibt es auch in der Kunst eine Sorte Menschen, die es in bewundernswerter Weise versteht, immer von sich reden zu machen, harmlose unbedeutende Sachen derart auf- zubauschen, daß sich eine beutegierige Menge mit Wollust auf sie stürzen kann. Durch Reklame, unausgesetzte Reklame, durch starke Betonung von Äußerlichkeiten, durch Verwendung von Mitteln ungewohnter Art — kurz, wie es eben geht, so sucht man die Menge zu fesseln, ihre Neugier zu erwecken. Mit wirklicher Kunst rührt man die Werbe trommel. Ob ihr Klang ein guter ist, danach wird nicht gefragt. Was macht es auch! Die Ohren, denen man etwas vortrommelt, sind ebenso ungebildet oder verbildet wie die Ohren, denen die Musikwerke er klingen.