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mutz der Lehrer dem Schüler die Augen, welche geblendet waren, öffnen und ihn richtig sehen lernen. Die Aufmerksamkeit sei stets auf den Kern einer Sache, aber nicht auf deren Schale gerichtet. Nicht selten wird der Schüler über die Forderungen, die ihm ge stellt werden, über alles, was er zu tun und zu lassen hat, seufzen. Aber auch der Lehrer wird seine Sorge haben, den Schüler richtig zu beeinflussen, ihn zeitgemätz, natürlich musikalisch denken zu lernen. Sitzen doch oft beim Unterricht Schüler nebeneinander, von denen der eine schreibt, wie man vor 50 Jahren nicht mehr hätte schreiben sollen, von denen der andere Sachen zu Papier bringt, die an Unverstand die tollsten Werke der Gegenwart zu überflügeln bestrebt sind. Nun heitzt es die Mittel zu finden, um ersteren vorwärts zu treiben, letzteren zurückzuhalten. Sinnwidrig und zwecklos ist es wohl, sich in einer musikalischen Ausdrucksweise, die einer vergangenen Zeit angehört, zu bewegen. Wer Themen erfindet, die in den Fortschreitungen, in den Harmonien, in den Begleitungen etwa den Sonaten von Clementi nachgebildet sind, den mutz man zwingen, modern zu denken, sich musikalisch, wie es jetzt üblich ist, 'auszudrücken. Zweifelsohne hat der angehende Komponist, um eine Beweglichkeit in der Form zu erlangen, möglichst viele der bisher verwendeten reinen und Übergangsformen nachzubilden. Aber wohlgemerkt, die Formen allein sind nachzubilden,' mit neuem, möglichst eigenartigem Inhalt müssen sie ausgefüllt werden. Man scheue die Mühe nicht, alle gewöhnlichen Wendungen zu vermeiden, alle abgenutzten Ge meinplätze beiseite zu lassen. „Meister ist Jeder und gleich ein Jeder den Grötzten und Besten, wenn er das Eigenste gibt, was er wie Keiner vermag." Den Menschen veranlassen, das musikalische Innen leben, welches in ihm ruht, zu offenbaren, in wohlgeordneten Sätzen musikalisch sprechen zu lernen, das heitzt, ihm die Komposition lehren. Während früher das Bestreben vorhanden war, aus den Motiven Sätze zu bilden, werden jetzt die Motive gar häufig nur nebeneinander gestellt, ohne datz eine innere Entwicklung vor sich geht, eine Steigerung erzielt wird. Es ist ein schnelles Umspringen in den Ideen, eine Art musikalischer Feuilletonstil, den man bevorzugt. Das ist wohl in ein zelnen Fällen gut angebracht, bei Burlesken und scherzhaften Sätzen von bester Wirkung, der grötzere Teil der Kompositionen, namentlich diejenigen, in denen längere Themengruppen sich gegenübertreten und eventuell in Durchführungen in Verbindung kommen sollen, verlangt aber streng einheitlich aufgebaute, langatmige Melodien.