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fährwäfler, vielleicht der letzte, denn erstens könnte die Sache schief gehen, und zweitens wurden die Zollgesetze geändert. In wenigen Minuten hatte das Boot den Molenturm im Rücken und jagte mit Vollgas der HoheitsgrenzL und dann seinem Ziel — Libau — entgegen. Die „Sturmbö" machte trotz des aufkommenden groben Nordwests gute Fahrt. Kapitän Vieth hockte in der Kajüte und überschlug zum wer weiß wievielten Male seinen Gewinn an der Sache. Schade, daß die schöne Masche im Gesetz zugezogen werden sollte. Ein Glück, daß Katuteit aus Libau das noch nicht wußte. Schließlich mußte das Boot 24 Stunden vor der in Sicht gekommenen Libauer Küste im Sturm herumkreuzen. Das stand nicht im Programm. Dann besserte sich das Wetter, und eine stockdunkle Nacht senkte sich auf das Meer. Vieths Leute hatten die Karabiner im Arm. Sechs Augenpaare suchten lauernd den Horizont ab; der litauischen Zöllner wegen. Mit der Uhr in der Hand lenkte Vieth selbst sein Boot, dessen Lichter abgeblendet waren. Die Unruhe stieg von Minute zu Minute. Der Treffpunkt war erreicht. Warum kam Katuteit nicht? Du Plötzlich westwärts ein LickMgnal: lang — kurz — kurz — lang, — das war er. Dasselbe Signal gab Vieth zurück, dann wurde es wieder ruhig, und langsam schoben sich die Fahrzeuge näher. Nach einigen' Minuten legten sie längsseits fest, und ein Mann sprang in Vieths Boot: Katuteit. Die beiden stahlen sich nicht ihre Zeit mit langer Be- tzrüßungszeremonie. „Alles in Butter?" — „Ja." j „Wieviel?" — „800!" „Gut." Ein Wink. Die Bootsbesatzung warf sich in fieber hafter Eile die Kanister zu, die ebensoschnell in Katuteis Boot Verstaut wurden. Stück für Stück, Katuteit zählte. Proben entnahm er nicht. Sauberkeit im Geschäftsverkehr war un geschriebenes Schmugglergesetz, schon wegen der weiteren Ge schäftsverbindung. Schließlich war alles übernommen. Katuteit und Vieth beschäftigten sich gerade mit der geldlichen Regelung ihres Handels, die ersterer merkwürdigerweise hinauszögerte, als plötzlich die Besatzung an Deck in Bewegung geriet. Rufe wurden laut. Die beiden Ehrenmänner stürzten nach oben. Kommandos wurden laut, drohende Karabinerläufe hielten die Schmuggler in Schach, als das Zollboot anlegte. „Verflucht, wer hat das verpfiffen?" knurrte Vieth und schlich an seinen Motor. Katuteit schwang sich auf sein Boot. Die Zöllner nahmen ihn in Empfang und dann gab es auf regende Minuten. Vieth gelang es seinen Motor anzuwerfen, und dann ging es los, in die Dunkelheit hinaus. Merkwürdig leicht glückte die Flucht. Warum schoflen die Kerle nicht? Vieth spuckte nachdenklich seinen Priem über Bord. Das war ein Problem für ihn. — Auf Katuteits Boot gab es großes Hallo, als sich die an geblichen Zöllner in waschechte Matrosen verwandelten. Katu teits Schachzug war geglückt; auch er wußte, daß diese Geschäfte ohnehin zu Ende gingen. Man trank sich nach alter Art und Sitte einen an, feierte das Geschäft und brachte in derselben Nacht die wertvolle La dung an den Mann. Und das war ein grober Kerl. Katuteit mußte am anderen Tag auf ein paar Wochen ins Kranken haus, wegen der wassergefüllten Kanister, denn er konnte seinem Abnehmer nicht glaubhaft machen, daß Vieth der Schweinehund war. Und Vieth nennt sich seitdem nicht mehr Kapitän. Er fährt als „erster Mann" die Strecke Danzig—Kopenhagen; aber bei leibe nicht nach den baltischen Häfen, wegen Katuteit und so. In den „Silbernen Leuchtturm" geht er auch nicht mehr. Der Galgen aur Flittergold Von vr. Hans Brunotte. Es liegt nahe, auch in Friedrich dem Großen ein Kind seiner Zeit zu erblicken, wenn man ihn in seiner Stellung nahme zu der dunklen Zunft der Goldmacher betrachtet. Aber selbst von dieser seltsamen und ungewohnten Seite gesehen, steigt die Gestalt des größten Preußenkönigs um so ver ehrungswürdiger vor unseren Augen empor, offenbart sich doch auch in diesen Händeln sein unbegrenztes Verant- tvoriungsbewußtsein dem Vaterlande gegenüber und die ge radezu ängstliche Sorgfalt, mit der er bei solchen Experi menten das eigene Vermögen von den ihm nur als dem ersten Diener des Staates anvertrauten amtlichen Geldern zu trennen wußte. Feststeht, daß er die Finanzierung der ge wagten Versuche stets zu Lasten der eigenen Tasche vorge- nommen hat. Das ist ihm oftmals recht sauer geworden. So geriet er stark in die Klemme, als er im Jahre 1753 -amrä unbesonnen", wie er leibst einacsteht. sich mit dem Alchemisten Drop eingelassen und ihm ckin Jahresgehalt von achttausend Talern versprochen hatte. Diese große Summe vermochte er nicht mit einem Male aufzubringen. Denn nach seinen eigenen Worten betrachtete er die Staatskasse „stets als Bundeslade, die keine profane Hand anzutasten wagt". Der vielgewandte Kammerdiener Fredersdorf mußte helfend ein- springcn. Er brachte einen Vergleich zustande, in dem sich der Goldmacher mit der einmaligen Zahlung der Summe von achttausend Talern begnügte, die dann allmählich und in Raten aufgetrieben wurde. Friedrich der Große empfand das schwerste Mißtrauen gegen die Alchemisten. Aber aus Gründen des Staatswohles — „da die umbstände auf den grentzen fangen wieder an ver worren zu werden" — hat er sich doch verpflichtet gefühlt, auch diesen rätselvollen Dingen näher zu treten. „Ich bin wie Tomas", schreibt er an seinen Kammerdiener Freders dorf, „weis Meiner-Sehlen nicht, ob es glauben soll oder nicht..." Durch diesen seinen Getreuen, dem er unbedingtes Vertrauen schenkte, gelangte 1753 das Angebot eines Gold machers an ihn, das der König jedoch zunächst ablehnte, denn diese Leute seien nicht besser als die Kurpfuscher. Mit der in einem späteren Briefe an den Kammerdiener auftauchen den Alchemistin „Madame Nothnagel" hat er sich verschiedene Male eingelassen. Anfänglich verwarf er die Angelegenheit kurzweg als „Windt und betrug". Dann hat er sich jedoch sogar bereit erklärt, die Frau zu empfangen. Doch sollte sie m Mannskleidern erscheinen. Fredersdorf erhielt den Auf trag, das von der Alchemistin hergestcllte Gold zur Prüfung in die Münze zu schicken. ObUmhl sich alles zum zweiten Male zerschlug, durfte Madame Nothnagel dennoch ein drittes Mal in Tätigkeit treten. Dann aber hörten diese Versuche endgültig auf. Die im Jahre 1926 erschienenen dreihundert Briefe des Königs an Fredersdorf vermitteln dem Geschichtsfreunde eine Fülle interessanter Einzelheiten, die nicht nur in höchstem Maße fesseln, sondern auch ausnehmend ergötzlich wirken durch die Art, mit der Friedrich der Große mit der deutschen Recht schreibung umsprang. Geradezu rührend ist die Besorgnis, die aus den vielen ärztlichen Ratschlägen an den treuen, dau ernd kranken und trotzdem rastlos tätigen Diener spricht. „Ich verstehe mehr von anathomie und Medizin wie Du", heißt es an einer Stelle. ' Recht kostspielig verlief der Versuch mit der Alchemistin Frau von Pfuel, über den der bekannte hannoversche Leibarzt Ritter von Zimmermann berichtet. Danach sagte der König in Gegenwart des Ministers von der Horst: „Goldmacherei ist eine Art von Krankheit; sie scheint oft durch die Vernunft eine Zeitlang gehcilet, aber dann kommt sie unvermutet wieder und wird wirklich epidemisch. Beh Fredersdorf hatten sich hier in Potsdam Alchhmisten gemeldet; dieser glaubte fest daran und ließ sich mit ihnen ein. Bald war kein Fändrich in Potsdam, der nicht hoffte, durch Alchhmie seine Schulden zu bezahlen... Aus Sachsen kam eine Frau von Pfuel mit zweh sehr schönen Töchtern, diese trieben das Handwerk kunst mäßig, und junge Leute zumal hielten sie für große Prophe tinnen ... Ich wollte dem Ding mit Gewalt steuern ... Aber die Frau von Pfuel machte die Sache so wahrscheinlich, daß ich alle Versuche erlauben mußte; und daß es mir am Ende weit über die zehntausend Taler kostete, die ich dazu bestimmt hatte." Friedrich der Große ist mit den Leuten, die ihn an der Nase herumführtcn, recht glimpflich umgegangen. So be gnügte er sich bei der Beurteilung einer Alchemistin einmal mit der Bemerkung: „Sie betrügt sich oder uns." Zu anderen Zeiten ist man mit den Goldmachern weniger säuberlich ver fahren. So war aus der Gegend von Neapel ein Hochstapler, der unter dem Namen Don Caetano als Alchemist hei ver schiedenen Fürstenhöfen auftrat, zu Friedrich, dem ersten Preußeukönig, gekommen. Aber da hatte der Abenteurer Un glück. Als seine Schwindeleien offenbar wurden, hängte man den Glücksritter im Jahre 1709 auf Befehl des genasführten Herrschers an einem Galgen auf, der mit Flittergold be schlagen war. Den Spitzbuben selbst schmückte ein „von d-er- gleichen Stoffe gemachtes Romanisches Habit". Nicht lange zuvor war der berühmte Kunckel gestorben, ein Alchemist, den der Große Kurfürst als Geheimen Kammerdiener angestellt hatte. Dieser Goldmacher gehörte zu den ehrlichen Leuten, die über ihr Unvermögen, das begehrte Metall herzustellen, aufrichtig betrübt waren. Kunckel lehrte auch als Professor an der Universität Wittenberg. Auf der Pfaueninsel bei Pots dam richtete man ibm ein Laboratorium ein, wo er feinen alchemistischen Studien oblag. Dieses Institut wurde in Brand gesteckt, als der Große Kurfürst starb. Kunckel ging nach Schweden, wo ihn der König adelte. Der gelehrte Alchemist hieß von nun an Kunckel v. Löwenstern.