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wagen, der Chauffeur hatte sich nach Mynheer van der Straw- tens Wünschen zu richten und so war das Tempo nach Dorits Ansicht sehr madig. Mynheer van der Straaten fuhr me mehr als höchstens fünfzig Kilometer in der Stunde, auch im Freien nicht. Und als man das letzte Kambong passierte, wurde das Tempo gemäßigter, denn nun kam man in das Stadtgebiet von Batavia. Erst ging es durch die neue Stadt, in der die meisten gutsituierten Europäer, aus Gesundheits rücksichten, wohnten. In der neuen Stadt lagen die Häuser weit voneinander getrennt zwischen Fruchtbäumen und Zier sträuchern, inmitten einer reichen Blütenpracht. Diese Häuser waren meist nur einstöckig, selten lag ein zweistöckiges da zwischen, und höhere Häuser gab es überhaupt nicht. Sie hatten alle platt« Dächer und waren mit schönen Veranden versehen. Hier in der neuen Stadt lag das große Harmoaiegsbäude, der Palast des Generalgouverneurs und viele andere schön« und stattliche Gebäude. Das Auto fuhr auch <m dem wundervollen großen Rasenplatz Koningsplein vorüber, der einen Umfang von mindestens einer Stund« hat 'und von herrlichen Gebäuden, von Kirchen, Museen und Klubhäusern umgeben ist. Auch am Theater, am großen Laboratorium und an der Kaserne kam man vorüber uäd überall herrschte ei» reges Leben und Treiben auf Stratzqu und Plätzen. Schließlich saust« das Äutv den vier Kilometer langen Mvlenvliet entlang, der die Neustadt mit der Altstadt ver ludet. Und dann hielt das Auto in der Altstadt vor ver Börse. Hier stieg Mynheer van der Straaten aus und Dorit hatte Glück. Während sie sich von ihrem Vater verab schiedet«, kam «in anderes Auto vorgefahren, ein hübscher Zweisitzer, und diesem entstieg mit strahlendem Gesicht Direktor Herold. Er beeilte sich, Mynheer van Ler Straaten und seine reizende Tochter zu begrüßen und in seinen grauen Augen, die so hell und warm aus dem gebräunten Gesicht leuchteten, strahlte eine ehrliche Freude cm dieser Begegnung, gemm^ wie aus Dorits Augen. Sie begrüßten einander mit einem festen Händedruck. «Auch in der Stadt, Iuffrouw van der Straaten?" »In Lebensgröße, Herr Direktor." »Sie wollen doch nicht gar an Ler Börse handeln?" „Das überlasse ich meinem Vater. Aber Sie sind natürlich darauf aus, die Kurse zu beeinflussen," sagte Dorit lachend. Er lachte auch. »Nach Kräften." »Dann konnnen Sie, Direktor, sonst kommen wir zu spät," drängte Dorits Vater, der dieser Benützung mit einem un durchdringlichen Gesicht beiwohnte. Aber Frank Herold hätte sehr gern noch ein Weilchen mit Dorit geplaudert. Er hatte längst schon viel zu tief in ihr« blauen Augen gesehen. Wie gern hätte er um ihre Hand ungehalten, aber er sagte sich, daß der reiche Mynheer van der Straaten einen vermögenden Schwiegersohn würde ha ben wollen und nicht einen so armen Schlucker, wie er war. Er b^og zwar ein sehr anständiges Gehalt und war am Reingewinn der Plantagen prozentual beteiligt, aber ein nennenswertes Vermögen hatte er sich bisher doch noch nicht zurücklegen können, wenigstens nicht nennenswert in den Augen des reichen Kaufherrn und Pkantagenbesitzers. Und so hatte er noch immer sein Heiz fest im Zügel gehalten, so schwer es ihm auch immer Dorits lachenden Augen gegenüber wurde. Die heiße Liebe zu dem entzückenden Mädchen sprang ihm aber nur so aus den Augen. „Sehen wir uns noch, Iuffrouw oan der Straaten?" fragte er, ihre Hand wieder in der seinen haltend. Ihre Augen glämten in die seinen. Sie gab sich gar keine Mühe, ihre Gefühle für den stattlichen, mterGarsten Mann zu »«bergen. „Ich habe noch Besorgungen in der Altstadt und will auch in das Büro meines Vaters, um zu sehen, ob die Post, die mit dem Dampfer gekommen ist, schon da ist." „Sie erwarten sicher von Frau Ralfner einen Brief?" „Stimmt! Und nach der Börse will ich mit Vater im Hotei die Reistafel nehmen. Halten Sie mit, Herr Direktor?" Sein Gesicht strahlte. „Gern, wenn ich darf." Sie nickte munter, wenn ihr das Herz auch bis zum Hals« hinaufschkug. „Selbstverständlich dürfen Sie. Für Vater und mich ist es doch pläsierlicher, wenn wir in Gesellschaft speisen. Bleiben Sie über Nacht in der Stadt?" »Nein, ich will nachmittag nach Dsvba zurück. Ich bin aH Laa Mustos« Müg« dem Da MM io «W LmWopf in den Kambongs herum, der unsern Leuten Opium . verkaufen will. And wenn sie Opium erwischen, dann ist es mit der Arbeitsfreude, die schon ohnedies mangel- Dorit nickte lachend. „Man hat schon feine Sorgen, Herr Direktor. Vater ist auch schon schärf auf die Opiumhändler." „Das ist auch notwendig. Ich paffe ihnen heftig auf den Dienst und will deshalb mH lange abwesend sein. Das spüren sie immer gleich aus, die Hallunken." „Sie sind sehr pflichteifrig, Herr Direktor!" ,-Ich muß die Interessen meier Herrin wahren." Mit festem Druck reichte sie ihm die Hand. .Meins Freundin kann ruhig schlafen, Sie achten auf ihren Besitz, äks sei es Ihr eigener. „Däs verlangt mein Pflichtbewusstsein und mein Ehrgefühl." Dorits Augen bekamen einen weichen Schimmer. „Ich weiß! Aber nun will ich Sie nicht länger aufhalten. Vater tritt schon von einem Fuß auf den andern vor Un geduld. Also auf nachher im Hotelspeisesaal. Soll ich die Post für Sie gleich mitbringen?" „Darf ich Sie damit belasten?" „Sie werden ja nicht gleich einen Zentner Post bekommen und außerdem bringen Sie mir sehr ost meine Post mit." ,La, aber —" »Kleine Redssarten, ich bringe sie mit — Punktum!" Und lachend winkte Dorit, die schon ein Stück davon gefahren war, zurück. Er sah ihr nach, sah den blauen Schleier von ihrem Tropenhut über ihr weißes Kleid wehen und atmete tief auf. „Kommen Sie heute noch, Direktor?" ries ihm Mynheer van der Straaten mit bärbeißigem Gesicht entgegen, als er jetzt in große Sätzen die Börfentreppen Herauflam. „Bin schon dal" antwortete Frank Herokd. Aber unter dem kritischen Blick des alten Herren wurde ihm wieder recht klar, wie groß die Kluft war, die ihn von Dorit trennte. Dorit fthr nun erst einmal zu dem am Hafen liegende« Geschäftshaus ihres Vaters und fragte im Kontor, ob die Post schon da sei. Sie erfuhr, daß sie noch nicht crnge- troffen sei. Da fuhr sie weiter, um inzwischen einige Be sorgungen zu machen. Nach einer halben Stunde hielt sie wieder vor dem Kontor. Jetzt war die Post da. Für sie Zeitungen und ein Brief Gondas. Sie öffnete ihn nicht. Post aus Europa war immer ein festliches Ereignis, däs mit Muße genossen werden mußte. Auch für ihre Mutter waren einige Briefe aus der alten Heimat angekömmen. Di« nahm Dorit auch an sich, um sie mit nach Hause zu nehmen. Und dann ließ sie sich die Post für den Direktor, dis auch immer im Kontor des oan der Straatenschen Geschäftes abgeliefert wurde, in ein großes Kuvert packen. Es waren auch Zei tungen, Geschäftsbriefe und ein Privatbrief für den Direktor. Dorit barg die Briese für sich und ihre Mutter in ihrer Handtasche, die Zeitungen und das Kuvert mit der Post für den Direktor klemmte sie unter den Arm. Lachend nickte sie dem allen Buchhalter zu, der auch ein Deutscher war, und sprach einige deutsche Worte mit ihm. Dann fuhr sie weiter und beendete ihre Besorgungen. Sie bezähmte ihre Ungeduld, Gondas Bries zu lesen, wirklich so lange, bis sis im Hotel anlangte, in dem sie mit ihrem Vater und Frank Herold Zusammentreffen wollte. Die Herren waren noch nicht da, würden wohl auch noch nicht bald kommen. So konnte sis in Ruhs ihre Poft durchsehen. Sie suchte sich auf der Hotelveranda ein schattiges Plätzchen. Hier war es um diese Zett noch ganz still pnd menschenleer. Aufatmend nahm sie in einem Sessel aus Bambusgeflecht Platz und zog Gondas Brief hervor. Es fiel ihr nun erst auf, daß er den Post stempel Amsterdam trug, aber sie glaubte, Gonda sei einmal wieder vorübergehend in ihrem Vaterhause gewesen. Während sie dann aber Gondas Brief las, wechselte der Ausdruck ihres lebhaften Gesichts verschiedene Male sehr be denklich. Sie siebte Gonda sehr und war tief betrübt und erschrocken durch die Nachricht, daß diese sich von dem so innig gesiebtenn Manne kennen mußte und unter welchen schmerzlichen Umständen. Ihr weiches gutes Herz war von herzlicher, warmer Teilnahme erfüllt, große Tränen rannen über ihre Wangen. Gerade sie in ihrer aufblühenden Liebes seligkeit konnte so recht nachfühlen, was es heißen würde, sich um einer anderen Frau willen von dem ^siebten Manne verschmäht zu sehen. „Arme Gonda — arme Gonda!" flüsterte sie vor sich hin. Und ihre Freud« über die angekündigte Ankunft der FxeMdzn war fe.hr betrübt dur^ -je M.umlauuM zu ihr«?