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Bei dem Bau der Hütte ging es eigen zu. Julian Kennedy-Pittsburg erhielt den Auftrag, den Plan zu entwerfen, und die Riter-Conley Company vornehmlich übernahm die Bauausführung. Ungeahnte Schwierig keiten für die Fundamentierung, besonders des Hoch ofenwerkes, ferner klimatische Verhältnisse (harte Winter) und sehr minderwertiges Arbeitermaterial verdoppelten ungefähr die angesetzten Kosten für die Bauausführung. So kam man dahin, daß man wohl das eine Ende der Hütte: Koksofenwerk, Hochöfen und Martinwerk, genügend ausbaute, für die Walzwerke aber kein Geld mehr hatte, und sich daher mit einem einzigen Blockwalzwerke begnügte. In den ersten zwei Jahren ging es leidlich. Die Staaten nahmen Halbfabrikate zu guten Preisen in jeder Menge auf, und mit Hilfe der Regierungsprämien auf Roheisen und Stahl konnte man Einnahmen und Ausgaben un gefähr ausgleichen. Dann kam der zeitliche Niedergang der amerikanischen Industrie, und Sydney mußte den Betrieb bedeutend einschränken. H. M. Witney hatte die Präsidentschaft niedergelegt, und James Ross, der mittlerweile die Leitung der Dominion Coal Co. an sich gebracht hatte, vereinigte beide Gesellschaften in eine, mit ihm als Präsidenten. Man begann eine Aera des Sparens. Da trat James Rose mit dem Vorschläge heran, die beiden Gesellschaften nach etwa einjähriger Union wieder zu trennen. Dieses geschah, und H. Plummer übernahm die Präsidentschaft der Stahl-Gesellschaft. Geld war keines vorhanden, Fertigwalzwerke mußten ge baut werden, und so entschlossen sich denn die Aufsichts räte, aus eigener Tasche 2 1/2 Millionen Dollar als zweite Hypothek aufzubringen. Mit diesem Gelde sollten das Draht- und Schienenwalzwerk gebaut, eine große Kohlenwäsche errichtet, sowie das Hochofen - und Stahl werk gründlich modernisiert werden. Die ersten drei Neubauten sind heute vollendet, die des Stahlwerkes und der Hochöfen sind mehr oder weniger schlecht gelungen. Mit dem neuen Präsidenten zog ein neuer Geist ins Geschäft. Die Amerikaner, die bis dahin die Leitung in den Betrieben hatten, mußten Kanadiern weichen, vornehmlich der Generaldirektor, ein anerkannt erster Hochöfner, mußte Graham Fraser von der Nova Scotia Steel Co. Platz machen. Alle Gehälter und Löhne wurden stark herabgesetzt, ohne danach zu fragen, ob die Leute dafür in dem teuren Sydney existieren konnten. Die natürliche Folge war ein all gemeiner Auszug der besten Arbeiter, die in anderen Plätzen leicht bessere Bezahlung fanden. Alles dieses zusammengenommen, d.h. Verschlech terung des Arbeiterpersonals und nicht erstklassige Leitung, machen es der Dominion Iron and Steel Co. unmöglich, hochzukommen. Die geographischen Be dingungen sind ausgezeichnet. Erz, Kohle, Kalkstein, Dolomit sind in nächster Nähe, ein vorzüglicher Hafen steht zur Verfügung. Ungünstig sind: 1. Der Hafen ist für drei Monate wenigstens im Jahr nicht zu gebrauchen. 2. Sydney liegt gerade an der äußersten Ecke Kanadas, hat also einen sehr weiten Weg bis nach Ontario usw., wo natürlich der Hauptverbrauch für Eisen und Stahl in Kanada ist. 3. Ein einziger Schienenstrang verbindet Sydney im Winter mit dem übrigen Kanada. Heftige Schneestürme, wie im letzten Winter, unterbrechen oft auf Wochen jeglichen Ver kehr. 4. Allee Material für Zustellung der Oefen usw. muß aus England oder den Vereinigten Staaten in großen Mengen bezogen werden. Der Verlust durch Bruch von Steinen usw. ist nicht gering. 5. Die Lebensbedingungen in Sydney sind äußerst teuer. Alles muß importiert werden, so daß der gewöhnliche Ar beiter irgendwelche menschenwürdige Existenz sich kaum schaffen kann. Die Stadt ist stark verschuldet; Steuern und Hausmiete sind außergewöhnlich hoch. 6. Der Zuzug frischer Arbeiter ist gering. Sydney liegt nicht auf einem Hauptverkehrewege, sondern am äußersten Ende einer wenig benutzten Bahn und hat als Hinterland die nur spärlich bevölkerten Provinzen Neu-Schottland und Neu-Braunschweig. Bedingungen am Hochofen: Das Belle Island- Erz ist ziemlich schwer reduzierbar und dekrepitiert stark. Der Koks ist trotz Waschens weich und zer drückbar. Stürzen des Ofens, Durchbrennen des Schachtes sind an der Tagesordnung. Eine Ofen zustellung hält im Durchschnitt nicht länger als 8 bis 10 Monate. Preis für eine neue Zustellung, alles eingerechnet: 50000 8. Das Roheisen ist häufig un regelmäßig; Schwefel und Silizium bewegen sich in weiten Grenzen. Die Gicht besteht aus höchst un regelmäßig großen Stücken Kalkstein, Koks und Erz. Dieses wird noch schlimmer im Ofen durch den weichen Koks und das dekripitierende Erz. Ein rotierender Gichtverschluß ist eingebaut worden, ohne aber irgend welche Einwirkung zum Besseren zu erzielen. Bedingungen im Stahlwerk: Die Er zeugung der Oefen ist etwa 450 t f. d. Ofen wöchent lich. Die Produktion ist viel zu klein, um die Walz werke zu versorgen. Die Beschaffenheit des Stahles ist manchmal gut, sehr häufig indessen schlecht.* Der Stahl wird in der Pfanne fertig gemacht; er kommt stark überoxydiert aus dem Ofen und muß natürlich schlechte Resultate ergeben. Die Oefen, Kippöfen, sind nach ältestem Muster erbaut mit etwa 50 mm Zwischenraum zwischen Kopf und Mittelteil. Bedingungen im Walzwerk: Mechanisch sind die Walzwerke tadellos im Stand. Die Menge des zu verwalzenden Stahles ist indessen viel zu gering. Die hundert Mann im Schienenwalzwerk haben häufig für Stunden nichts zu tun, da keine Charge vom Martinwerk kommt. Ein Betrieb des Block- und Schienenwalzwerkes mit zum großen Teil derselben Mannschaft ist unmöglich, da die Leute es einfach nicht tun. Die mechanische Werkstätte hat sehr gering wertige Arbeitskräfte, so daß jede bedeutendere Re paratur nicht nur lange Zeit in Anspruch nimmt, sondern auch in sehr zweifelhafter Güte ausgeführt wird. — Die bisherige oberste Leitung des Werkes, d. h. die Präsidenten, waren und sind keine Fach leute. Sie sind Direktoren von Banken gewesen, und haben dort pekuniär große Erfolge erzielt. Kanada besitzt überhaupt noch nicht einen Stamm guter und erprobter Hüttenleute; von auswärts aber will man keine holen, deshalb versucht man so gut es gehen will, mit den vorhandenen kanadischen Kräften Eisen und Stahl darzustellen. Es ist möglich, die Dominion Iron and Steel Co. zu einem schönen Erfolge zu führen. Dazu aber gehört eine ganz erstklassige oberste Leitung, die versteht, sich die Leute auszu- suchen, welche die schwierigen Bedingungen in Sydney bemeistern. Erz und Kohle sind billig; teuer sind die enormen Erhaltungskosten und die riesenhaften Verwaltungskosten. Würde durch tüchtige Leute darin gespart, so könnte man die Arbeitslöhne erhöhen und gute Arbeiter heranziehen. Heute und für die kommen den Jahre aber wird die Sydney-Hütte nie und nimmer auch nur irgend einen Faktor auf dem Weltmärkte ausmachen. Die ersten Erwartungen waren so gut, daß sie hauptsächlich nur in Kanada Glauben und Geldgeber fanden. Ein Roheisen zu 7,50 8 f. d. Tonne ist nur möglich mit erstklassigem Koks, langen Ofen reisen, bester Leitung und altem, gutem Arbeiterstamm. Daran aber fehlt es in Sydney vollständig. Man hält Sydney für zukunftsreich, freilich in engerem Sinne, für Kanada allein, nicht für den Weltmarkt. Würde * Die jüngsten Nachrichten besagen, daß zur Zeit der Schienenstahl sehr gut sei, nur könne nicht genug hergestellt werden. Man beabsichtige daher, im sauren Konverter vorzublasen und den Stahl im Martinofen fertigzumachen. Die Red.