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der deutschen Eisenindustrie“, so heißt es in dem Bericht der letzten Hauptversammlung, hat ihn der Verein zu seinem Ehrenmitglied ernannt und seinen tiefgefühlten Dank ausgesprochen. Das äußere Zeichen dieser Anerkennung sollte, jedoch nicht mehr sein Auge erfreuen; als die künstlerisch ausgeführte Ehrenurkunde fertig gestellt war und an ihn abgesandt wurde, stand bereits der Todesengel hinter seinem Lager. Müssen wir uns auch, seiner Schöpfungen gedenkend, Beschränkung auferlegen, so gebührt doch dem in die verschiedensten Sprachen über setzten Hauptwerk seines Lebens, seiner „Eisen hüttenkunde“, an dieser Stelle eine allgemeinere Würdigung, denn dieses Buch legt Zeugnis davon ab, wie sich auch der spröde Stoff unter der Hand eines Meisters zum Kunstwerk formen läßt. Die überaus durchsichtige Einteilung des Stoffes, die mit der Knappheit verbundene Klar heit des Ausdruckes stempeln das Werk nicht allein zu einem vollendeten Lehr- und Handbuch für den studierenden und forschenden Eisen hüttenmann, sondern geben ihm nach Form und Inhalt die Bedeutung eines klassischen Werkes technischen Schriftstellertums. Was dieses Meister werk so wertvoll macht, ist nicht nur die Summe des dort niedergelegten Sammlerfleißes, die un bedingte Verlässigkeit des Zahlenmaterials, es ist vor allem die künstlerische Art, wie hier das gewaltige Material verarbeitet und in weit schauendem Blick in die Gesamtheit des viel gestaltigen Arbeitsgebietes alles, auch das Un bedeutende, an den richtigen Platz gestellt ist, die weise Beschränkung in der Auswahl des Stoffes, die Sichtung des Wesentlichen vom Un wesentlichen und nicht zuletzt das Vermögen, selbst die verwickeltsten Dinge mit wenigen und einfachen Worten darzulegen. Jeder, der Gelegenheit nahm, dieses Buch Seite für Seite durchzuarbeiten, wird sich immer wieder davon überzeugt haben und oftmals freudig über rascht gewesen sein, wenn es Auskunft gab über wichtige Dinge, die man vergeblich in der weit zerstreuten Literatur gesucht hätte. Kein Wunder, daß ein solches Werk unter den Fach genossen allgemeine Verbreitung gefunden hat und weder in dem Bücherschatz des gereiften Ingenieurs noch des jungen Akademikers fehlt. Wie das geschriebene Wort, so war auch sein Vortrag äußerlich einfach, aber seinem Inhalte nach immer eindrucksvoll und fesselnd. Allen, die zu seinen Füßen gesessen haben, wird immer die Meisterschaft seiner Rede im Gedächtnis bleiben, die zwar leise eben den Raum des Hörsaals ausfüllend, und frei von rhetori schem Schwung war, aber ohne Stocken in wohl geformten Sätzen dahinfloß, immer anschaulich, deutlich und kurz. Gleichwie man die Eigenart des Künst lers an seinen Schöpfungen zu erkennen ver mag, so spiegelt sich auch in dem gesprochenen und geschriebenen Wort dieses Mannes eine ab geschlossene, achtunggebietende Persönlichkeit. Mit scharfem Blick lag sein Auge auf den Dingen und Menschen, mit denen er zu tun hatte. Den Grundzug seines Charakters, der allem Aufdringlichen, Aufgeblasenen und Ober flächlichen abhold war, bildeten Festigkeit, Offen heit und Gerechtigkeit. Wiewohl daher ein treffendes und zuweilen mit einem Tropfen sar kastischen Humors durchmischtes Wort Schwächen und Halbheit zu kennzeichnen vermochte, so war doch der Hauptzug seines Wesens Freundlich keit und Entgegenkommen. Und wie er volles Verständnis für die Unbeholfenheit des Anfängers zeigte, so erfreute ihn jede vollkommene und tüchtige Leistung, der er seine Anerkennung nie versagte. Treu und hilfbereit war er gegen alle, die sich bewährten. Gegen sich selbst streng und gewissenhaft, überließ er lieber andern das Wort und achtete er fremde Meinung. Ganz durchdrungen von wissenschaftlichem Streben, bei dem er jedoch nicht gern als Ge lehrter gelten mochte, war fast der ganze Tag seinem Beruf und seinen Schülern gewidmet. Der Verstorbene war ein schlichter, anspruchs loser und ernster Mann, der im gesellschaft lichen Leben wenig hervortrat, aber unter seinen Schülern und in seinem Him fröhlich und auf geräumt war. Alle diese seine Eigenschaften als Lehrer und Mensch haben ihm bei seinen Schülern treue Anhänglichkeit und aufrichtige Verehrung ein getragen. Durch die immer größer werdende Zahl seiner Schüler im Verein mit seinen Ver öffentlichungen wurde der Name Ledebur in die Welt hinausgetragen, selbst in die entlegensten Winkel der Erde, wo Eisen und Stahl be reitet wird. Trauernd stehen wir vor der Lücke, die der Tod gerissen hat und die uns wohl eine Weile ratlos macht, sie gleichwertig auszufüllen; denn wieviel gegenwärtiges und tiefgründiges Wissen, wieviel praktische Erfahrung, wieviel schöpferische und fruchtbare Kraft wurde zu Grabe getragen 1 Aber all das Persönliche, seine glänzenden Vorzüge als Mensch, bleiben am wertvollsten für die, die ihn kannten und beklagen. Sie treten zurück und müssen verblassen im Laufe der Zeit, die im Leben der Technik hinfliegt wie die Wolken vor der Sonne. Das geistig geschichtliche Leben kennt nur immanente Kräfte, die sich auslösen und treiben, um zu dauern und sich zu verlieren. Was daher in all diesem Wechsel bleibt, das sind die Wirkungen, die von ihm ausgegangen sind und dauern werden, solange der Mensch das Eisen reckt. Uns aber wird sein Andenken unvergeßlich sein.