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entqeqen, welche die Dichtung be schließt." Doch wir sollten dos Werk auch aus der kompositorischen Struktur her betrachten, versuchen zu er gründen, wie Strauss sein eigene Dichtung aufgebaut hat. Das ist so wunderbar durchdacht, daß es lohnend erscheint, diesen Spuren - ganz gegen unsere sonstige Gewohnheit - zu folgen. Ein großes „Naturthema" leitet das Werk ein, ein strahlender Sonnen aufgang auf dem leuchtenden Ursprungston „c", ein „Universum- Motiv", frei von jeder Einbindung in das Dur-Moll-System. Immer neue „Weltbilder" will der Kompo nist daraus formen und wieder überwinden. Im folgenden Ab schnitt schafft Strauss aus dem gregorianischen „Credo" und „Magnificat" ein periodisch ge gliedertes Thema. Die Musik zelebriert ihre eigene Vergangen heit. Er nennt dies „Von den Hinter- weltlern" und nimmt Nietzsches symbolisch gemeintes Wort auf von jenen Menschen, die hinter die äußerlichen Ereignisse, hinter „die Welt" blicken und dort Erkenntnis suchen, die sich nicht mit den so genannten Realitäten des Lebens begnügen und eine ehrlichere und tiefere Existenz ersehnen. ,„Von der großen Sehnsucht' wird zur Sehnsucht nach Selbstbefreiung aus solchen musikalischen Fesseln: Tonale Zentren werden angegrif fen, formal abgeschlossene Ab schnitte existieren nicht mehr. Im mer wieder wendet sich Strauss Zarathustras Vorrede (Friedrich Nietzsche) Als Zarathustra dreißig Jahre alt war, verließ er seine Heimat und den See seiner Heimat und ging in das Gebirge. Hier genoß er seines Geistes und seiner Einsamkeit und wurde dessen zehn Jahre nicht müde. Endlich aber verwandelte sich sein Herz - und eines Morgens stand er mit der Morgenröte auf, trat vor die Sonne hin und sprach zu ihr also: „Du großes Gestirn! Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hättest, welchen du leuchtest! Zehn Jahre kamst du hier herauf zu meiner Höhle: Du würdest deines Lichtes und dieses Weges satt geworden sein ohne mich, meinen Adler und meine Schlange. Aber wir warten deiner an jedem Morgen, nahmen dir deinen Überfluß ab und segneten dich dafür. Siehe! Ich bin meiner Weisheit überdrüssig, wie die Biene, die des Honigs zuviel gesammelt hat, ich bedarf der Hände, die sich ausstrecken. Ich möchte verschenken und austeilen, bis die Weisen unter den Menschen wieder einmal ihrer Torheit und die Armen wieder einmal ihres Reichtums froh geworden sind. Dazu muß ich in die Tiefe steigen: wie du des Abends tust, wenn du hinter das Meer gehst und noch der Unterwelt Licht bringst, du überreiches Gestirn! Ich muß, gleich dir, untergehen, wie die Menschen es nennen, zu denen ich hinab will. So segne mich denn, du ruhiges Auge, das ohne Neid auch ein allzu großes Glück sehen kann. Segne den Becher, welcher überfließen will, daß das Wasser golden aus ihm fließe und überallhin den Abglanz deiner Wonne trage! Siehe! Dieser Becher will wieder leer werden, und Zarathustra will wieder Mensch werden.“ - Also begann Zarathustras Untergang. nun einer neuen Ordnung zu - in ,Von der Wissenschaft' ist es die Fuge -, und immer wieder greift er sie im nächsten Abschnitt an und zerstört sie, um dann eine höhere Entwicklungsstufe zu erreichen. Da bei ist jedes Thema mit jedem ver-