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Musik In einem breit angelegten Allegro setzt der Solist ohne langes Orchestervorspiel mit virtuosem, kadenzartig freien Material ein, gelangt dann aber zu melodischen Linien, die immer wieder virtuose Weiterführungen zulassen. Der langsame Mittelsatz (Lento, ma non troppo), stimmungsvoll-rührend in seinem Tonfall, läßt dem Solisten breiten Raum, sich auszusingen. Der in D-Dur gehaltene Schluß (RONDO Presto) ist eine Tarantella voller fröhlicher Virtuosität und rundet gegen Ende mit einer Reminiszenz an den Kopfsatz das Werk ab. ponist ganz beglückt an seine Eltern: „Mein Konzert hat sehr ge fallen; nach dem ersten Triller in F-Dur Applaus, nach jedem Satze Applaus, am Schlüße 2x heraus." Der Pianist Carl Klindworth, der im Mai 1882 einige Kompositionen von Strauss besprach, das Violin konzert also noch vor seiner ersten Aufführung, schrieb: „Mir hat das Violinkonzert am besten gefallen, und es sollte mich sehr erfreuen, wenn dasselbe effektvoll und le bensfähig genug wäre, um Bruchs g-Moll aus unseren Concertsälen zu verbannen." Ein solcher Wunsch hat sich weder nach der einen, noch nach der anderen Seite hin erfüllt. Das Bruch-Konzert hat noch heute seinen angestammten Platz in den Konzertprogrammen, das Strausssche Konzert wird eher nur gelegentlich aufgeführt, ist also nie mals eine echte Konkurrenz für Bruch geworden. Heute erscheint uns allein schon der Gedanke, daß mit dem Werk des einen Künstlers das eines anderen verdrängt wer den könnte, reichlich abwegig. Interessant aber ist eher, daß ge rade in der 2. Hälfte des 19. Jahr hunderts mehrere bedeutende Vio linkonzerte entstanden sind. Auch wenn Strauss noch nicht alle ge kannt haben mag, so gehörten doch solche spätromantischen Vir tuosenkonzerte durchaus in diese Zeit. Nach Mendelssohn Bartholdy (1844/45) und Schumann (1853) komponierte Bruch sein berühmtes g-Moll-Violinkonzert 1868 (zwei weitere 1 877 und 1 880), Brahms 1877/78, Tschaikowski 1878 und Dvorak 1879-1882. Das Violinkonzert von Strauss je denfalls orientiert sich noch vorran gig an der Mendelssohn-Schu mann-Tradition und erinnert selt samerweise gerade im ersten Satz an Schumanns Violinkonzert. Strauss konnte es allerdings noch gar nicht kennen, da es bisher nicht veröffentlicht war. Aber eine gewisse Verwandtschaft lag doch wohl eher auf einer gleichartigen Empfindungsebene und nicht zu letzt daran, daß der hochbegabte junge Mann fleißiges Studium von Partituren einiger Berühmtheiten getrieben haben mußte, sich also hervorragend auskannte in der Art melodischer Erfindung und Ausge staltung. Wie dem auch sei, das Violinkonzert hatte einige Erfolge. Kann es auch jetzt nur als eine wirkliche Talentprobe angesehen werden und ist es auch noch nicht so recht persönlich geprägt, so hat es Wert genug, auch heute noch