Volltext Seite (XML)
kunstästhetischen Richtungen Schritt zu halten, eben konservativ zu sein. Aber durch ihn hatte die sinfonische Dichtung seinerzeit entscheidende Impulse erfahren. Strauss war zum unmetaphysi schen, vitalen Realitätsmusiker ge worden. Er blieb nicht mehr einer bizarr-romantischen Gefühlswelt verhaftet, die mit der Wirklichkeit nur wenig zu tun hatte, wie bei spielsweise Hector Berlioz. Er war aber auch nicht in einer ebenso lebensfernen, idealisierenden und verklärenden Sicht wie Franz Liszt befangen. Doch Strauss war auch nicht der Mann, der wirkliche Daseinsrätsel lösen wollte, sondern - durch und durch Musiker - sah sich vielmehr animiert, unerschlos sene Klangräume zu finden und für sich zu eröffnen. Seine Musik, sei ne Bilder, seine musikdichterischen Szenen brauchten einen Anstoß von „außen", sollten aber letzten Endes nicht durch ein beigefügtes Programm erläutert werden. Seine Musik sollte selbst wirken, malen, schildern, mit ihren ureigensten Mitteln ausdeuten. Und nach die sen Mitteln suchte Strauss immer fort und erfand großartige fesseln de oder amüsante oder dramati sche. „Ich bin ganz und gar Musi ker, für den alle (Programme' nur Anregungen zu neuen Formen sind und nicht mehr", sagte er einmal und ergänzte später, „bloß eine Beschreibung gewisser Vorgänge des Lebens" wäre „doch ganz ge gen den Geist der Musik". Und mehr als ein Anhalt solle auch für den Hörer ein solches Programm nicht sein. Aber Strauss hat in sei ner vielfach bekannten selbstiro nisch-witzigen Art auch zu verste hen gegeben, ein richtiger Musiker müsse „auch eine Speisekarte kom ponieren können", er jedenfalls wolle auch ein „Glas Bier" so ma terialgerecht in Musik setzen, daß jeder Hörer unterscheiden könne, ob es sich um ein Pilsener oder Kulmbacher handele. Aber derarti ge Bonmots gehen am Eigentlichen vorbei. Doch soviel sei festgehal ten, Strauss hat durchaus auch in solche Richtungen gedacht und komponiert wie beispielsweise in seinem „Eulenspiegel" mit dessen Schelmereien. Hier hat er Bilder tonmalerisch so direkt ausgedeutet, daß man glaubt, eine „Tonfilmmu sik" erlebt zu haben. Und daß es ihm dennoch um Erweiterung der Grenzen des musikalischen Mög lichen ging, zeigen seine Tondich tungen allesamt. Immer war es ein Kampf um die jeweile Form, um die thematische Gestalt und deren Gestaltung, um ein Erproben sinfo nischer Gebilde mit erkennbarer Aussage. Schließlich entwickelte er in seinen Tondichtungen sein instru mentales Rüstzeug und gewann die ihm eigene Souveränität für die orchestrale Bühnensprache. Und gerade diese hielt ihn zeitlebens gefangen, also nicht nur allein der thematische Einfall, die melodische Linie, der Gesang, nein, die instru mentale Umsetzung, die Farbigkeit des Orchesterklanges. Unendliche Möglichkeiten waren zu erproben Vor der Uraufführung seines Till Eulenspiegels meinte Strauss: „Es ist mir unmöglich, ein Programm ... zu geben: was ich mir bei den einzelnen Teilen gedacht habe, würde, in Worte gekleidet, sich oft genug seltsam ausnehmen, vielleicht sogar Anstoß erregen. Wollen wir daher ... die Zuhörer selber die Nüsse aufknacken lassen, die der Schalk ihnen verabreicht."