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38 Ser erste Garten. ! Von Robert Theuermeister. So vor dreitausend oder viertausend ! Jahren — genau weih das keiner — da wohnte in einem wilden Walde ein ^Häuflein Menschen. Wer sie gesehen hätte, der hätte gesagt, das sind wilde Menschen. Sie gingen in Tierfelle ge- >kleidet und wohnten in Hütten aus Baumastgcslecht, das mit Lehm ver schmiert war. Sie kannten kein Eisen, und all ihre Geräte und Wtzffen, waren von ihnen selbst aus Holz sind Steinen verfertigt. Sie kannten das Feuer und konnten auch selbst schon mit zwei Höl zern und einer Schnur Feuer machen. Ungefähr tausend Jahre später wohn ten die Nachkommen dieser Leute schon !in Hütten aus Baumstämmen. Sie hatten Geräte und Waffen aus Bronze , und wußten auch schon, was ein Feld ist. Sie hatten hohes „Körnergras'^— Getreide sagt man heute — kennen gelernt und hatten es zwischen,das kurze Mras hinter ihrer Hütte gesät. Nun § hatten sie also ihr erstes Felo, und von ' diesem Felde wäre viel zu erzählen. Eines Tages, es war im Herbst, da ging solch ein wilder Mann im Walde i jagen. Er war recht verdrießlich. Denn !er hatte seit früh nichts gegessen und auch noch kein Wild erjagt. Nun ward es schon beinahe Abend, und der Hun ger tat Weh. Wie er so dohinschlich zwischen Büschen und Gestrüpp, da hörte er auf einem Baume in ocr Nähe rufen: „Gurru, gurru." — „Aha," dachte der Mann, „endlich kann ich mir eine wilde Taube schießen". — „Gurr«, gurru, gurru!" rief's wieder. Der wilde Jägersmann schlich hin und hatte schon den Bogen gespannt und zielte, da schrie der Mark- wart (Häher) über ihm: ,Jletz, patz- pätz!" — Husch flogen die Waldtauben fort, die Amsel fing an zu schimpfen, und ein Specht lachte den müden Jäger aus. In seinem Zorne wollte er nun Len Häher schießen. Der aber ließ eine grünbraune Frucht fallen und flog mit Spotten und Schreien wey. „Nanu,", dachte der Jager, „was siel denn da vom Baume herunter?" Und er suchte nach im Laube und fand einen Apfel. Der stammte von einem Holzapfel bäume, wie sie seit vielen Jahren wud im Walde wuchsen. Der Jäger besah den Apfel rind fand, daß der Hayer schon ein Stück herausgehackt hatte. „Hm," dachte der hungrige Jäger, „was dem Häher schmeckt, wird mir Wohl auch , schmecken," und kostete den Apfel. Er schmeckte ein bißchen sehr herb und sauer, aber er schmeckte eben. Der Jäger kaute und kaute und rutsch, war der Apfel gegessen. Dann suchte der wilde Mann nach dem Baume, auf dem solche Apfels ivachscn und fand ihn auch gleich, denn er stand ja darunter. Flink wie eins Eichhörnchen kletterte der Mann auf den Baum und pflückte ab und aß und atz von den Äpfeln, bis er satt war. Dann steckte er noch welche in seine Felltasche und nahm sie mit nach Hause. Dort warteten schon die Frau und zwei kleine Kinder auf den Vater, und die Frau' war traurig, weil der Jäger kein Wild brachte, denn die Kleinen hatten Hunger , und wollten nicht schlafen. Da rief sie der Mann zu sich und gab ihnen jedem ein paar Apfel, biß einen an und tat, als wenn es sehr gut schmeckte. Gleich jubelten die Kinder und liefen zur Mut ter, und dann zur Urahne, die am Herd das Feuer schürte, und sie freuten sich unbändig, daß sie nun etwas zu essen hatten. Die Urahne nahm die Apfel, be fühlte sie und rief dann den Jäger und erzählte ihm, daß es ein Land geben soll, wo auf grünen Wunderbäumen goldene Apfel wachsen und andere herrliche Früchte, und daß dort die Menschen die Apfelbäume gleich vor ihrer Türe stehen haben. Sie wußte auch, daß in diesem Lande die Apfel viel größer wachsen als im Walde daheim, und daß man den Bäumen so viel Pflege gibt wie den kleinen Kindern, und daß sie darum herrliche, süße, saftige Apfel tragen. Und dann hob die Urahne den Finger und sagte zu ihren: Enkel, Apfel wären aut gegen böse KrankheHn, und man könnte sie in einem Ervloche in der Hütte den ganzen Winter lang aufheben. Der Jäger holte noch an mehreren Tagen Apfel heim, bis die neue Erd höhle in der Hütte bis an den Rand voll war. Aber jedesmal dachte er: „Denn doch der Baum vor deiner Hütte stände!" Und als er das letzte Mal Apfel holte, eS schneite an dem Tage schon, da fiel'S