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238 Nr. 4. „STAHL UND EISEN.“ April 1884. die vier festen Eckstützen und umgekehrt soll dadurch bewirkt werden, dafs die druckbelasteten Stützen die darunter wippend gelagerte Walze durch seitlichen Druck nach der andern Seite treibt und somit die nicht belasteten Stützen auf der andern Seite hebt. Bei der praktischen Ausführung haben sich allerdings nicht unerhebliche Schwierigkeiten gezeigt, infolge dessen derartige Waagen bis jetzt nicht in Betrieb genommen werden konnten. Schliefslich erläutert der Vortragende noch einige von ihm an seinen alten Constructionen vorgenommene Aenderungen von Details, welche aber an dem ursprünglichen System nichts ändern. Herr Geheimer Regierungsrath Reuleaux macht darauf aufmerksam, dafs auf den amerikanischen Eisenbahnen vorzüglich eingerichtete und von den hiesigen Einrichtungen erheblich abweichende Cente- simalwaagen zum Wiegen von Kohlenwagen vorhanden sind, welche von Herrn Eisenbahn-Bauinspector H. Bartels in seinem Buche über Betriebseinrichtungen auf amerikanischen Eisenbahnen beschrieben wurden (S. 171.) Herr Telegraphen-Fabricant Horn führt einen von ihm construirten neuen Geschwindigkeitsmesser vor und erläutert denselben. Angewandt wird der selbe auf den Eisenbahnen in Elsafs-Lothringen. Herr Geheimer Regierungsrath Reuleaux theilt mit, dafs auf den schwedischen Eisenbahnen in letzter Zeit umfassende Versuche mit günstigem Erfolge an gestellt worden sind, einheimische Kohlen zur Loco- motivfeuerung zu verwenden. Namentlich die Kohlen von Bjuf, welche einen Aschengehalt von 14% haben, werden seitdem vielfach verwandt, infolgedessen die Förderung von Bjuf jetzt 30 000 Tonnen pro Jahr be trägt. Die Kohle zeigte im Anfang nur den Nach theil, dafs dem Locomotivschornstein ein sehr bedeu tender Funkenregen entströmte; zur Abstellung dieses Uebelstandes hat man besondere Treppenroste und in die Feuerbüchse eingespannte Gewölbe angeordnet, welche in Verbindung mit einer neuen sinnreichen Funkenfänger-Construction bewirken, dafs eine bessere Verbrennung der Kohle stattfindet, und die unver brannten Kohlentbeilchen vollständig staubförmig dem Schornstein entströmen. Der Vortragende empfiehlt die Einführung der von ihm durch Zeichnungen und Beschreibung näher erläuterten Constructionen auch für andere Bahnen. Der Vorsitzende bemerkt hierzu, dafs die Con- struction der beschriebenen Locomotivfeuerung auf demselben Princip beruhe wie die Nepilly-Feuerungs- anlage für minderwerthige Kohlen, mit welcher im Saarbrückener Kohlenrevier und auf den Bahnlinien in Böhmen und Sachsen bei Anwendung der sonst zur Locomotivfeuerung nicht sehr geeigneten böh mischen Braunkohlen recht gute Erfahrungen gemacht worden seien. Ordentliche General-Versammlung des Vereins der deutschen Fabriken feuer fester Producte vom 20. Februar d. J. in Berlin. (Schlufs.) Herr Dr. Heintz wies ferner noch darauf hin, dafs in der Beilage zur Petition des Vereins vom December 1882 an den Fürsten Bismarck die annähernden Arbeits löhne für 100 kg feuerfester Steine auf 60 Pfg. ver anschlagt worden seien. Nach mehrfach angestellten Berechnungen sei diese Zahl durchschnittlich als zu treffend gefunden und zwar ausschliefslich Förderlohn für die verwandten Rohmaterialien, sowie der Kohlen. Hinsichtlich letzterer könne angenommen werden, dafs der Bedarf an Brennmaterialien, ausgedrückt in Steinkohlen, durchschnittlich mindestens 25 % des Gewichts der erzeugten feuerfesten Producte betrage, also für Rubrik I: »feuerfeste Steine« jährlich über 1200 000 Meter-Gentner Steinkohlen. Welche beträcht liche Summe Arbeitslöhne in der Förderung dieser Steinkohlen einbegriffen, erhelle daraus, dafs z. B. für die schlesischen bergbaulichen Verhältnisse ein durch schnittlicher Förderlohn von 18 bis 26 Pfg. pro 100 kg angenommen werden könnte. * — Herr Regierungsrath Beutner empfahl den An- schlufs an den »Centralverband deutscher Industrieller«, um durch vereinte Kraft die gemeinsamen Interessen und wirthschaftlichen Wünsche mit um so grösserem Nachdruck vertreten und erstreben zu können. Dem Centralverband gehörten u. a. bereits an: der Verein der deutschen Glasindustriellen, der Eisengiefser, der Leinenindustriellen. Von mehreren Seiten wird der Beitritt zum Cen tralverband befürwortet und hierauf von der Ver sammlung einstimmig zum Beschlufs erhoben. — Das neue Kranken-Versicherungsgesetz, welches hierauf zur Sprache gelangte, war auf die Tagesord nung gesetzt in der Erwartung, dafs das seit langer Zeit von der Regierung in Aussicht gestellte und vom Publikum erwartete Krankenkassen-Normalstatut in zwischen erschienen sein würde. Es ist dies indessen noch nicht geschehen. Ebenso hatte man eine Dis- cussion über den Unfallversicherungs-Gesetzentwurf in der Tagesordnung vorgesehen in der Hoffnung, dafs dieser Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der jüngsten Aeufserungen des Volkswirthschaftsraths mittlerweile veröffentlicht sein würde. Herr Regierungsrath Beutner behandelte den letztgenannten Gegenstand im wesentlichen überein stimmend mit der Anschauungsweise, welche die kürzlich gefafsten Beschlösse des Centralverbandes ** zum Ausdruck bringen. Die humanen Tendenzen, welche gegenüber dem gewerblichen Arbeiterstand von dem Reichskanzler Fürsten Bismarck verfolgt werden, kön nen, führte er aus, im Princip bei der Industrie nur auf vollste Anerkennung und Zustimmung rechnen. So sehr man indefs über Haftpflicht, Krankenver sicherung, Unfallversicherung, Invalidenversicherung und die gesetzliche Behandlung dieser Fragen durch den Staat im Princip übereinstimme, so werde doch über die einzuschlagenden Mittel und Wege, über die Vertheilung der Leistungen und der Verwaltung eine grofse Meinungsverschiedenheit herrschen. Für die Unfallversicherung erscheine eine Mitheranziehung des Arbeiters wegen des hieraus hervorgehenden ethischen Einflusses auf denselben geboten zu sein. Während der vorjährige Gesetzentwurf an der Or ganisation auf rein örtlichem Schematismus scheiterte, bringe der neue Gesetzentwurf die Schwierigkeit be rufsgenossenschaftlicher Organisation, deren einzelne Glieder wiederum sich geographisch zu viel ausdehnen. Das Richtige dürfte wohl in der Mitte zu suchen sein. Es werden die Fabriken feuerfester Producte vielleicht mit anderen, zunächst denen der Thonwaarenindustrie, dann solchen einer ungefähr gleichartigen Gefahren klasse vereinigt werden. Eine Unfallversicherung ohne Beitragspflicht der Arbeiter, welche auch fahrlässige oder gar beabsich tigte Unfälle mit Versicherungsprämien bedenkt, ist entschieden vom moralischen, socialen und praktischen Standpunkt zu verwerfen. Herr Regierungsrath Beutner betonte ferner noch, dafs eine Organisation der Berufsgenossenschaften * Für Westfalen giebt ihn nachträglich Herr Dr. । Otto nach gut unterrichteter Quelle auf mindestens 25 Pfg. an. * * Vergl. Seite 178, No. 3 d. J.