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April 1889. „STAHL UND EISEN.* Nr. 4. 293 gegen das Vorjahr zu etwa 6 % anzunehmen sein. In demselben Zeiträume steigerte Grofsbritannien seine Roheisenproduction von 7 441 927 t auf 7 900 000 t, d. h. um gleichfalls 6%; in Nord- Amerika fiel dagegen die Production von 6417000 auf 6100 000 t (etwa 5 %). Auch in England hat die Ausfuhr von Eisen einen Ausfall von etwa 140 000 t aufzuweisen, hierzu kommt aber noch ein Warrant-Lagerbestand von nahezu 1 800000 t Roheisen, der in Deutschland ganz fehlt. Auf die Preise des Eisens und der daraus weiter verarbeiteten Fabricate haben die theils schon bestehenden, theils erst in 1888 gebildeten Vereinigungen der betheiligten Werke (Conventionen) in bemerkenswerther Weise regulirend eingewirkt, da ebenso sehr den Preis schleuderungen, wie unbedachten Mehrforderungen entgegengetreten worden ist. Technisch steht ja die deutsche Eisenindustrie auf der Höhe der Zeit, nur in betreff der Preisstellung mancher ihrer Fa bricato ist sie der durch günstigere Productions- und Absatzverhältnisse bevorzugten Concurrenz Englands, theilweise auch Belgiens, nicht ganz gewachsen. Mit jedem Jahre sind wir jedoch der vollen Gleichstellung etwas näher gerückt. Um dieses Ziel zu erreichen, suchte die deutsche Eisen industrie nicht blos qualitativ, sondern auch quan titativ ihre Leistungsfähigkeit zu erhöhen, und da in der Regel mit der Steigerung der Production eine Ermäfsigung der durchschnittlichen Herstel lungskosten verbunden zu sein pflegt, wurde der eingeschlagene Weg um so beharrlicher verfolgt. — In dieser Weise verfuhren aber nicht blofs einige, mit gröfserer oder geringerer Energie viel mehr alle Werke derselben Branche, ohne dafs sie bei dem Fehlen einer gegenseitigen Verstän digung und bei den weiten Entfernungen, in denen die Werke meist von einander abliegen, über die gleichzeitige Productionssteigerung ihrer Coneur renten sich unterrichten konnten. Erst nach län geren Zeitperioden lieferte die Statistik — die amtliche wie die des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller — die Nachweise, ob und welche Productionssteigerung in der Zwischenzeit stattgefunden hatte. Nicht selten noch später er schienen die statistischen Angaben über die Höhe der Production unserer ausländischen Concurrenz und ergaben in der Regel, dafs man dort in der Massenerzeugung noch viel stärker vorge gangen war. Für den einsichtigen Beurtheiler war aller dings aus dem Marktpreise seines Artikels — wenn auch für seine Mafsnahmen etwas verspätet — zu ersehen, ob mehr erzeugt war, als der Markt auf zunehmen sieh willig zeigte. Sobald fallende Preise ein Uebei wiegen des Angebots über die Nachfrage andeuteten, wurde in vorsichtig geleiteten Werken die Production eingeschränkt, doch hat auch hier das humane Bestreben, die Arbeiter unter der ungünstig werdenden Lage möglichst wenig mit leiden zu lassen, wohl Veranlassung gegeben, dafs die Reduction in vielleicht zu mäfsigen Grenzen blieb, ganz abgesehen davon, dafs in gewissen Be trieben eine nur theilweise Einschränkung über haupt kaum durchzuführen ist. Andere Werke — vor allen Dingen die Concurrenz des Auslandes — suchten jedoch den weichenden Preisen gegen über den Ausfall ihrer Gesammteinnahmen durch verstärkte Production zu decken, und verschlim merten dadurch nur die Lage. Warum Jahre hindurch — und zwar von 1882 bis Ende 1887 — die Eisenindustrie über recht trübe Verhältnisse zu klagen gehabt hat: im wesent lichen liegt der Grund doch darin, dafs jedes Werk, ohne Kenntnifs, was inzwischen auf andern Werken l IV.» I vorging, seinen eigenen Intentionen allein folgte. I Erst mit der Bildung der Conventionen ist die bis dahin fehlende Verständigung erfolgt. Die Fixi- rung der Preise ist nur die äufsere Erscheinung, die in der Oeffentlichkeit zur Kenntnifs gelangt, die Hauptaufgabe der Verbände besteht vielmehr darin, durch sorgfältigste Beachtung der Preis schwankungen und der statistischen Angaben über die Production des In- und Auslandes die ein heimische Erzeugung derart zu regeln, dafs die letztere möglichst wenig den Be darf der nächsten Wochen oder Monate übersteigt. Dieses Ideal haben diebestehenden Verbände noch nicht erreicht, werden es auch vielleicht nicht ganz erreichen, sind aber dem selben täglich näher gekommen. Wie nicht anders zu erwarten, haben diese Conventionen als neue Einrichtungen mancherlei Anfechtungen erfahren. Am leichtesten zu wider legen sind die Angriffe der freihändlerischen Presse, die Bildung der Verbände sei als eine nach theilige Wirkung der seit 1879 eingeführ ten Schutzzölle zu betrachten, durch den Hin weis, dafs derartige Vereinigungen auch in solchen Ländern bestehen, die wie England gar keine, oder wie Belgien Industriezölle von nur geringer Höhe besitzen. Ernster wäre der Einwand aufzufassen, dafs die Preise nothwendiger Verbrauchsgegen stände erhöht würden. Jahrelang sind jedoch für Roheisen, Stabeisen, Draht, Bleche und die anderen Verbandsartikel Preise gezahlt worden, die zwar für die Abnehmer sehr erfreulich waren, aber den Werken selbst keine angemessene Rente übrig liefsen. Gerade um diese auf die Dauer un haltbaren Zustände zu beseitigen, verständigten sich die Werke zu einer Regelung der Production und zu einer Preissteigerung, die für die Anlage- und Betriebskapitalien eben nur den landesüb lichen Zinsfufs zu erreichen versprach. Für ihren Bedarf gegenwärtig etwas mehr zu zahlen, mag zwar den consumirenden Firmen nicht angenehm sein: bei richtiger Erwägung der Sachlage werden sie aber nicht verlangen können, dafs die Eisen industrie mit Verlust weiter arbeiten solle, damit die Consumenten ihrer Erzeugnisse auch fernerhin unverhältnifsmäfsig billig bedient würden. — Kommen dagegen Abnehmer in Frage, welche die bezogenen Artikel für den Export weiter ver arbeiten, so wird den als Exportfirmen bekannten Werken durch anstandslose Bewilligung niedrigerer Preise die Concurrenz auf dem Weltmarkt erleich tert; nur von solchen Firmen, die sich erst im Export versuchen wollen, dürften vielleicht hier und da speciellere Nachweise gefordert werden. Besonders heftige Angriffe haben sodann die vereinzelt vorgekommenen Fälle erfahren, in denen bei öffentlichen Submissionen von der deutschen Eisenindustrie —• unter anderen von den Schienen walzwerken — dem Ausland billigere Preise bewilligt worden sind, als dem Inland. In dem einen oder andern Falle mag allerdings die Differenz zwischen Inlands- und Auslandspreis bemerkenswerth gewesen sein, und doch sind die daraus abgeleiteten Vorwürfe nicht zutreffend, weil der eine Geschäftsabschlufs mit dem andern nur unter Beachtung aller einschlagenden Verhält nisse verglichen werden kann. Uebereinstimmend ist für zwei solcher Abschlüsse kaum die Zeit, da eine Differenz von wenig Tagen eine veränderte Preislage zur Folge haben kann — verschieden sind dagegen zwei zu annähernd gleicher Zeit ab geschlossene Geschäfte in allen den Preis vorzugs weise bestimmenden Anforderungen und Einzel heiten: in dem Umfange, der Bestellung, in der G