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April 1889. STAHL UND EISEN. Nr. 4. 269 Bericht an die am 16. März 1889 stattgehabte General« Versammlung der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller. Die Aufgabe der Gruppe besteht in der Wahrung der wi rth scb aft 1 i c hen Interessen der Eisen- und Stahlindustrie; sie hat sich daher mit allen Fragen zu beschäftigen, die dieses Gebiet berühren, und mufs vorzugsweise der wirthschaftlichen und socialpolitischen Gesetz gebung folgen. In dieser Beziehung nahm in der Periode, welche seit der letzten General- Versammlung verstrichen ist, zunächst das Krankenkassengesetz das Interesse und die Thätigkeit der Gruppe in Anspruch. In Verbindung mit dem ihr eng befreundeten »Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirth schaftlichen Interessen in Rheinland und West falen« benutzte die Gruppe die Wahrnehmungen, welche seit Emanation des K.-V.-G. vom 15. Juni 1883 gemacht worden sind, nm beim Bundesrathe mehrere Abänderungen dieses Gesetzes zu erbitten. Auf den Inhalt dieser, das Resultat einer äufserst gründlichen Gommissionsberathung bildenden Denkschrift des Näheien einzugehen, ist hier um so weniger nothwendig, als sie ihrem wesentlichen Inhalte nach in unserm Vereinsorgan »Stahl und Eisen« den Mitgliedern zur Kenntnifs gebracht worden ist. Insbesondere wurde eine Regelung des Verhältnisses zwischen den freien Hülfskassen und den Zwangskassen als nothwendig hingestellt. Es ist Thatsache, dafs sich die Zwangskassen den freien Hülfskassen gegenüber in einem so entschiedenen Nachheil befinden, dafs die ersteren vielfach vor dem Ruin stehen, wenn nicht Luft und Licht gleicherweise vertheilt wird. Ferner bilden die freien Hülfskassen vielfach Herde socialdemokratischer Bestrebungen , denen gegen über es die Industrie und die bürgerlichen Ge meinden mit doppelter Bitterkeit empfinden müssen, bezüglich der von ihnen zu unterhaltenden Kassen ungünstiger gestellt zu sein. Durch einen Antrag, die freien Hülfskassen gänzlich aufzuheben, der gewifs einer nicht kleinen Anzahl unserer Mit glieder ganz sympati.isch gewesen wäre, würde man nun freilich auch segensreich wirkende Institute, wie Bürgerkrankenladen, Hülfskassen der Kaufleute u. s. w. unmöglich gemacht haben. Es wurde deshalb beschlossen, beim Bundesrathe nur dahin vorstellig zu werden, dafs die Be rechtigung der freien Hülfskassen, nach welcher die Mitgliedschaft bei denselben von der Zu gehörigkeit zu einer Zwangskasse befreit, auf gehoben werde. Damit würde, so glaubte die Commission, welche diesen Antrag einstimmig annahm, Luft und Licht gleich vertheilt werden. IV.» Ob derselbe zur Annahme gelangt, läfst sich bis heute nicht sagen. Nach offieiösen Miltheilungen, die am Anfänge des vorigen Jahres durch die Presse gingen, läge es im Plane der Reichs regierung, eine Bestimmung zu treffen, dafs die freien Kassen gezwungen werden können, in Zukunft jede versicherungspflichtige Person auf zunehmen. Auch damit würde man sich gewifs einver standen erklären können, da gerade das Recht der freien Auswahl der Mitglieder, welches den Hülfskassen zusteht und welches sie in der Art benutzen, dafs sie die Zulassung zur Mitgliedschaft an den Nachweis der Gesundheit und an eine feste Altersgrenze knüpfen, den denkbar gröfsten Vortheil, zumal den Ortskrankenkassen, gegenüber gewährt. Den schwersten Feind des Krankenkassen wesens bildet vor wie nach die Simulation, die wirksam zu bekämpfen stets eine schwierige Aufgabe bleiben wird. Auch in dieser Beziehung mangelt es im bisherigen Gesetz an wirksamen Bestimmungen. So fehlt es namentlich an jedem Schutze der Kassen gegen solche Kassenmitglieder, welche sich den Anordnungen der Kassenorgane nicht fügen wollen. Den Kranken, der gegen die Anordnungen des Arztes ausgeht, Wirthshäuser besucht oder durch sonstige Verstöfse gegen die Diät durch eigenes Verschulden zum Schaden der Kasse die Heilung seiner Krankheit verzögert, in fühlbarer Weise zu strafen, mangelt es an jeder Handhabe. Zwar verbietet das Gesetz es nicht, auf solche Verstöfse Ordnungsstrafen zu setzen, aber diese Befugnifs der Kassen ist meist ohne jeden praktischen Werth. Die Ordnungs strafen von dem Krankengeld in Abzug zu bringen, ist nach den Bestimmungen des Gesetzes nicht gestattet und damit die Vollziehung der Strafen in den meisten Fällen gänzlich unmöglich gemacht. Vorzugsweise kommt dieser Mangel des Gesetzes den Simulanten zu gute. Es erschien daher zwingende Nothwendigkeit, • in diesem Punkte Wandel zu schaffen. Das bezweckte ein von unserer Commission zu § 26 des K.-V.-G. gestellter Antrag, „dafs Kassenmitgliedern, welche die Kasse durch Betrug schädigen oder den statutarischen Vorschriften über das Verhalten der Mitglieder in Krankheits fällen zuwiderhandeln, das Krankengeld ganz oder theilweise entzogen werden kann“. Dieser Antrag läfst im Einklang mit dem allgemeinen System des Gesetzes den einzelnen Kassen, je 3