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534 Nr. 7. .STAHL UND EISEN/Juli 1889. gunsten und zur Unterstützung der Streikenden stattgefunden«, bei den Kneipen- und Laden inhabern zu finden, über deren Motive für das »Mitthun« bei der Streik-Unterstützung wohl Niemand im Zweifel sein kann. Dafs insbeson dere in Rheinland-Westfalen in denjenigen gebil deten Kreisen, welche mit den Verhältnissen des Bergbaues bekannt sind, auch nur ein Einziger Partei für die Bergarbeiter gegen die Gruben besitzer genommen habe, überlassen wir Herrn Eschenbach als eine ihm zugehörige Erfindung oder ein ihm aufgebundenes Märchen; im hie sigen Reviere weifs man davon nichts. Aber so entsteht der circulus vitiosus. Herr Eschenbach lobt die Zeitungen, welche sich als Vertreterinnen der öffentlichen Meinung auf die Seite der Ausständigen gestellt, die Zeitungen loben Herrn Eschenbach — ein gleichlautender »Waschzettel« ging bereits bei Erscheinen der Broschüre durch die Presse* — und registriren sein Buch als einen neuen Beweis, auf wessen Seite die »öffentliche Meinung« sei, — und schliefslich stellt sich heraus, dafs Beide wie die Blinden von der Farbe geschrieben haben. Eine köstliche Art, die öffentliche Meinung zu »fabri- ciren« ! — Bezüglich der Lohnfrage weifs Herr Eschenbach Folgendes mitzutheilen: „Es steht weiter fest, dafs an sämmtliche Ar beiter — Ausnahmen sind nicht bekannt gewor den — Löhne gefallen sind, welche zu einem Darben der Einzelnen oder Familien im streng sten Sinne des Wortes nicht geführt haben. Wohl aber wird auch fast ebenso übereinstim mend (!) zugegeben, dafs die Löhne nur aus gereicht haben, um bei den allgemein gestiegenen (?) Preisen für den Lebensunterhalt die Arbeiter nur gerade vor Noth zu schützen, und dafs ein Verdienst, welcher eine etwas bessere Lebens führung ermöglichte, ihnen nicht zu theil ge worden ist, geschweige denn, dafs — namentlich in kinderreichen Familien — Ersparnisse dabei sich hätten ermöglichen lassen.“ Herr Eschenbach macht hier wieder »öffent liche Meinung«. »Es wird fast übereinstimmend zugegeben« — von wem? Von den Behörden? Nein. Von den Thatsachen der Statistik ? Nein. Also von wem ? Bleibt nur noch die gutunterrichtete Presse, die überhaupt für Herrn Eschenbachs »Quellenstudium« völlig ausgereicht zu haben scheint. Wir sind nun freilich der Meinung, Herr Eschenbach hätte, falls er die Industriellen »belehren« wollte, gut gethan, sich u. a. auch * Auch die »Nationalliberale Correspondenz« (N. L. G.) fand für eine Lobeserwähnung der Broschüre Platz. Dafs dies im Sinne des Gesammtvorstandes der Partei geschehen, vermögen wir nicht anzunehmen. Man darf ihn eben nicht für die Ungeschicklichkeit der Redaction verantwortlich machen, die, wenn sie das »Pamphlet«, wie die Zeitschrift »Glückauf« das Machwerk richtig bezeichnet hat, wirklich gelesen hat, sich durch den Abdruck jener Besprechung als unfähig für die Beurtheilung industrieller Fragen er wiesen haben dürfte. D. Ref. die nachfolgenden Ausführungen der Königlichen Oberbergbehörde in Dortmund anzusehen, welche schreibt: Die »N. Pr. Ztg.« spricht in einem Artikel der Nr. 226 vom 16. Mai er. ihre lebhafte Mifsbilligung darüber aus, dafs der Bergbehörde die mifsliche Lage der Arbeiter in Westfalen ganz entgangen sein müsse, da sonst die Bewegung nicht leicht einen solchen Umfang habe nehmen können, dafs insbesondere die Zulassung der Ueber- schichten auf sehr engherzige Auffassung der betreffenden Gesetzesstellen zurückzuführen sei, sowie dafs aus den Zeitungen Nichts über die wünschenswerthe vermittelnde Thätigkeit des Oberbergamts und der Revierbeamten zu er kennen gewesen sei. Es bedarf das der Richtigstellung, und zwar in erster Linie dahin, dafs eine mifsliche Lage der westfälischen Bergarbeiter im Sinne der »N. Pr. Ztg.« nicht bestanden hat und infolgedessen auch nicht hat entgehen können. Wo der Hauerschicht lohn zwischen 3 und 4 • schwankt, das in Un fallsangelegenheiten anrechnungspflichtige Jahres einkommen eines westfälischen Bergarbeiters über 900 • beträgt und die auf acht Stunden (aus- schliefslich Ein- und Ausfahrt) normirte Schicht zeit kürzer ist als in allen anderen Steinkohlen distrikten, da kann von mifslicher Lage, der Ar beiter nicht die Rede sein. Nach der Art und Weise, wie sich die Sache entwickelt hat, zweifelt Niemand mehr daran, dafs die Bewegung nicht eine Lohnfrage und nicht das Bestreben war, eine bestehende mifsliche Lage zu verbessern, vielmehr von aufsen hinein getragen wurde. Auch die Anführung, dafs die Bergbehörde sieh bezüglich der sogenannten Ueberschichten einer zu engherzigen Auffassung der bezüglichen Be stimmungen des Berggesetzes hingegeben habe, mufs als nicht zutreffend bezeichnet werden. Die »N. Pr. Ztg.« giebt ja zu, dafs nur dann ein Grund zum Einschreiten vorhanden, wenn die Ueber schichten in einem die Gesundheit der Arbeiter nachtheilig beeinflussenden Mafse Platz greifen sollten, ein solches Mals aber ist selbst in der neuesten Zeit — in welcher verhältnifsmäfsig viele Ueberschichten verfahren wurden — bei Weitem nicht erreicht worden und in keinem einzigen Falle zur Kenntnifs der Behörde gelangt. Berg polizeilich ist gesorgt, dafs jedem Bergmann, der nicht beabsichtigt, eine etwa angeordnete Ueber- schiebt mitzumachen, am Ende der ordentlichen achtstündigen Schicht (bei Arbeitspunkten, in welchen erhöhte Temperaturen herrschen, ist die Schichtzeit bergpolizeilieh kürzer normirt) die Seilfahrtseinrichtung zur Disposition gestellt wird. Es dürfte an dieser Stelle angezeigt erscheinen, beiläufig ein Wort darüber zu verlieren, dafs, wenn von einer Ueberschicht die Rede ist, nicht etwa — wie es mehrfach zu geschehen scheint — der Zusatz einer vollen Schicht zu der ordentlichen achtstündigen Schicht zu verstehen ist. In Wirk lichkeit bezeichnet man mit dem in Rede stehen den Worte die Verlängerung der achtstündigen Arbeitszeit um 1 bis 2 oder höchstens 4 Stunden; und ist das eine Einrichtung, die auch im all gemeinen öffentlichen Interesse ihre nicht zu unterschätzende Bedeutung hat. Wenn die Nach frage nach Kohlen im Winter — wo dieselbe viel grölser ist als im Sommer — befriedigt werden soll, so müssen dazu entweder mehr Arbeiter als im Sommer angenommen oder die Arbeitszeit der vorhandenen Arbeiter zeitweilig verlängert werden.