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554 Nr. 7. STAHL UND EISEN.“ Juli 1889. Entwicklung und gegenwärtiger Stand des Puddlingsofen- betriebes mit Gasfeuerung. Vortrag, gehalten auf dem Allgemeinen Bergmannstag in Wien 1888, von Eduard Goedicke, Hütteningenieur in Schwechat. (Hierzu die Tafeln XIV und XV.) Vor wenigen Jahren — im Jahre 1884 — war ein volles Jahrhundert vergangen, seitdem der Engländer Heinrich Cort den Flammofen- frischprocefs erfunden hat. Zur Zeit des hundert jährigen Bestandes dieser Frischmethode hat aber die Puddlingseisenproduction den Höhepunkt ihrer Entwicklung schon überschritten gehabt, und wir sehen ein mächtiges Emporblühen der Flufseisen- processe. Die Concurrenz der Flufseisenfabricate hat sich insbesondere seit der Einführung des basischen Bessemerprocesses und neuerlich wieder in so manchem Artikel mit der Entwicklung und Ausbreitung des basischen Martinofenbetriebes mehr und mehr fühlbar gemacht. Waren schon diese Verhältnisse allein ge eignet, diejenigen Hüttenwerke, welche sich mit der Fabrication von Puddlingseisen beschäftigen, zur äufsersten Kraftanstrengung zu bestimmen, so hat wohl auch noch die seit Jahren ungünstige Conjunctur des Eisenmarktes ebenso zwingend zur Verbesserung der Betriebsmethoden, wie zur Vervollkommnung der Betriebseinrichtungen ge- nöthigt. Wenn nun der Hüttentechniker sehen will, wo er den Hebel anzusetzen hat, um seinen Betrieb ökonomischer zu gestalten, wird er wohl die beste, ja eine ganz sichere Aufklärung dann finden, wenn er die Gestehungskostenrechnung seines Fabricates einer detaillirten Kritik unterzieht. Betrachten wir nun die einzelnen Posten einer derartigen Rechnung für Puddlingseisen, unter der Voraussetzung, dafs die Fabrication in den früher allgemein in Anwendung gewesenen einfachen Puddlingsofen mit und auch ohne Vor glühherd erfolgt ist, so finden wir, dafs je nach den örtlichen Verhältnissen zur Erzeugung von 100 kg Puddlingseisen in Form von Rohschienen oder Luppenstäben (Zaggel) nöthig waren: die Vorwage an Roheisen mit . 105 bis 112 kg, der Aufwand an Kohle . . . 90 „ 160 ,, ferner kommen noch hinzu die Arbeitslöhne, die Betriebsspesen und die Regiekosten. Ohne einen concreten Fall ins Auge fassen zu müssen, ist aus dieser Darstellung zunächst zu ersehen, dafs eine Herabminderung der Fabrications- kosten hauptsächlich dadurch erreicht werden kann, wenn es gelingt, mit einem geringeren Abbrande an Roheisen und einem kleineren Brenn stoffaufwand zu arbeiten. Eine wesentliche Er sparung an Arbeitslöhnen läfst sich bei der Natur des Puddlingsprocesses, bei welchem man von der Geschicklichkeit und wahrhaftig nicht in letzter Linie von der Kraft und Ausdauer der Puddler abhängig ist, nicht leicht erzielen. Alle Be mühungen, die Handarbeit des Puddelns durch maschinelle Einrichtungen zu ersetzen oder den Procefs in rotirenden Oefen durchzuführen, haben, wie allgemein bekannt, zu keinem durchgreifenden Erfolge geführt. Auch bei uns in Oesterreich, so namentlich in den Alpenländern, hat es an derartigen Versuchen nicht gefehlt, dieselben haben aber alle ein durchaus negatives Resultat ergeben. Wer das Verhalten des steirischen Roh eisens beim Verpuddeln kennt, weifs, dafs die Rührperiode sehr rasch aber unter lebhaftem Aufkochen verläuft und dafs das Eisenbad während dieser Periode — soll die Charge nicht mifs- lingen und ein in der Qualität zweifelhaftes Product ergeben — einer sehr energischen Rühr arbeit bedarf. In diesem Verhalten des aus Erz berger Spatheisensteinen erblasenen Roheisens ist die Ursache zu suchen, warum die vorgenannten Versuche so unzureichende Resultate ergeben haben. Uebergehen wir nun zum vierten Posten, d. i. den Betriebsspesen, so wissen wir, dafs hierin hauptsächlich die Kosten des Maschinen betriebes, die Reparatur der Maschinen, Oefen und sonstigen Einrichtungen u. s. w. inbegriffen sind. Hieraus ist zu ersehen, dafs der eigentliche Puddlingsofenbetrieb nur insofern einen Einflufs auf die Höhe dieser Spesen ausübt, als es sich um eine gröfsere oder geringere Reparatur der Oefen handelt. Wenn wir nun nach den Mitteln fragen, welche geeignet sind, den Abbrand an Roheisen, wie auch den Verbrauch an Brennstoff herab zumindern, so wissen wir, dafs die Gasfeuerung beide Vortheile gewährt. Diese Erkenntnifs haben wir schon seit langer Zeit — etwa seit 14 bis 15 Jahren — und in der That sehen wir, dafs seit jener Zeit alle Verbesserungen im Puddlingsofen- betriebe hauptsächlich auf die Anwendung der Gasfeuerung zurückzuführen sind. Wenn es aber trotzdem mit der ausgedehnteren Anwendung der Gasfeuerung bei den Puddlings- öfen langsam gegangen ist, so darf man nicht vergessen, dafs die Vortheile, welche uns der gegenwärtige Gasofenbetrieb bietet, sich erst nach