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190 Nr. 4. „STAHL UND EISEN.“ Februar 1892. erzeugung. Das Benzol siedet zwischen 80 und 81 °, hat ein spec. Gewicht von 0,89, wird bei 0 0 fest und schmilzt bei 8 °. Diese Eigenschaften machen die Gewinnung aus den Gasen der Koksöfen zu keiner leichten. Die Einrichtungen zur Gewinnung des Benzols aus den Gasen der Koksöfen stammen von dem Ingenieur Herrn Franz Brunck in Dortmund; sie werden geheim gehalten. Die Gewinnung dieses dritten Nebenerzeugnisses ist ebenfalls noch zu kurze Zeit im Betriebe, um darüber ebenso zuverlässige Angaben machen zu können, als über die Ergebnisse der Theer- und Ammoniak gewinnung. Man soll aus jeder Tonne trockner Kohle, welche in Koksöfen entgast wird, 3 bis 7 kg Benzol gewinnen. Diese Mengen des aus den Gasen der Koksöfen zu gewinnenden Benzols wechselt natürlich mit der Zusammensetzung der Kohle; der bisherige Gewinn aus den Nebenerzeugnissen der Steinkohlen bei der Entgasung derselben in Koksöfen soll durch die Ausscheidung auch des Benzols wesentlich erhöht werden. Man giebt an, dafs die Baukosten der Koksofenanlagen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse durch die Einrichtungen zur Gewinnung auch des Benzols um 5000 .% für einen Ofen, also um 300 000 •6 für 60 Hoffmann-Otto-Oefen vermehrt würden. Volkswirthschaftliche Bedeutung der Gewinnung der Nebenerzeugnisse. Die raschere Ausdehnung der Gewinnung der Nebenerzeugnisse hat besonders auch der Umstand aufgehalten, dafs die Preise derselben seit 10 Jahren weichend waren.* Der Preis des Theers ist seit 1884 von 5,546 für 100 kg auf 4/6 und darunter gefallen. Der Preis für 100 kg schwefel saures Ammoniak ist in den 3 Jahren von 1882 bis 1885 von 48 e/6 auf 31 und auch in den letzten 7 Jahren noch ferner, jedoch langsamer gefallen, und beträgt jetzt etwa 22 Jt. Die Handelsberichte über dieses Erzeugnifs lauten augenblicklich sehr günstig. Was aber wollen diese Vorgänge bedeuten gegenüber dem ungeheuren Nutzen, welchen trotz der gesunkenen Preise die für die Gewinnung der Nebenerzeugnisse aufgewendeten Anlagekapitalien noch heute gewähren. Wie wir weiter unten sehen werden, beträgt dieser Gewinn ohne Uebertreibung, allein aus Theer und Ammoniak, mehr als 40 % vom Anlagekapital für diese Einrichtungen. Dazu kommt nun in neuerer Zeit noch ein drittes Nebenerzeugnifs, das Benzol, welches, wie oben schon gesagt, früher nur bei der Destillation des Theers, aber jetzt auch unmittelbar aus den Gasen der Koksöfen hergestellt wird. Um das Benzol zu gewinnen, und um die Ausbeute an Theer und Ammoniak zu vergröfsern, sind in den letzten Jahren die betreffenden Einrichtungen vermehrt und verbessert worden, und haben sich also auch die Anlagekosten der damit versehenen Koksöfen noch wesentlich erhöht. Durch diese Verbesserungen aber ist zugleich der Betrieb der Einrichtungen sicherer, und somit einfacher geworden. Man ist in berg- und hüttenmännischen Kreisen keineswegs durch die Höhe der durchschnitt lichen Gewinn-Procente aus Kohlen, Koks und Eisen verwöhnt; wenn deshalb auch die Preise für die Nebenerzeugnisse noch mehr fallen sollten, so würde man aus denselben immer noch Gewinne erzielen können, welche diejenigen aus den übrigen Erzeugnissen bedeutend übersteigen. Der Gewinn aus den Nebenerzeugnissen aber ist dadurch gesichert, dafs der Bedarf, was wenigstens Theer und Ammoniak anbetrifft, auch dann nicht gedeckt würde, wenn alle Koksöfen in Deutschland umgebaut und mit den dazu nöthigen Einrichtungen versehen werden könnten. Die Entwicklung der Theerindustrie ist eine stetige; an der rascheren Ausdehnung derselben sind auch die Stein kohlenbergwerke durch ihren Bedarf an Pech betheiligt; es ist dies der Rückstand, welcher bei der Destillation des Theers bleibt und welcher zur Herstellung der Briketts aus sonst schwer verwerth- baren Steinkohlen nothwendig ist. ** Der jetzige tägliche Verbrauch von Pech zur Herstellung von Briketts soll in Westfalen 150 t betragen; dieselben erfordern eine tägliche Destillation von 300 t Theer, wie derselbe von den Koksöfen geliefert wird. Zur Gewinnung dieser Menge Theer müfsten allein jetzt schon 3000 Koksöfen mit den Einrichtungen zur Gewinnung der Nebenerzeugnisse ver sehen sein. Das schwefelsaure Ammoniak findet bekanntlich ausgedehnte Anwendung bei der Herstellung von Soda, Kunsteis und verschiedenen chemischen Erzeugnissen. Ferner ist das schwefelsaure Ammoniak infolge seines Gehalts von 20 % Stickstoff ein wichtiges Düngemittel. An stickstoff haltigen Düngemitteln wurden in Deutschland in den letzten Jahren verbraucht: 1890 Durchschnitt 1889 t 1888 t 1887 t t 33 788 330 366 45144 t 34193 276319 57 334 35 564 33555 320 820 54062 Schwefelsaures Ammoniak Ghilisalpeter . . . . Guano 33 865 194610 71880 259 482 58251 * Die Preise von schwefelsaurem Ammoniak sind vereinzelt in der »Kölnischen Zeitung«, regel- mäfsig in der »Chemiker-Ztg.«, und ziemlich regelmäfsig in der »Rhein.-Westf. Ztg.«, in letzterer unter Hull zu finden. Die Preise von Theer sind nur in der »Chem.-Ztg.« und die Preise von Roh-Benzol nur aus der »Engi. Chem.-Ztg.« zu entnehmen. ** »Glückauf«, Berg- und Hüttenmännische Zeitung.