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18 Stahl und Eisen. Ersparnisse in der Beilegung der Rohstoffe für die Eisendarstellung. 1. Januar 1900. Als Frankreich zu Anfang- des Jahrhunderts auf der Höhe seiner Macht stand, zeigte es gleichzeitig eine aufserordentlich hohe Erzeugung an Eisen. Man zählte im Jahre 1807* im Kaiserreich nicht weniger als 1300 Eisenhütten in 69 Departements mit etwa 600 Hochöfen und 1600 Frischfeuern einschliefslich der Catalonschmieden. Heron de Villefosse schätzt die Erzeugung- Frankreichs im Jahre 1807 auf 4 500000 Gentner, während gleichzeitig Preufsen mit 322 053 Ctr. Bayern mit 110 000 „ Sachsen mit 80 000 „ Königreich Westfalen mit . . 187 411 „ zusammen . . . 699 464 Ctr. angegeben ist, d. h. es betrug die Eisengesammtherstellung des damaligen, freilich geographisch sehr reducirten Deutschlands nicht einmal 1/6 von der französischen Erzeugung. Nur dadurch, dafs Kaiser Napoleon in seinem Reiche eine so stark entwickelte Eisenindustrie besafs, war er in der Lage, einen Artilleriepark ins Feld zu führen, der denjenigen aller seiner verbündeten Feinde an Stärke und Leistung übertraf. Hatte die Eisenerzeugung Grofsbritanniens schon im Jahre 1807 fünf Millionen Gentner erreicht, so wuchs sie, namentlich von der Mitte des Jahrhunderts ab, bis auf das Vierzigfache dieses Betrags. Es bedarf keines Hinweises auf die Steigerung der Macht, welche das Land gleichzeitig im Concert der Völker zu verzeichnen hatte. In den Vereinigten Staaten fällt die Entwicklung der Eisenindustrie erst in die neuere Zeit, aber auch hier trifft sie mit der Machtentfaltung des Landes nach aufsen zusammen. In unserem Vaterland wurden in der Mitte der 60er Jahre rund 880 000 t 70 „ „ 2 000 000 t 80 „ „ 3 750 000 t 90, „ 4 347 000 t und in dem zu Ende gehenden Jahr 8 Millionen Tonnen erreicht. Sie werden es begreiflich finden, in. H., wenn ich die Rückschlüsse auf den Zusammenhang zwischen Eisenindustrie und Machtentfaltung eines Landes für die gegenwärtige Zeit dem Historiker der Zukunft überlasse, aber die Wechselwirkung zwischen der grofsen Zeit, welche wir in unserem Vaterland unter Kaiser Wilhelm und seinem grofsen Kanzler erlebt haben, und dem Aufblühen unserer Eisenindustrie dürfte auch heute schon zu Tage treten. Die Ursache zu dieser in der Geschichte der Völker sich wiederholenden Erscheinung liegt darin, dafs die culturelle Entwicklung eines Volks als Grundlage einer kräftig und hochentwickelten Eisenindustrie bedarf. Diese liefert der übrigen Industrie und der Landwirthschaft die Maschinen, Geräthe und Werkzeuge, deren beide zu ihrem Bestehen bedürfen; die Fortschritte in der Technik des Eisenhüttenwesens und des ihr nahestehenden Maschinenbaues gehen Hand in Hand mit der Entwicklung des ganzen Landes. Unsere elektrische Industrie, die mit elementarer Gewalt sich Bahn bricht, bedarf neben sich zu ihrem Gedeihen einer leistungsfähigen Eisenindustrie, denn ohne diese wäre die Vermehrung der Geleislänge der in Betrieb befindlichen elektrischen Bahnlinien von etwa 3700 km zu Ende vorigen Jahres auf 6000 km in der Mitte dieses Jahres ebensowenig möglich gewesen wie der Neubau von 135 Elektricitätscentralen, welche zu den am 1. März d. J. bereits vorhandenen 489 Werken dieser Art zutreten. Mit Recht weist man darauf hin, dafs die technischen und wirthschaftlichen Umwälzungen, welche durch die elektrische Industrie hervorgerufen worden sind, an Bedeutsamkeit den durch das Eisenbahnwesen hervorgerufenen Verschiebungen nicht nachstehen, und dafs, während bei der Einführung der Eisenbahnen wie der Dampfmaschine Grofsbritannien die Führung hatte, unser Land bei der Verwendung und Verbreitung der Elektrotechnik von vorneherein sich an die Spitze gestellt hat. In ähnlicher, vielleicht noch schärfer ausgesprochener Weise liegen die Verhältnisse bei unserem Schiffsbau. In der Errichtung der „Schiffbautechnischen Gesellschaft“ und ihrer in den letzten Tagen in Gegenwart unseres erhabenen Herrschers statt gehabten Tagung ist der äufsere Beweis der absoluten Selbständigkeit der deutschen Schiff bautechnik erblickt worden. Ihre Grundlage bilden Maschinen- und Eisenindustrie, und jener Beweis kann nur alsdann als erbracht angesehen werden, wenn der räumliche Abstand zwischen Hütten und Werften ebenso wie derjenige zwischen Kohlenbecken und Erzfeldern überbrückt wird. Zur gedeihlichen Fortentwicklung der deutschen Eisenindustrie fehlt es an natürlichen Grund lagen nicht. Wir verfügen innerhalb der Grenzen unseres Vaterlandes über zahlreiche und * Dr. L. Beck „Geschichte des Eisens“ IV. Abth. Seite 165.